Chefexperte bei Braunvieh Schweiz zu sein, bedeutet nicht nur, viel Verantwortung zu tragen, sondern ist auch ein prestigeträchtiges Amt inne zu haben. Wieso wechseln Sie nun zur Vianco?
Stefan Hodel: In den vergangenen elf Jahren erfüllte mich meine Aufgabe als Chefexperte von Braunvieh Schweiz mit Stolz. Die Arbeit war spannend und macht mir auch heute noch viel Freude. Ich erkannte aber, dass ich mit 43 Jahren noch einmal eine neue Herausforderung in Angriff nehmen will. Bei meiner neuen Aufgabe möchte ich mich auch persönlich weiterentwickeln. Zudem werde ich auch bei meiner neuen Stelle die Möglichkeit haben, mich für gut funktionierende Kühe in den Ställen einzusetzen. Wirtschaftliche Kühe und zufriedene Kunden werden also auch in Zukunft im Mittelpunkt meiner Arbeit stehen.
Die Lineare Beschreibung und Einstufung (LBE) der eigenen Tiere ist auf vielen Zuchtbetrieben ein Höhepunkt im Züchterjahr, entsprechend hoch können die Emotionen gehen. Wie erlebten Sie die Zusammenarbeit mit den Viehzüchterfamilien?
Ich erlebte die Zusammenarbeit mit den Züchtern grossmehrheitlich als respektvoll, auch wenn es vereinzelt naturgemäss zu sehr engagierten Diskussionen kam. Insbesondere bei der Oberkontrolle, wo ich die LBE der höchstpunktierten Tiere bestätigte, erlebte ich eine grosse Wertschätzung. Die Züchter schätzten den persönlichen Austausch auf ihren Betrieben. Aber nicht nur die Kontakte mit den Bauernfamilien waren spannend, auch das Kennenlernen der Regionen und Eigenheiten der Schweiz erfüllte mich mit viel Freude.
Sie verantworteten in den vergangenen Jahren auch die Organisation des bekannten Zuger Stierenmarktes, welcher heuer bedeutende Änderung erfährt. Wie sehen Sie die Zukunft dieses Traditionsanlasses?
Das neue Konzept des Zuger Stierenmarktes, insbesondere das Vorführen der Stiere durch die Tierbesitzer, führte wie erwartet zu kontroversen Diskussionen. Erfreulicherweise bewegen sich die Tieranmeldungen bei den Stieren heuer auf dem Vorjahresniveau. Bei den Rindern, insbesondere beim Original Braunvieh, gab es sogar sehr hohe Anmeldezahlen. Leider ist es uns aber bei den Munis noch nicht gelungen, die Vor-Covid-Auffuhrzahlen wieder zu erreichen. Mit rund 10 000 Besuchern ist der Stierenmarkt nicht nur für die Braunviehzucht und die Landwirtschaft ein bedeutendes Schaufenster, sondern auch für die Stadt Zug ein wichtiger Anlass. Im Mittelpunkt des Events müssen auch zukünftig ganz klar die Stiere und der Handel mit diesen stehen. Ansonsten verkommt der Stierenmarkt zu einem Oktoberfest.
Als Richter waren Sie im In- und Ausland an unzähligen Schauen unterwegs. Wird man Sie auch in Zukunft noch im Ausstellungsring antreffen?
Ich werde auch zukünftig Anfragen für Richteraufträge annehmen, aber natürlich in einem bedeutend reduzierten Rahmen als heute. Ich freue mich aber auch darauf, ohne Verpflichtungen einfach einmal eine Viehausstellung zu besuchen und die spezielle Atmosphäre dieser Volksfeste zu geniessen.
Ihnen stand in den vergangenen elf Jahren die Aufgabe zu, die Beurteilungen der höchstpunktierten Tiere zu bestätigen. Welche Kühe bleiben Ihnen in Erinnerung?
Wichtiger als einzelne Kühe hervorzuheben, ist für mich die Entwicklung der gesamten Rasse. Dennoch sind mir zwei Kühe speziell in Erinnerung geblieben: Einerseits ist das die Original-Braunvieh-Kuh Orlando Odessa. Nach ihrem Erfolg an der Bruna OB 2022 durfte ich ihre Exzellent-96-Einstufung bestätigen. Odessa verkörpert für mich die heutige moderne OB-Kuh mit Milch und Fleisch fast in Perfektion. Anderseits war das Braunviehkuh Jongleur Elisa, die Miss Bruna 2017. Wie sie sich im Jahr 2018 im Alter von acht Jahren bei der LBE im Alltagsgewand präsentierte, bleibt mir unvergesslich. Elisa erreichte mit EX 97 die bisher höchst LBE aller Braunviehtiere in der Schweiz.