Mit jeder Tür, die Ralf Hahn öffnet, umhüllt ein neuer Duft die Eintretenden. Mal dominieren Haferflocken, andernorts Gewürze und Kräuter oder aber schlicht der Geruch von Kartonverpackungen das Bouquet. Da nimmt man die vielen Treppenstufen von einem Stockwerk zum nächsten gerne in Kauf.
Mit breiter Produktpalette einen Namen gemacht
Wir befinden uns in Müllheim-Wigoltingen TG auf dem Gelände der Schweizerischen Schälmühle E. Zwicky AG. Ralf Hahn, Leiter Verkauf und Beratung, führt durch die drei Türme. «Wir sind eine Schälmühle», betont er, «das heisst, Mehl ist nicht das Hauptprodukt.» Vielmehr hat sich die Marke Zwicky einen Namen gemacht mit Müesli, Flocken sowie verschiedenen Getreide- und Hülsenfruchtspezialitäten.
[IMG 3]
Moderne Technik, aufbauend auf alten Prinzipien
Die erste Station der angelieferten Ware könnte allerdings auch in einer Sammelstelle stehen: Geräte zur Bestimmung von Feuchtigkeit, Proteingehalt oder Fallzahl für die Beurteilung der Backqualität. Für die Sortierung bzw. Reinigung diverser Feldfrüchte ist Zwicky indes bemerkenswert gut ausgerüstet.
«Je nach Ausgangsprodukt und dessen Verunreinigungen stellen wir den Weg durch die Anlagen zusammen», erklärt Ralf Hahn. Die Funktionsweise der Maschinen ist pure Physik und wie der Fachmann erläutert seit dem Altertum dieselbe. «Schon die Alten Ägypter haben Körner aus einer flachen Schale hochgeworfen, um dank eines Luftzugs leichtere Spelzen zu entfernen.» Wie ein Koch die gewendete Omelette, konnten sie so ihr rudimentär gesäubertes Getreide wieder auffangen.
Farbausleser erkennen, was wegzublasen ist
Bei der Zwicky AG geht das etwas ausgefeilter vonstatten. «Die Maschinen sind nicht neu, aber das Prinzip hat sich ja auch nicht geändert», schränkt der Verkaufsleiter ein. Eine Ausnahme ist der Farbausleser, von denen das Unternehmen zwei besitzt.
Das neuere Modell könne «jede Schattierung» erkennen, berichtet Hahn stolz. Ob Bohnen, Linsen oder kugelige Hirsekörnchen, das Erntegut wird in einem feinen Strom durch das Gerät geleitet, das mit gezielten Luftstössen von den Kameras als abweichend Identifiziertes wegbläst. Bei Zwicky gereinigte Hirse aus Graubünden kommt z. B. unter der Marke Campiuns in den Detailhandel.
«Von jeder Charge kochen wir eine Polenta.»
Ralf Hahn, Zwicky AG, über die Qualitätskontrolle beim Fertigprodukt für Maggi.
Hirse aus Graubünden, Polenta aus dem Tessin
Campiuns ist nicht der einzige Name, hinter dem ein Verarbeitungsschritt im thurgauischen Müllheim-Wigoltingen steckt. Die Maggi Polenta Ticinese wird ebenfalls hier hergestellt. Ein Geruch nach Salz, würzigem Hefeextrakt und eine Zwiebelnote wabern um die Maschinen, in denen der Mais zu Fertigpolenta wird.
Angrenzend ist eine kleine Versuchsküche eingerichtet, in der Stielpfannen sauber aufgereiht auf ihren Einsatz warten. «Von jeder Charge wird eine Fertigpolenta gekocht und geprüft», hält Ralf Hahn fest.
Gekocht wird auch in der Flocken-Produktion, wobei man hier von «Konditionieren» spricht und mit Dampf arbeitet. «Zur eigentlichen Flockierung gelangt das so vorbereitete Korn auf zwei gegenläufige Walzen», schildert der Fachmann. Ohne die Vorbehandlung gäbe es bei dieser Prozedur vor allem viel Staub und Bruch statt schöner Flocken fürs Müesli.
[IMG 2]
Viele fein säuberlich aufgereihte Muster
Wie die Flocken auszusehen haben, ist klar festgelegt und lässt sich anhand von Mustern beim Einstellen der Maschinen überprüfen. Die Grösse des Regals und die Fülle an Gläsern mit Flockenmustern aller Art geben einen Eindruck davon, wie breit die Produktpalette der Zwicky AG ist. Es gibt flockierte Gerste in drei Grössen, diverse andere Getreidearten, Mischungen, Bio- und «Aus der Region»-Produkte.
Dass die Flockenmischungen vor dem Gang durch die Walzen zusammengestellt werden, habe den Vorteil, dass alle Körner in einheitlicher Dicke resultieren. Wer ob der Fülle dieses Musterregals ins Staunen gerät, wird ein paar Stockwerke weiter unten umso mehr überrascht. Dort füllen die säuberlich etikettierten Gläser mehrere Schränke.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Zwicky AG auch über einen sogenannten Extruder verfügt. Er habe zwar einen tiefen Durchsatz, merkt Ralf Hahn an, «für unsere Zwecke reicht das aber aus.» Darin entstehen z. B. Maisflips oder verschiedene Pops. Die Reis-Crispies in den Risoletto-Schoggriegeln sind ein Gruss aus dem Thurgau.
