Die BauernZeitung traf Markus Hobi und Richard Hollenstein zum Abschiedsinterview am LZSG Flawil. Guter Stimmung erinnern sie sich an ihre Anfänge und freuen sich auf den neuen Lebensabschnitt.
Sie gehen beide fast gleichzeitig in Pension. Starteten Sie auch gemeinsam ins Berufsleben?
Richard Hollenstein: Ich begann 1983 an der damaligen landwirtschaftlichen Schule in Flawil zu arbeiten. Markus kam 1987 dazu. Wahrscheinlich trafen wir uns zum ersten Mal an einer Lehrerkonferenz.
Markus Hobi: Das wird so gewesen sein. Richi war nebst der Tätigkeit als Obstfachmann und Obstbaulehrer noch Internatsbetreuer. Da gab er immer Gesprächsstoff.
Es ist selten, dass jemand vom Eintritt ins Berufsleben bis zur Pensionierung für den gleichen Arbeitgeber tätig ist, wie das bei Ihnen der Fall ist. Wie kam das?
Hobi: Wir haben hier am LZSG ein Umfeld, das wir kreativ gestalten können. Stillstand gab es nicht. Langweilig wird es nie, wenn man etwas in Bewegung setzen kann. Ich habe mich nie für eine andere Stelle beworben und auch alle Angebote abgelehnt.
Hollenstein: Ich konnte mit der Branche den Obstbau weiterentwickeln. Im Steinobstbau hat die Ostschweiz seit den 1990er-Jahren einen Sprung von Null auf 100 gemacht. Heute sind wir das grösste Anbaugebiet für Tafelkirschen und Zwetschgen. Im Mostapfelanbau sind wir sowieso die Platzhirsche. Ich wüsste keinen Job, der besser zu mir gepasst hätte. Ein Stellenwechsel war nie ein Thema – auch 2007 nicht, als es mit der Feuerbrandbekämpfung im Vollzug heiss zu und herging.
Manch ein Pensionierter sagt, früher war alles besser. Teilen Sie diese Meinung?
Hobi: Ganz und gar nicht. Zu Beginn meines Berufslebens als Betriebsberater ging es mehrheitlich darum, Formulare auszufüllen, beispielsweise für die Ausmerzaktionen im Berggebiet. Oder wir hatten Geschäftsführungsfunktionen für diverse Verbände. Alles war reglementiert – vom Milch- und Fleischmarkt bis hin zu den Züchtungsprogrammen. Die Wende mit der Liberalisierung zu einer Agrarpolitik mit mehr Markt und Direktzahlungen für gemeinwirtschaftliche Leistungen eröffnete auch für uns Chancen. Wir richteten unsere Tätigkeit immer mehr auf die Unterstützung der Produktion qualitativ hochstehender Produkte aus.
Was für Chancen ergriffen Sie?
Hobi: Ein Beispiel ist die Pflanzenzüchtung. Zuerst stiegen wir ins Züchtungsprogramm Ribelmais ein. In enger Zusammenarbeit mit der St. Galler Saatzuchtgenossenschaft züchten wir Grassamen. Aktuell sind wir mit einer privaten Züchtungsfirma in der Kartoffelzüchtung aktiv und mit Partnern betreiben wir das Züchtungsprogramm Rheintaler Schwefelbohnen. Dazu kommen die Aktivitäten für St. Galler Öle. Auch finden Sie nirgendwo in der Deutschschweiz so viele Produkte mit AOP-IGP-Herkunftsbezeichnungen wie in St. Gallen und Appenzell. Dann bewirtschaften wir ca. 30 ha eigene Versuchsflächen in Salez und Flawil. Zusätzlich betreuen wir mehrere Hundert Hektaren Anbauflächen auf Bauernbetrieben und verfügen über einzigartige Sortensammlungen im Wein- und Obstbau.
Welcher Standort ist besser – Flawil oder Salez?
Hollenstein: Früher gab es ein Konkurrenzdenken zwischen den Schulen über die Kantone hinaus. Die Direktoren regierten wie kleine Könige. Die Zeiten sind vorbei. Heute sind wir im Kanton St. Gallen eine Einheit. In den 2000er-Jahren entschied die Regierung, dass alles, was Vollzeitunterricht betrifft, in Salez stattfinden wird. Wir waren hier in Flawil im ersten Moment konsterniert. Standortdiskussionen sind halt mit Emotionen verbunden. Das Unterrichtswesen ist interessant, aber bindet auch viele Ressourcen. Dagegen hatten wir in Flawil einen riesigen Freiraum, um Versuchsflächen anzulegen und die leerstehenden Gebäude in eine andere Nutzung zu überführen.
