Wie hat man bei Mutterkuh Schweiz das Corona-Jahr 2020 erlebt?
Urs Vogt: Nun – dank unserer Verkaufsdisposition von 90 Prozent Detailhandel und Direktvermarktung und 10 Prozent Gastronomie haben wir das Corona-Jahr recht gut gemeistert. Nichtsdestotrotz war der Einbruch in der Gastronomie auch für uns eine grosse Herausforderung. Innerhalb der Organisation stand und steht der Schutz an erster Stelle. Organisatorisch musste einiges auf den Kopf gestellt werden und Tagungen, Ausstellungen und Events wurden mit Alternativmassnahmen ersetzt. Für einiges Kopfzerbrechen sorgten die Erhebungen auf Zuchtbetrieben, die schliesslich abgesagt werden mussten. Aber wir haben es trotz allem geschafft, den Betrieb gut aufrechtzuerhalten. Zudem haben wir die Not zur Tugend gemacht und im Online-Bereich mit Online-Stierenmärkten und -Informationsanlässen so richtig Gas gegeben.

Wie präsentiert sich die Marktlage aktuell?
Die Marktlage und das Preisniveau sind erfreulich. Bei Natura-Beef und Natura-Beef Bio werden die Mengenschätzungen erreicht. Bei Natura-Veal konnte in den Monaten April bis Juni im Vergleich zum Vorjahr eine grössere Anzahl Tiere geliefert werden. Zusätzliche Betriebe für Natura-Veal und damit mehr Tiere sind nach wie vor stark gesucht. Die neuen Covid-19-Massnahmen wirken sich unmittelbar positiv auf den Absatz in der Gastronomie aus. Der Absatz hat angezogen und es können wieder deutlich mehr Tiere vermarktet werden. Limousin, Charolais, Aubrac, Salers und Hereford sind für Swiss-Prim-Beef und Angus und Simmental sind für Premium-Beef gesucht. Auch das Label Weiderind ist auf das doppelte Volumen angestiegen. Die Weiderinder für Transgourmet stammen aus Natura-Beef-Lieferungen. In der Arbeitsteilung mit Coop, Transgourmet, Traitafina und Bell sind wir gefordert und wollen unseren Bereich vollumfänglich erfüllen.

Welche Themen beschäftigen Mutterkuh Schweiz aktuell in der Agrarpolitik?
Mutterkuh Schweiz begrüsst die Stärkung der Produktionssysteme mit Weide, Nutzungsdauer und Proteinreduktion. Die natürlichen Ressourcen werden gefördert und es ergeben sich neue Impulse. Die Zeit ist reif, die Weidehaltung zu stärken. Die Weidehaltung fördert das Tierwohl, reduziert die Ammoniakemissionen und stützt die Biodiversität. In der Ausgestaltung der Produktionssysteme müssen aber einzelne Punkte korrigiert werden. Darunter fällt die aus unerklärlichen Gründen vorgesehene Differenzierung der Beiträge zwischen Milchkühen und den anderen Rindviehkategorien im Modul Rohproteinbegrenzung. Es wäre unverständlich, wenn Mutterkuh-Betriebe, die Simmentaler- oder OB-Kühe halten, nur die Hälfte der Direktzahlungen erhalten würden.

Ein grosses Thema ist die Wolfsproblematik. Was hören Sie dazu von Ihren Mitgliedern?
In den betroffenen Gebieten, insbesondere Graubünden, Tessin, Wallis und Waadt, ist die Anspannung gross. Die Mitglieder haben Angst, dass der Druck zunimmt und dass es auch dieses Jahr zu Rissen von Kälbern kommt. Die absolut grösste Unberechenbarkeit sind aber Rinderherden, die nach einem Wolfkontakt teilweise aggressiv gegen betreuende Personen und Wandernde reagieren. Für die Tierhaltenden und die Alpverantwortlichen ist die Vereinbarkeit von Weidewirtschaft, Tourismus und Landschafts-pflege unter diesen Bedingungen eine grosse Herausforderung.Für Mutterkuh Schweiz ist auch klar, dass es für alle Beteiligten darum geht, den Umgang mit dem Wolf zu regeln. Seitens des Bundes ist zwar viel Verständnis da, aber aufgrund des Volks-Neins zum neuen Jagdgesetz ist der Spielraum klein. Ein neuer Konsens und griffige Massnahmen sind bitter nötig.

Das Interview wurde schriftlich geführt.