Markus Höltschi, der Prorektor des Berufsbildungszentrums Natur und Ernährung, BBZN Hohenrain - wird in diesem Sommer nach 20 Jahren Standortleitung in Pension gehen. Dem Vollkostenrechnung-Milch-Experten war es immer ein Anliegen, sowohl die Auszubildenden wie auch die Betriebsleiter/innen auf dem Weg zu einer wirtschaftlichen Betriebsführung zu unterstützen. Die BauernZeitung fragte beim berg- und musikbegeisterten Luzerner nach.
Sie unterrichten am BBZN bereits seit 34 Jahren junge Berufsleute. Haben sich die Schüler verändert?
Markus Höltschi: Die Menschen, sprich unsere Schüler haben sich aus meiner Sicht wenig verändert, sie werden aber natürlich vom heutigen Umfeld und den heutigen Herausforderungen geprägt und entsprechend beeinflusst. Wir haben in der Landwirtschaft immer noch das Privileg, dass unser Berufsnachwuchs bodenständige und geerdete Charakteren sind. So wie sich die Betriebe in den letzten Jahren spezialisiert haben, so fokussieren sich auch die Interessen unserer Lernenden. Die Klassen sind bezüglich thematischen Vorlieben heute heterogener als früher. Zudem haben Aspekte wie Ressourcenschutz und Klimaveränderung einen direkten Einfluss auf die Produktionstechnik und die Betriebsentwicklung. Entsprechend haben diese Themen in den Lehrmitteln und im Unterricht ihren festen Platz. Der Anteil der Lernenden, die Landwirt/in als Zweitberuf erlernen, ist stark angestiegen und liegt heute bei rund 50 Prozenten. Die etwas älteren Quereinsteiger bereichern die Klassen mit ihrer Lebenserfahrung und dem Gelernten im Erstberufen.
Wie hat sich die Arbeit der Lehrpersonen in den letzten drei Jahrzehnten verändert?
Heute nutzen wir eine grosse Methodenvielfalt. Die Eigenverantwortung und die Fähigkeit, Kompetenzen selbst zu entwickeln und eigene Handlungsfähigkeit zu erlangen, haben eine deutlich höhere Bedeutung als früher. Dabei spielt natürlich die Digitalisierung eine zentrale Rolle, die den Unterricht grundlegend verändert hat. Und das ist auch richtig so. Die Schule ist kein Selbstzweck, sondern hat die Aufgabe, junge Menschen auf das Leben und die Realität vorzubereiten. Wer im privaten oder beruflichen Alltag erfolgreich sein möchte, muss beispielsweise mit der Informationsflut umgehen können und in der Lage sein, Wichtiges von weniger Relevanten sowie von Fake-News zu unterscheiden.
In der Betriebswirtschaft hat das vernetzte Denken in der Ausbildung sicherlich an Bedeutung gewonnen. Von den heutigen Betriebsleitern/innen wird viel Unternehmergeist erwartet, und die Ausrichtung auf den Markt bleibt für mich absolut zentral. Das ist zwar oft anstrengend und für die Branchen auch unangenehm, aber langfristig überlebenswichtig. Eine sehr grosse Veränderung gab es jedoch im Bereich Nachhaltigkeit. Vor 30 Jahren war dieses Thema eher eine Randnotiz. Die Realitäten der Umwelt und die zunehmenden Forderungen aus Gesellschaft und Politik im Bereich Nachhaltigkeit stellen unsere junge Generation vor grosse Herausforderungen – gerade im Kanton Luzern mit seiner hohen Tierdichte. Wir versuchen daher, unsere Lernenden auch in diesem Bereich gezielt zu fördern und zu sensibilisieren. Dabei vermitteln wir ihnen geeignete Kommunikationsmethoden und Argumente, um sachlich informieren und diskutieren zu können.
Sie gelten als der Experte im Bereich Vollkostenrechnung Milch. Was faszinierte Sie an diesem Thema?
Als Betriebswirtschaftler und Berater im Bereich Milchproduktion interessierte mich nicht nur die Betrachtung der Direktkosten, sondern vor allem, was der Landwirt nach Abzug sämtlicher Strukturkosten tatsächlich pro Jahr und pro Arbeitsstunde verdient. Mein Antrieb war stets, die Bäuerinnen und Bauern dabei zu unterstützen, die richtigen strategischen Entscheidungen für ihre Betriebe zu treffen. Mein Fokus lag darauf, zu verstehen, welche produktionstechnischen Ausrichtungen zu welchen Ergebnissen führen. Ich will immer wissen, welches die zentralen Erfolgsfaktoren und die Stellschrauben für Verbesserungen sind. Die spannendste Frage lautet: Was machen die besten Betriebe besser – sei es bei der weidebasierten Milchproduktion oder bei leistungsorientierter Stallhaltung?
Gerade im Talgebiet wurde die Milchproduktion in den vergangenen Jahren stark automatisiert. Welches sind die Gründe und Zusammenhänge?
Schlussendlich sind die Betriebsleiter und produktionstechnischen Voraussetzungen der Betriebe für die Wahl der Strategie matchentscheidend. Die höhere Leistungsbereitschaft der Kühe, die soliden Milchpreise und das tiefe Zinsniveau der letzten Jahre sowie die rasanten technischen und technologischen Entwicklungen - wie Melk-, Entmistungs- und Fütterungsroboter – motivierten zu grossen Investitionen in die Automatisierung in den Ställen. In Zeiten des Fachkräftemangels sind Arbeitserleichterungen höchst willkommen. Sie geben die Betriebsleiterfamilien mehr Flexibilität und reduzieren die Arbeitsbelastung. De facto wird der Produktionsfaktor Arbeit durch Technik und damit Kapital ersetzt. Damit hohe Investitionen innerhalb nützlicher Frist abgeschrieben und zurückbezahlt werden können, nutzen diese Betriebe den Trumpf des Mengeneffektes. Im Talgebiet arbeiten erfreulicherweise heute viele technisierte Hochleistungsbetriebe professionell und wirtschaftlich erfolgreich. Anspruchsvoller ist dies im Berggebiet, da dort grossen Investitionen infolge des eingeschränkten Mengeneffekts die Wirtschaftlichkeit mehr belasten. Aber schlussendlich müssen immer die betriebsspezifischen Gegebenheiten – egal in welcher Zone – berücksichtigt werden.
In diesem Sommer werden Sie pensioniert. Worauf freuen Sie sich besonders?
Ich werde zukünftig wieder mehr auf dem Landwirtschaftsbetrieb meines Sohns anzutreffen sein. Die Praxisanbindung ist meine Leidenschaft. Diese fehlte mir während meiner beruflichen Laufbahn schon etwas. Dazu freue ich mich, zusammen mit meiner Frau noch mehr Zeit beim Wandern und Biken – insbesondere in Bergen – zu verbringen und gemeinsam unsere Grosskinder zu geniessen. Auch für das Reisen und die Musik werde ich wieder mehr Zeit haben. Das freut mich.