Seit 2011 ist Ruedi Tschachtli Prorektor und Standortleiter am BBZN Schüpfheim. Vorher war der im Berner Seeland aufgewachsene Agronom Lehrer und Berater an der landwirtschaftlichen Schule Willisau und ab 1990 Projektleiter für naturnahe Landwirtschaft auf dem Burgrain in Alberswil. Wir sprachen mit ihm kurz vor der Pensionierung über seine beruflichen Meilensteine und seine Erfahrungen mit dem Bildungswesen.
Woran erinnern Sie sich rückwirkend besonders gerne?
Ruedi Tschachtli: Das Projekt im Burgrain ab den 90er-Jahren war in der Tat sehr prägend und zukunftsweisend. Es ging damals darum, seitens Bund zu klären, wie sich eine Extensivierung auf die Wirtschaftlichkeit auswirkt. Dazu wurden die drei Verfahren intensiv – heute würde man ÖLN sagen – sowie extensiv und Bio verglichen. Auf dem Gutsbetrieb Burgrain konnte ich damals Versuchsflächen im Futterbau und Ackerbau anlegen. Die 18 Jahre dauernde Zusammenarbeit mit der damaligen Forschungsanstalt Reckenholz und dem Kanton Luzern kam noch ohne jegliche Vereinbarung und finanzielle Entschädigung aus. Heute wäre wohl eine solche Zusammenarbeit ohne Formalitäten undenkbar
Was hat das Projekt im Burgrain konkret gebracht?
Die Ergebnisse flossen unter anderem in den Aufbau des Direktzahlungssystems in der Schweiz ein. Und es half sicher auch mit beim Aufschwung der Integrierten Produktion. Ich durfte dann ja auch 20 innovative IP-Gruppen aufbauen und begleiten, und auch den Verein der Luzerner IP-Bauern (LIP). Zusammen mit vielen interessierten Bauern haben wir damals schon viel ausprobiert für eine nachhaltige Landwirtschaft. Themen wie Bandspritzungen und herbizidfreier Getreidebau waren schon damals aktuell. Das Burgrain-Projekt hat auch gezeigt, was mit optimierter biologischer Bewirtschaftung an geeigneten Standorten wirtschaftlich drin liegt, auch im Ackerbau. Das Potenzial ist beträchtlich.
«Das wirtschaftliche Potenzial im Bio-Ackerbau ist beträchtlich.»
Ruedi Tschachtli über die Erfahrungen beim Burgrain-Projekt.
Nachhaltigkeit ist Ihnen offensichtlich wichtig …
In der landwirtschaftlichen Beratung lassen sich neue Ressourcen praktisch nur noch für Ökologie, Klima- und Nachhaltigkeitsthemen schaffen. Diese dürfen aber nicht unabhängig von der Produktion betrachtet werden. Das Nachhaltigkeitsdreieck Ökologisch, Ökonomisch und Sozial muss stets im Zentrum einer guten Beratung stehen.
Sie haben auch in weiteren Bereichen Akzente gesetzt …
Ich erinnere mich gerne an den Aufbau und die Unterstützung von Nischen wie Kräuterkursen, die Etablierung von zahlreichen Arbeitskreisen in der Beratung nach dem Motto «Hilfe zur Selbsthilfe», den Aufbau der IG Dinkel Schweiz und die Unterstützung bei der Wiederbelebung des Getreideanbaus im Entlebuch. Ich habe auch unzählige Flurbegehungen organisiert und die Zusammenarbeit mit allen Akteuren im Pflanzenbau war sehr wertvoll. Ich durfte auch viele Jahre die Fachgruppe Pflanzenbau in der höheren Berufsbildung leiten. Engagiert habe ich mich auch im Vorstand des Agronomenverbandes SVIAL, als Präsident der Lehrmittelkommission und als Verwaltungsrat bei der Qualinova AG.
Und dann waren Sie ja auch noch Lehrer und Berater. Da gab es wohl über die Jahre auch einige Veränderungen …
Ja, klar, und auch die Lernenden haben sich verändert. Sie sind nicht besser oder schlechter als früher, einfach anders. Einige Kompetenzen werden heute stärker betont.
So können die Jungen heute viel besser Inhalte selber erarbeiten und präsentieren. Sie sind allgemein kritischer und können ihre Anliegen gut vertreten. Andererseits können sich heute viele schlechter konzentrieren und Stoff lernen, dessen Nutzen sie momentan noch nicht sehen. Und das Ablenkungspotenzial durch die sozialen Medien ist enorm.
Was halten Sie vom Modell Lehrer und gleichzeitig Berater?