[IMG 5]
Glutenfreie und reguläre Ware strikt getrennt
«Wir sind ein hybrider Betrieb, das leisten sich nicht viele», sagt Ralf Hahn, während er zum nächsten Turm marschiert. Zwicky produziert sowohl glutenfreie als auch «normale» Ware und hat dafür zwei klar getrennte Bereiche.
Die Anlagen sind zu einem grossen Teil dieselben Gerätetypen, die Mitarbeitenden tragen aber blaue statt grüne T-Shirts und man achtet darauf, dass möglichst wenig zwischen der glutenfreien und der glutenhaltigen Abteilung hin und her gewechselt wird.
Strenge Vorschriften für grösstmögliche Hygiene
Da die Zwick AG mit genussfertigen Lebensmitteln arbeitet, sind sowieso überall Hygieneschleusen zu passieren. Händewaschen und Desinfizieren ist hier Pflicht. Besucher(innen) dürfen beim Betreten des ganzen Produktionsgeländes keinen Schmuck tragen – es könnte sonst ein Ohrstecker oder Fingerring im Müesli landen –, dafür werden sie mit Haarnetz und Übergewand ausgestattet. Eine Unterschrift zum richtigen Verhalten und ein Plänchen des Areals, falls man verloren gehen sollte, komplettieren die Eingangsformalitäten.
[IMG 4]
Vielfalt zu gross für eine Automatisierung
Die letzte Station für Flocken, Pops und Polenta sind die Abfüllanlagen. Die Paletten packt man von Hand, denn die Produktvielfalt ist für eine Automatisierung dieses Arbeitsschritts zu gross. «Die grossen 2,5–5-Kilo-Säcke kennt jeder Gastronom», sagt Ralf Hahn.
Eine LKW-Chauffeurin befördert mit ihrem Palettrolli eine Ladung Rollgerste in ihren Transporter und schwärmt von Gerstensuppe. Hahns Lieblingsprodukt scheinen Flohsamenschalen zu sein. «Die haben einen wunderbaren Effekt auf den Verdauungstrakt», meint er.
Vor der Auslieferung in externem Labor geprüft
Die glutenfreien Produkte müssen vor ihrer Auslieferung in einem externen Labor geprüft werden. Erst dann ersetzt ein grüner Kleber auf dem Palett den roten, die Ware ist freigegeben. Besucher(innen) checken mit einer Unterschrift aus – und wahlweise mit einem Zwicky-Produkt aus dem Fabrikladen.
Neu Teil der GMSA-Gruppe
Im Juni 2025 hat die Groupe Minoteries SA (GMSA) der 133-jährigen Geschichte der Schweizerischen Schälmühle E. Zwicky AG ein neues Kapitel hinzugefügt. Die Mühlengruppe hat die Zwicky AG übernommen und sieht darin einen wichtigen Schritt zu seiner Diversifizierung. «Die GMSA sichert hier die Kontinuität», versichert Alexandre Bardet, Leiter Einkauf und Nachhaltigkeit und Mitglied der Geschäftsleitung der GSMA. «Wir bringen die Expertise, um die Schälmühle weiter gut am Markt zu positionieren.» Der bisherige Inhaber suchte laut Bardet eine Lösung und fand in der GMSA-Gruppe einen Schweizer Käufer.[IMG 6]
Ein Teil der bei Zwicky verarbeiteten Ware stamme aus der Schweiz bzw. aus Label-Produktion, fährt Alexandre Bardet fort. Der Name sei hierzulande gut bekannt und beliebt. In vielen Produkten stecken aber auch importierte Rohstoffe. Mangelnde Verfügbarkeit von Mengen und Qualität (z.B. beim Speisemais) und letztlich fehlender Grenzschutz bzw. hohe Preise setzten die Limiten für vollständig einheimische Produkte. «Wir haben diese Erfahrung gemacht mit Quinoa oder Schälsonnenblumen», sagt Bardet und erinnert sich dabei an seine Zeit bei IP-Suisse.
Immerhin hat die Zwicky AG die Kompetenz, ihre Produkte auch mit Schweizer Zutaten herzustellen, sollte sich die Lage ändern. Das Alpstein-Müesli mit Appenzeller Dinkel und saisonaler Kräutermischung oder die Campiuns-Linie sind Beispiele.
Nach eigenen Angaben ist die GMSA als einzige Schweizer Mühle börsenkotiert. Das habe historische Gründe und einst die Kapitalbeschaffung vereinfacht.«Heute ist unsere Finanzlage solide, und die Menschen, die bei uns investieren, tun dies langfristig», sagt Direktor Alain Raymond.
Zur GMSA-Gruppe gehören heute folgende Unternehmen:
GMSA SA, Granges-près-Marnand VD , Hauptsitz
Zwicky AG, Müllheim-Wigoltingen TG, Schälmühle
Moulin du Valais SA, Riddes VS, Mühle für Walliser Roggenbrot AOP
Steiner Mühle AG, Zollbrück BE, Bio-Mühle
Bonvita AG, Stein am Rhein SH, Produktion von Paniermehl