Die strukturellen Veränderungen in der Geschäftsleitung von Swissgenetics haben aufhorchen lassen. Besonders unter Züchtern wurde vereinzelt über die Hintergründe diskutiert. Die BauernZeitung sprach mit Präsident Ueli Bach und Direktor Matthias Schelling über die Auswirkungen dieser Anpassungen, die aktuellen Herausforderungen der Tierzucht sowie über Verantwortung, Vielfalt und den Dialog mit der Branche.

Für Kunden ändert nichts

Auf die Frage, was Landwirte und Züchter über die jüngsten Änderungen wissen sollten, betont Matthias Schelling, dass es sich im Wesentlichen um eine interne Reorganisation handle. «Man muss das so sehen: Solche Veränderungsprozesse werden immer genau beobachtet. Manchmal wird dann davon ausgegangen, dass sich viel mehr verändert, als sich in Tat und Wahrheit tut. Für unsere Kunden ändert sich gar nichts.»

Weder das Angebot noch Preise oder Serviceleistungen seien davon betroffen. «Die Anpassungen betreffen in erster Linie die personelle Ausgestaltung der Geschäftsleitung. Die war zuvor etwas zu gross angelegt und wurde nun verschlankt.»

«Beim Braunvieh arbeiten wir konstant an der Weiterentwicklung – fast als einzige Organisation.»

Ueli Bach über die Arbeiten und die Verantwortung in Sachen Rassenerhalt.

Druck nimmt zu

Dass diese Entscheidung nicht isoliert betrachtet werden kann, macht Matthias Schelling indes deutlich. Die Rahmenbedingungen in der Branche hätten sich in den vergangenen Jahren spürbar verändert. Die Anzahl Kühe in der Schweiz nehme kontinuierlich ab – ein Trend, der sich kaum aufhalten lasse. Gleichzeitig wachse der internationale Druck. «Weltweit wird züchterisch enorm viel gemacht. Es ist eine Herausforderung, Schritt zu halten, und wird es auch künftig bleiben.»[IMG 3]

Daraus leite sich eine Notwendigkeit zur Agilität ab: «In so einem dynamischen Umfeld muss ein Unternehmen flexibel bleiben. Wir müssen als Organisation fit sein – dem haben wir mit der strukturellen Änderung Rechnung getragen. Ich wiederhole: Für den Bauern bleibt alles beim Alten.»

Genetik selbst entwickeln

Seit rund anderthalb Jahren steht Matthias Schelling an der Spitze von Swissgenetics. Als prägend empfindet er insbesondere die gestiegenen Anforderungen an die Zucht und die Verfügbarkeit geeigneten genetischen Materials.

Immer mehr Betriebe setzen auf ihre besten Tiere gesexte Samendosen ein und lassen die übrigen Tiere mit Fleischrassen besamen. «Sie wollen aus einer guten Kuh möglichst wieder ein gutes Kuhkalb hervorbringen. Das führt aber dazu, dass uns immer weniger Stierkälber für die Selektion zur Verfügung stehen.»

Die logische Konsequenz daraus: Die passende Genetik muss von Swissgenetics gezielt selbst entwickelt werden – was mit hohem Aufwand verbunden ist. «Das ist teuer, aufwendig und kann nicht bei jeder Rasse gleich angegangen werden.»

Schelling nennt ein konkretes Beispiel: «Holstein-Embryonen aus den USA sind in der Schweiz für manchen Züchter interessant und müssen somit nicht unbedingt auf Tiere von Swissgenetics eingesetzt werden. Beim Braunvieh sieht die Lage anders aus. Spitzenzüchter geben ihre Embryonen nicht einfach irgendwohin, was absolut nachvollziehbar ist. Das bedeutet für uns: Wir müssen diesen Teil der Arbeit mit eigenem Personal und eigenen Ressourcen selbst abdecken – und zwar in ausreichender Menge.»

Auch Ueli Bach bestätigt diese Entwicklung: «Das ist in der Tat anspruchsvoller geworden. Noch vor einigen Jahren war das kein derart dominantes Thema. Jetzt beobachten wir eine deutliche Verschärfung der Situation.»

Stammbäume im Blick

Hinzu komme, so Schelling, dass sich das Generationenintervall in der Zucht weiter verkürzt habe. Das erschwere die Selektion zusätzlich: «Man weiss von potenziellen Stierenmüttern zum entscheidenden Zeitpunkt noch nicht genug.

Deshalb wird es immer wichtiger, Familien und Stammbäume detailliert zu analysieren. Unsere Sire-Analysten leisten hier eine essenzielle Arbeit, deren Bedeutung in den letzten Jahren noch gewachsen ist.»