Das war für mich enorm bereichernd. Meine Erfahrungen aus Beratungen und Projekten konnte ich stark in den Unterricht einfliessen lassen. Umgekehrt kannten mich die unzähligen Lernenden auf allen Stufen persönlich und kontaktierten mich bei verschiedenen Fragen. Mit dem Trend zum Rollenwechsel der Lehrperson als Lehrcoach und zunehmend komplexen Fragestellungen in Beratung und bei Projekten dürfte aber dieses Modell Lehrer/Berater zukünftig unter Druck kommen. Das bedaure ich aufgrund der vielen Vorteile.
Sprechen wir noch kurz von den Erwartungen der Gesellschaft an die Landwirtschaft, die ja nicht nur Lebensmittel produzieren soll. Wie erleben Sie dieses Spannungsfeld?
Nach meiner Wahrnehmung wird die Ergänzung der Kernaufgabe der Landwirtschaft, nämlich die Produktion von Lebensmitteln durch weitere Aufgaben, in den letzten Jahren von der bäuerlichen Basis breit akzeptiert. Alles ist aber eine Frage des Masses. Persönlich finde ich, dass die Regelungsdichte heute in manchen Bereichen zu hoch ist. Innovative Betriebe haben oft Mühe, sich zu entwickeln. In unserem dicht besiedelten Land gibt es zwangsläufig Interessenskonflikte. Staat und Verwaltung sollten aber ihren Ermessensspielraum vermehrt zugunsten der Landwirtschaft nutzen.
Und welche Tipps geben Sie den Luzerner Bauern für die Zukunft?
Einfach zu produzieren, reicht heute nicht mehr. Unabhängig vom Betriebstyp und der Region werden die unternehmerischen Kompetenzen der Betriebsleiteden an Bedeutung gewinnen. Die Befindlichkeit und die Bedürfnisse der Bevölkerung darf man nicht ignorieren, schliesslich ist die Landwirtschaft auf den Produktabsatz und die Unterstützung angewiesen. Und noch ein Tipp: nur das machen, wozu man als Landwirt und Mensch stehen kann und was gefällt. Und Landwirte sollten sehr überlegt investieren und die Potenziale bei der Zusammenarbeit ausnützen.
Was machen Sie künftig?
Die Familie steht im Zentrum, auch meine elf Grosskinder von unsern vier Kindern. Vieles ist in den letzten Jahren zu kurz gekommen und soll wieder mehr Stellenwert erhalten. Dazu werde ich meine Passion für Natur, Ornithologie und Fischen am Sempachersee wieder vermehrt ausleben können.
Susanne Brand übernimmt
[IMG 2]
Susanne Brand (Jg. 1979) wuchs in Malters auf und besuchte die Kantonsschule in Reussbühl. Sie schloss an der ETH in Zürich zur Ingenieur-Agronomin mit Vertiefung Pflanzenwissenschaften ab und hat einen Master of Arts in Rechnungswesen und Finanzen der Hochschule St. Gallen. Sie arbeitete die vergangenen fünfeinhalb Jahre bei Deloitte AG als M&A Management Consultant. Davor war sie unter anderem mehrere Jahre für die Andermatt Gruppe in Grossdietwil tätig, zuerst als Projektmanagerin, dann als Geschäftsführerin. Susanne Brand trat ihre Stelle als neue Prorektorin am BBZN in Schüpfheim per 1. Mai 2025 an. Sie übernimmt damit die Nachfolge von Ruedi Tschachtli, der auf Ende des Schuljahres nach 14 Jahren als Prorektor des Standorts Schüpfheim im Sommer in Pension geht.
Sie habe den Start in Schüpfheim äusserst positiv erlebt, mit engagierten und kompetenten Lehrer- und Fachberaterteams, sagt Susanne Brand auf Anfrage. Weil sie aus der Privatwirtschaft und teils aus anderen Branchen komme, schätze sie die umfassende Einführung durch die beiden Prorektoren-Vorgänger sehr. Die duale Berufsbildung geniesse im Kanton einen hohen Stellenwert, und Landwirte EFZ seien ja gefragte Profis, geerdet und ausdauernd. Aus persönlicher Erfahrung seien für sie kontinuierliche Weiterentwicklung und berufliche Durchlässigkeit zentral. Sie habe bisher am BBZN eine sehr partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Dienststellen, landwirtschaftlichen Interessenvertretern, der Industrie und weiteren interessierten Kreisen erlebt.
Die ambitionierten Ziele des BBZN für die kommenden Jahre unterstütze sie voll und ganz – so eine solide Grundbildung mit Herz, schlanke und wirkungsorientierte Ausführung von Beratungs- und Dienstleistungsaufträgen und Nähe zum Markt. «Es begeistert mich, zusammen mit den Profis und Expertenteams am Puls des Marktes zu sein, Trends zu erkennen und Lernende und Kunden in ihrer Entscheidungsfindung zu unterstützen.»