Ende April 2023 findet die Eröffnungsfeier der Wanger’s Landmetzg statt. In dem Betrieb im zürcherischen Forch sollen einzig Tiere verarbeitet werden, die bereits auf dem Hof oder auf der Weide getötet wurden. «Nicht ein lang gehegter Wunsch hat uns zu dieser Gründung bewogen, sondern schlicht ein Zwang», lautet die Antwort von Biolandwirt Nils Müller auf die Frage nach der Motivation. Dies hängt damit zusammen, dass das lokale Schlachtlokal, auf das Müller angewiesen ist, keine Zukunft mehr hatte.
Dem Tier Leid ersparen
[IMG 3]Zusammen mit seiner Partnerin Claudia Wanger bewirtschaftet Nils Müller seit zwölf Jahren den Biobetrieb «Zur Chalte Hose» in Küsnacht. Sie sind Pioniere der Weideschlachtung, seit rund zehn Jahren haben sie eine entsprechende Bewilligung, die erste schweizweit. Den Tieren, so sind die beiden überzeugt, wird viel Stress erspart, wenn sie auf der Weide oder auf dem Hof getötet werden. «Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Trennung von der Herde das Adrenalin in die Höhe schiessen lässt», so Müller. Dem wird mit dem Schlachten in der gewohnten Umgebung vorgebeugt.
Für die Verantwortlichen jedoch sorgt die gesetzliche Regelung für Stress. Diese besagt, dass ab Zeitpunkt der Tötung bis zum Ausweiden in der Metzgerei nicht mehr als 45 Minuten verstreichen dürfen (siehe Kasten). In Müllers Fall stellt dies kein Problem dar, die rund zwei Kilometer zur Landmetzg in Forch sind in wenigen Minuten zu schaffen.
Der Schlachtbetrieb ist häufig zu weit weg
Doch der Biolandwirt weist darauf hin, dass in den letzten Jahren unzählige kleine Schlachtlokale von der Bildfläche verschwunden sind. 2007 gab es im Kanton Zürich noch 72 Schlachtbetriebe, 2021 waren es nur noch 30. «Das bedeutet, dass es für viele Landwirt(innen), die grundsätzlich an der Hof- und Weidetötung interessiert sind, immer schwieriger wird, diese praktisch umzusetzen», stellt Nils Müller fest. Weil der nächste Schlachtbetrieb zu weit weg liegt.
Auch in Forch war es ungewiss, wie es mit der traditionellen Landmetzg weitergehen würde. Bisheriger Betreiber war der «Verein Schlachtanlage Küsnachterberg». Dieser setzte sich aus Landwirten, Tierhaltern und Jägern zusammen und litt zunehmend an rückläufigen Schlachtzahlen.
Massangefertigte Anlage aus Chromstahl
So meldeten Nils Müller und Claudia Wanger vor drei Jahren ihr Interesse an, die Immobilie zu übernehmen, um auf eigene Faust weiterzumachen. Dabei kam ihnen entgegen, dass sich beide bereits seit Jahren mit der Weidetötung auseinandergesetzt und viel Wissen übers Schlachten gesammelt haben.[IMG 2]
Müller erwarb zudem den entsprechenden Sachkundeausweis und ist überdies im Besitz des Jagdpatents. Mit der Übernahme wagt das Paar eine Neuausrichtung. Anders als bisher, wird fortan ausschliesslich auf die Hof- oder Weideschlachtung gesetzt. Dies erforderte Anpassungen: Während die Tiere bei einem konventionellen Schlachtbetrieb die Anlage lebendig betreten, braucht es für tote Tiere eine technische Einrichtung, um sie hineinzuhieven. «Um nicht mehr von Hand kurbeln zu müssen, haben wir den Seilzug durch eine hydraulische Vorrichtung ersetzt», sagt Müller.
Auch die Einrichtung liessen sie komplett modernisieren. Eine massangefertigte Hightechanlage aus Chromstahl erlaubt es fortan, effizient und hygienisch zu arbeiten. Zudem fanden sie einen erfahrenen Metzger aus der Region, dem ihr Konzept zusagt und der das alte Handwerk noch ganzheitlich kennt.
Komplizierte Bewilligung abgenommen
Der Schlachtbetrieb ist vorerst für ein bis zwei Tage pro Woche geplant. Das Angebot richtet sich an Landwirtschaftsbetriebe aus einem Radius von 30 Minuten Fahrt, welche an der Hof- und Weidetötung interessiert sind. «Mehrheitlich wird es sich um Hofschlachtungen handeln, da die Bestimmungen für die Weidetötung weitaus strenger sind», so Nils Müller. Unter anderem deshalb, weil das Töten auf der Weide nicht mit einem Bolzenschuss erfolgt, sondern mit einem Kugelschuss.
So oder so: Das Einholen der Bewilligungen für beide Arten ist derart kompliziert, dass sich zahlreiche Tierhalter davon abschrecken lassen. Aus diesem Grund bietet Müller einen Vollservice an. Dieser reicht vom Ausfüllen der notwendigen Formulare bis hin zum Schlachten.
Eigenes Label lanciert
Für Betriebe, die gerne Fleisch von den eigenen Tieren im Hofladen vermarkten wollen, führt die Wanger’s Landmetzg Lohnschlachtungen durch, für die eine Pauschale verlangt wird. Zudem lancieren Wanger und Müller eine eigene Linie, wofür sie Bio-Schlachttiere verschiedenster Rinderrassen suchen. Das Fleisch veredeln die beiden eigenhändig zu Bresaola, Salami sowie Dry-aged-Produkten (am Knochen gereifte Edelstücke). Diese wollen sie an Bioläden und an die Gastronomie verkaufen.
Die Landwirt(innen) erhalten einen Alles-inklusive-Preis nach Schlachtgewicht, wobei die Taxierung keine Rolle spielen soll. «Wir planen, 50 Rappen mehr zu bezahlen als den Marktpreis», hält Nils Müller fest. Derzeit ist er mit einigen potenziellen Partnerbetrieben im Gespräch, in einigen Fällen sind bereits Bewilligungsverfahren für die Hoftötung im Gang. Vom eigenen Landwirtschaftsbetrieb werden Claudia Wanger und Nils Müller wie bis anhin ein bis zwei Tiere pro Monat schlachten. Sie halten Angusrinder sowie Turopolje-Schweine, deren Fleisch sie im Hofladen verkaufen.
Verlängerte Zeitspanne
Eine Vernehmlassung über die Hygiene beim Schlachten (Art. 10, Abs. 3c) des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) beinhaltet eine Verlängerung der Zeitspanne zwischen der Tötung des Tieres und dem Ausweiden des Schlachtkörpers. Diese soll in Zukunft nicht mehr nur 45, sondern 90 Minuten betragen. Dadurch würde die Praxis der Hof- und Weidetötung für zahlreiche Landwirtschaftsbetriebe vereinfacht. Die Vernehmlassung läuft noch bis Ende 2023.