Notwendige Breite

Angesprochen auf die unterschiedlichen Entwicklungen in den Rassen – etwa ein weltweit sehr grosses Angebot bei Holstein, zunehmenden Druck bei Red Holstein oder Kritik an der Milchleistung bei Swiss Fleckvieh –, verweist Schelling auf die notwendige Breite im Angebot. «Leistung ist bei allen Rassen unabdingbar. Doch jeder Betrieb hat individuelle Anforderungen. Deshalb braucht es ein breites Portfolio. Nur so können wir sicherstellen, dass möglichst viele Betriebe genau die Genetik finden, die zu ihrem System passt.»[IMG 2]

Swissgenetics nehme hier eine Schlüsselrolle ein. «Gerade bei den Schweizer Rassen wäre der Erhalt der Vielfalt ohne ein breit abgestütztes Angebot schlicht nicht möglich», so Schelling.

Bach ergänzt, dass dieses Portfolio nicht nur breit, sondern auch flexibel sei. «Wir haben das Problem mit der zunehmend grösser werdenden Holsteinkuh erkannt. Deshalb suchen wir auch gezielt nach Stieren, deren Nachkommen mittelgross sind.»

Für Matthias Schelling ist klar: «Wir tragen eine Verantwortung gegenüber den einheimischen Rassen.» Persönlich sei er mit Braunen aufgewachsen – diese Rasse liege ihm besonders am Herzen. «Die Schweiz ist die Wiege der Braunen Kuh. Wir müssen dieses Erbe pflegen und stärken. Wer, wenn nicht wir?»

Ueli Bach unterstreicht diesen Anspruch: «Wir sind uns der Verantwortung bewusst und nehmen sie ernst. Beim Braunvieh arbeiten wir konstant an der Weiterentwicklung – fast als einzige Organisation. Holstein-Genetik ist weltweit verfügbar. Beim Braunvieh ist unsere Arbeit von zentraler Bedeutung.»

«Letztlich entscheidet der Markt – was nicht gefragt ist, verschwindet schnell wieder.»

Matthias Schelling über Nischen und die Diversifizierung des Angebots.

Meldungen aus der Praxis

Ein bedeutender Aspekt in der Ausrichtung von Swissgenetics ist die Rückmeldung aus der Praxis. Ueli Bach beschreibt den Weg der Bedürfnisse aus der Branche ins Unternehmen: «Ein wichtiges Gremium sind die rassenspezifischen Fachausschüsse Genetik – durchmischt besetzte Gremien mit viel Fachwissen, in denen ein reger Austausch stattfindet.»

Ein weiterer, sehr direkter Rückkopplungspfad sei der Kontakt über die Besamungstechniker. «Sie stehen täglich mit den Betrieben in Kontakt und bringen wertvolle Rückmeldungen ein.» Die Anliegen seien oft sehr spezifisch – dennoch erkenne man über die Zeit grössere Muster.

Schelling betont, wie unterschiedlich die Bedürfnisse in den verschiedenen Regionen ausfallen: «Die Anforderungen in der Ostschweiz können sich deutlich von denen in der Westschweiz unterscheiden. Es gibt nicht die eine Mentalität von Züchtern – sie sind so verschieden wie ihre Betriebe.»

Braucht breites Angebot

Gefragt nach den Hauptkunden von Swissgenetics, macht Schelling deutlich, dass eine einfache Einteilung in «Züchter» und «Abmelkbetriebe» der Realität nicht gerecht wird. «Man muss im Grunde überall alles anbieten können. Am Ende sind es zwar relativ wenige Stiere, die die Masse der Besamungen abdecken – sowohl bei Milchvieh als auch bei Fleischrassen –, aber das breite Sortiment bleibt unverzichtbar für die Kundenzufriedenheit.»

Ueli Bach verweist auf eine zunehmende Auseinandersetzung auch bei Milchproduzenten mit der eingesetzten Genetik. «Wir sehen, dass Tierhalter bei der Besamung oft gar nicht mehr vor Ort sind, sondern vorgängig genau definieren, was sie möchten. Das setzt eine klare Beschäftigung mit dem Thema voraus.»

Diversifizierungen, wie sie durch Rotationskreuzungen mit Rassen wie dem Norwegischen Rotvieh entstehen, bewertet Schelling pragmatisch: «Rein mengenmässig sind das Nischen. Aber wir haben versucht, entsprechende Wünsche aufzunehmen. Letztlich entscheidet aber der Markt – was nicht gefragt ist, verschwindet schnell wieder.»

Emotion darf nicht fehlen

Dass die Viehzucht nicht nur technisch, sondern auch stark emotional geprägt ist, stellt niemand in Abrede. Bach bringt es auf den Punkt: «Viehzucht ist emotional. Und das ist auch richtig so.» Schwieriger werde es, wenn Emotionen mit Dingen vermischt würden, die dort nicht hingehörten. Für ihn ist klar: «Diese Emotionen rund um die Viehzucht sind wichtig – denn sie sind der Motor für alles drumherum.»