Hobi: In Salez konnten wir 2018 unser neu gebautes, klimafreundliches Tagungszentrum beziehen, das inzwischen Architekten und Architekturstudierende aus der ganzen Welt anzieht und eröffneten eine neue Schulkäserei. Das Berufs- und Weiterbildungszentrum Buchs, dem die landwirtschaftliche Berufsbildung zugewiesen wurde, ist mittlerweile die landwirtschaftliche Schule mit den meisten landwirtschaftlichen Abschlüssen in der Ostschweiz. Wir beschäftigen 70 Mitarbeitende in Vollzeit und fast ebenso viele, die als nebenamtliche Berater(innen) und Aushilfen in den Anlagen und Betrieben tätig sind.
Hollenstein: Landwirtschaftliche Beratung und Weiterbildung hat keinen Selbstzweck. Wir müssen unseren Bauernfamilien dienen. Das ist unser Job – und nicht an Strukturen und Traditionen festhalten.
Welche Ämter, Präsidien, Mandate übernehmen Sie nach der Pensionierung?
Hobi: (lacht) Bei meinen Verabschiedungen bekam ich schon die ersten Angebote. Ich habe derzeit nicht im Sinn, neue Funktionen zu übernehmen. Zurzeit habe ich noch zwei Verwaltungsratsmandate, aus denen ich in den nächsten zwei Jahren ebenfalls austreten werde.
Hollenstein: Ich sage immer «Wer nicht richtig angepackt hat, kann nicht loslassen». Wir beide haben einiges mehr gearbeitet als nötig oder vorgeschrieben gewesen wäre, und uns mit Herzblut engagiert. Also können wir uns verabschieden.
Hobi: Ich bin stolz, auf das, was wir erreicht haben. Unsere Nachfolger haben gute Startbedingungen und ich bin überzeugt, dass sie die St. Galler Landwirtschaft noch besser weiterentwickeln können.
Also privatisieren Sie nur?
Hobi: Mein letzter Arbeitstag ist der 30. Juni. Dann fängt ein neuer Lebensabschnitt an. Priorität haben die Familie und meine Enkel. Ich habe in den Flumserbergen ein kleines Bergheimet, wo ich mich der Imkerei widmen werde.
Hollenstein: Ich mache auch einen klaren Schnitt. Unser Einfamilienhaus haben wir nach einer Sitzung im Familienrat dem Sohn und der Schwiegertochter übergeben und sind in eine Eigentumswohnung gezogen. Nach meiner Pensionierung machen wir zuerst Ferien im Südtirol, wie schon seit Jahrzehnten. Südtirol ist unsere zweite Heimat. Zurück unterstütze ich meine Frau beim Enkel hüten. Da wir fürs Leben gerne essen, verfeinere ich meine Kochkünste. Auch will ich meine Sprachkenntnisse in Französisch verbessern und Englisch lernen. Veloferien wie Wandern gehören auch zu unseren gemeinsamen Aktivitäten. Und wenn es mich juckt, kann ich bei meinem Sohn und der Schwiegertochter und dem Ehemann meiner Tochter in deren Eigenheimen gärtnern oder Sträucher schneiden – oder als Gast an einer Obstbautagung frühere Kollegen treffen.
Nicht nur die Berufsjahre verbrachten Sie beim gleichen Arbeitgeber, sondern sind seither auch jeweils mit der gleichen Ehefrau zusammen. Was ist Ihr Rezept für eine lange, glückliche Beziehung?
Hollenstein: Ich war viel weg – auch abends an Veranstaltungen. Aber wenn ich daheim war, war ich wirklich zu Hause. Ich ging nicht für mich alleine irgendwelchen Hobbys oder Aktivitäten wie Joggen oder Biken nach. Meine Frau und ich haben die gleichen Interessen und teilen die Freizeit miteinander.
Hobi: Das halten wir auch so. Auch wenn man beruflich stark eingespannt ist, bleibt gleichwohl Zeit, die man gemeinsam zu verbringen kann, etwa beim Wandern. Jetzt, mit meiner Imkerei, hilft mir meine Frau beim Abdeckeln. Wenn jeder für sich noch einem eigenen Hobby nachgehen würde, hätte man sich sicherlich etwas entfremdet.
Markus Hobi
Jahrgang: 1960
Herkunft: Bauernsohn, Flumserberg
Familie: Verheiratet, vier Kinder und drei Enkel
Abschluss: Dipl. Ing. Agr. ETH
Werdegang: Betriebsberater und Landwirtschaftslehrer, Beratungsleiter, seit 2004 Leiter LZSG
Pensionierung: Ende Juni
Nachfolger: Roger Gut
Richard Hollenstein
Jahrgang: 1960
Herkunft: Bauernsohn, Rapperswil Jona
Familie: Verheiratet, drei Kinder und vier Enkel
Abschluss: Meisterlandwirt EFZ, Obstbauer mit Meisterdiplom
Werdegang: Obstbaulehrer und -berater, seit 1998 Leiter Fachstelle Obstbau LZSG
Pensionierung: Ende Juli
Nachfolger: Stefan Freund und Roman Stüdli