Eigentlich wollte Familie Eggimann nur einen Namen ändern im Gebrauchsleihe-Vertrag mit den SBB. «Wir haben seit ewig Land von der SBB», sagt Heidi Eggimann, die mit ihrem Mann Andreas seit über 30 Jahren einen kleinen Pachtbetrieb in Vielbringen BE bewirtschaftet. «Wir haben es gepflegt und ich war sehr oft unterwegs, um Berufkraut auszureisen», sagt sie. Weil ab 2025 Sohn Beat den Betrieb weiterführen wird, informierten Eggimanns die SBB über die Pachtübergabe. Zurück kam statt eines angepassten Gebrauchsleihe-Vertrags ein Pflegevertrag – und dieser hat es in sich.
Mähen erlaubt, Mulchen verboten
[IMG 2]«Die Nutzung der Fläche ist nicht für eine landwirtschaftliche Nutzung bestimmt, sondern hat eine vorherrschende Pflegefunktion», heisst es darin. Detailliert wird aufgelistet, was auf der SBB-Fläche alles nicht erlaubt ist, angefangen vom Weidegang von Gross- und Kleinvieh über das Aufstellen von Werbetafeln bis hin zur Ausbringung von Dünger. Auch der Einsatz eines Mähaufbereiters ist untersagt.
«Man darf es mähen, aber nicht mulchen, keine Tiere darauf halten und das Gras nicht nutzen», fasst Heidi Eggimann zusammen. Festgehalten wird in dem Vertrag auch, was der Landwirtschaftsbetrieb zu leisten hat: «Die Vertragsfläche wird gemäss den ökologischen Kriterien zur extensiven Bewirtschaftung unterhalten», fordern die SBB. Und: «Allfällige Neophyten müssen bekämpft werden.»
Genaue Vorschriften für die Bewirtschaftung
Die Landabschnitte müssten «sorgfältig und ihrer Bestimmung gemäss gepflegt werden», fordern die SBB. Vorhandene Sträucher und Hecken müssen «sachgemäss gepflegt» werden. Geht etwas schief, haftet der Landwirt: «Er ist für jede Beschädigung derselben durch ihn oder durch seine Mitarbeiter verantwortlich», so der Vertrag.
Nach dem Willen der SBB müssen die Wiesen aber mindestens ein mal im Jahr gemäht werden – auch dann, wenn das Gras nicht für Futterzwecke verwertbar ist. Auch hier wird genaustens vorgeschrieben, wie der Landwirt zu arbeiten hat. Der Schnittzeitpunkt darf nicht vor Mitte Juni liegen, die Schnitthöhe muss mindestens acht Zentimeter betragen, dass Schnittgut muss zwei bis drei Tage lang liegen bleiben. «Der SBB ist freigestellt, wie sie die Bewirtschaftung regelt», sagt SBB-Mediensprecherin Sabrina Schellenberg dazu auf Anfrage.
«Wir finden das Verhalten der SBB anmassend»
Damit nicht genug: Der Vertrag verbietet dem Landwirtschaftsbetrieb, Qualitätsbeiträge Q1, Q2 oder Vernetzung für die genutzten Flächen anzumelden. Auch als 7 %-BFF-Fläche darf das Land nicht angerechnet werden. Bisher hatte der Betrieb für die Pflege der Fläche Direktzahlungen erhalten. Selbst richten die SBB keine Entschädigung aus. «Wir dürften dazu schauen, aber keine Nutzen ziehen», sagt Eggimann. «Wir finden das Verhalten der SBB anmassend.»
Der Vertrag, der Familie Eggimann vorliegt, ist kein Einzelfall. «Die SBB hat entschieden, die neuen und auch älteren bestehenden Verträge den neuen Ausgangslagen anzupassen», sagt Schellenberg dazu auf Anfrage. Grund für diese ist der Aktionsplan Biodiversiät, den die SBB im Auftrag des Bundes umsetzen muss. Der Plan sieht vor, dass 20 Prozent der gehölzfreien Flächen ökologisch aufwertend gepflegt werden müssen. Um dieses Ziel zu erreichen, will die SBB nun just jene Flächen anrechnen, die sie bis anhin per Vertrag der Landwirtschaft zur Nutzung überlassen hatte.
In Absprache mit dem Bundesamt für Umwelt
Die Krux dabei: Eine Doppelfinanzierung durch den Bund ist zu vermeiden. «Die SBB erhält ein Budget vom Bund und somit darf der Landwirt nicht noch einmal seine Leistungen über Direktzahlungen vom Bund in Abrechnung bringen.«Als Grundeigentümer stellt die SBB diese Flächen kostenlos zur Nutzung zur Verfügung», erklärt Schellenberg.
Die neue Regelung sei in Absprache mit dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) getroffen worden. «Es ist nicht das Ziel, dass die Landwirtschaft ihre ökologischen Auflagen auf den Flächen der SBB ausweist», sagt Schellenberg. «Das primäre Ziel ist, dass SBB und Landwirtschaft einen höheren Anteil an Biodiversität erbringen.»
Familie verzichtet in Zukunft auf das Land
Auf die Frage, wie viel es die SBB kosten würde, wenn sie die Pflegeleistungen in Eigenregie erbringen müsste, gibt Schellenberg keine Antwort. Sie gibt aber zu bedenken, dass die SBB von den Landwirten keinen Pachtzins verlange. «Als Grundeigentümer stellt die SBB diese Flächen kostenlos zur Nutzung zur Verfügung», sagt Schellenberg. «Der Ertrag der Fläche erbringt auch einen potenziellen Nutzen für den Bewirtschafter.»
Ob dieser den Aufwand noch rechtfertigt, ist zumindest beim Betrieb der Familie Eggimann fraglich. «Wir haben immer gut zu dem Land geschaut, das war uns wichtig», sagt Hedi Eggimann. «Unter diesen Umständen werden wir auf das Land verzichten.» Ob es die SBB billiger komme, selbst Leute zum Räumen zu schicken, sei eine andere Frage.