Vor acht Jahren wurde die Vereinigung zum Schutz von Jagd und Nutztieren vor Grossraubtieren in der Zentralschweiz (VSvGZ) gegründet. Seither hat Ruedi Fässler den Verein mit Franz Püntener im Co-Präsidium geführt. An der Generalversammlung (Kasten) trat er zurück.

Wie entwickelte sich die Grossraubtierproblematik während Ihrer Präsidialzeit?

Ruedi Fässler: Wir warnten schon von Anfang an vor den Problemen infolge einer Grossraubtierpräsenz. Heute sind diese Probleme Realität und fordern uns Tierhalter tagtäglich. Vor zehn Jahren hiess es von Wolfsbefürwortern noch, es sei wie ein Sechser im Lotto, einen Wolf überhaupt jemals zu sehen. Heute läuft dieser aber durch die Dörfer und reisst Tiere in unmittelbarer Siedlungsnähe. Jahrelang mussten wir hilflos zuschauen, wie sich die Wolfspopulation vergrössert. Menschen, die bisher vom Wolf nicht betroffen waren, interessieren sich gar nicht für diese Probleme. Darum wurde die Revision des Jagdgesetzes im Jahr 2020 auch abgelehnt. Mittlerweile hat sich der Wolf und damit die Gefahr für Nutztierrisse aber schweizweit ausgebreitet, entsprechend mehr Aufmerksamkeit bekommen unsere Forderungen. [IMG 2]

Im Herbst ging es dann plötzlich schnell und Wölfe konnten neu präventiv reguliert werden. Überraschte Sie das?

In der Zusammenarbeit mit dem Bafu kamen wir in der Vergangenheit kaum vorwärts, die Abläufe waren träge und bürokratisch. Mit dem neuen Bundesrat Albert Rösti drehte der Wind auch für mich überraschend schnell. Die Regulation ist für uns Tierhalter ein Lichtblick und zeigt, dass es ein Problem gibt. Die Wolfsproblematik kann nur auf politischem Weg gelöst werden.

Ist die VSvGZ nun zufrieden oder stehen weitere Forderungen im Raum?

Trotz der erfolgten präventiven Abschüsse hat die Zahl der Wölfe in der Schweiz auch im vergangenen Jahr wieder zugenommen. Ohne einen weiteren Ausbau der Abschüsse wird die Zahl der Wölfe weiter ansteigen. So weit darf es nicht kommen. Im Gegenteil, die Anzahl Wölfe muss reduziert werden. Der Bund muss eine Maximalzahl an Rudeln festlegen. Zudem sollten grosszügig Vorranggebiete für Weidetiere ausgeschieden werden. In diesen Regionen müssen auffällige Wölfe von der Wildhut sofort entnommen werden können. Ansonsten wird die Alpwirtschaft, übrigens ein Unesco-Kulturerbe, langsam verschwinden.

Weshalb ist denn eine Koexistenz zwischen Tierhaltern und dem Wolf nicht möglich?

Eine friedliche Koexistenz ist nicht möglich, denn die Wolfspräsenz erschwert das Leben der Berglandwirtschaft grundsätzlich. Risse sind dabei nur die Spitze des Eisberges. Wenn auf Alpen plötzlich Tiere fehlen oder ganze Rinderherden verhaltensauffällig werden, deutet das auf ein Grossraubtier hin. Diese Ungewissheit ist für das Alppersonal auch ohne Risse psychisch sehr belastend. Jeden Morgen bei der Kontrolle ein ungutes Gefühl zu haben, das macht niemand lange mit. Gute Älpler in Gebieten mit einer Wolfspräsenz zu finden, ist heute extrem schwierig.

Wie stehen Sie zum Herdenschutz? Kritische Stimmen aus Ihrer Vereinigung lehnen diese ja grundsätzlich ab und plädieren zur Selbstjustiz?

Der Wolf wird auch bei einer stärkeren Regulation in der Schweiz bleiben, entsprechend wichtig ist der Herdenschutz. Der Herdenschutz funktioniert aber nur so lange der Hunger des Wolfes noch klein genug ist, diesen zu umgehen. Ob Herdenschutzhunde oder Zäune, wenn der Druck durch den Wolf hoch genug ist, verlieren beide Massnahmen ihre Wirkung. Doch auch wenn der Herdenschutz an seine Grenzen kommt, ist dieser als Grundschutz unabdingbar. Dazu kommt, der Abschuss eines Wolfes ist nicht so einfach, wie man meint. Die Jagd nach schadenstiftenden Wölfen ist zeitintensiv, wir Tierhalter haben nicht die Zeit, uns um die Regulation des Wolfes zu kümmern. Das müssen Profis von der Wildhut und der Jagd erledigen. Dass diese das können, haben die Abschüsse in den Kantonen Wallis und Graubünden gezeigt.

Sie selber sind im Kanton Schwyz in mehreren Kommissionen tätig. Wie erleben Sie die Arbeit in diesen Gremien?

Ich erlebe die Arbeit mit den Behörden grundsätzlich als positiv. Meine Erfahrung zeigt, dass es sehr wichtig ist, dass wir Bauern uns aktiv in der Politik engagieren. Nur so kommen wir überhaupt zu Informationen und können bei Missständen früh genug Einfluss nehmen. Wir müssen unseren Standpunkt einbringen, also die Anliegen der Landwirtschaft und der Bergbevölkerung. Gerade bei der Wildhut führte die Aufklärungsarbeit in den letzten Jahren für mehr Verständnis für die Anliegen der Tierhalter und der Bergbevölkerung.

Felix Jauch ist neuer Präsident der VSvGZ
Rund 430 Mitglieder zählt die Vereinigung zum Schutz von Jagd und Nutztieren vor Grossraubtieren in der Zentralschweiz (VSvGZ). Gut 50 davon nahmen an der 7. Generalversammlung in Rothenthurm teil. Mit dem Urner Felix Jauch wurde ein neuer Präsident gewählt. Felix Jauch ist Landwirt, bewirtschaftet eine Alp und ist auch im Vorstand des nationalen Verbandes (VSLvGRT) tätig. Er ersetzt Ruedi Fässler und Franz Püntener, die den Verein bisher im Co-Präsidium geführt haben. Beide verbleiben vorläufig noch im Vorstand. Für das zurückgetretene Vorstandsmitglied Erwin Dahinden kam neu Milchschafbauer Lukas Hofstetter, Entlebuch, in den Vorstand. Ebenfalls neu im Vorstand mitarbeiten wird Claudia Brunner, welche im vergangenen Jahr in Uri für den Nationalrat kandidierte. Sie übernimmt das Amt der Kassiererin. reb [IMG 3]