Dass der Schweizer Bauernverband heute ein formidabler politischer Player ist, hat die Landwirtschaft nicht zuletzt ihm zu verdanken: Urs Schneider, Jahrgang 1958, wirkte von 2000 bis 2023 als Kampagnenführer des Verbandes.
Siege wie jener gegen die schwer zu gewinnende Trinkwasser-Initiative 2021 gingen nicht zuletzt auf sein Konto. Mit der Erfahrung von 1300 Diensttagen im Militär setzte er auf Taktik, straffe Führung und disziplinierte Organisation. Mit seiner Begeisterungsfähigkeit verstand er es, die Leute zu mobilisieren. Seit bald zwei Jahren ist Schneider nun im Ruhestand – offiziell. Denn Urs Schneider wäre nicht Urs Schneider, hätte er nicht längst neue Aufgaben übernommen. Im April wählte ihn der Verein Schweizer Regionalprodukte (VSR) Regio-Garantie zum neuen Präsidenten – und das einstimmig.
Der nächste grosse Trend
Was sich nach einem beschaulichen «Stöckli» für Verbandsgrössen im Ruhestand anhört, ist tatsächlich ein Kampf an vorderster Front: Schneider und seine Gefährten wollen verhindern, dass die Kundschaft immer mehr auf billigere Importe ausweicht. «Die Konsumentin, den Konsumenten oder den Gast muss beim Verlassen des Ladens oder des Restaurants ein schlechtes Gewissen befallen, falls er oder sie kein regionales Produkt gekauft oder konsumiert hat», sagt er. «Noch besser ist natürlich, wenn sie ein Glücksgefühl befällt, weil sie zu Regionalprodukten gegriffen haben.» Urs Schneider ist überzeugt, damit den nächsten grossen Trend vorwegzunehmen.
Diverse Untersuchungen zeigten, dass «regional» heute ein ganz wichtiges Kriterium für den Kaufentscheid sei. «Regio ist das neue Bio», wie es bisweilen heisst, gefalle ihm aber nicht. Viel mehr glaubt er, dass sich die beiden Attribute eines Produkts ergänzen. Eine regionale Identität stelle auch für ein Schweizer Bioprodukt ein zusätzliches Verkaufsargument dar, ist er überzeugt.
Umsatz von zwei Milliarden Franken
In seinem neuen Amt kann Urs Schneider auf Erfahrungen aus seiner Tätigkeit als langjähriger Präsident von Agro-Marketing Suisse zurückgreifen. Dort sei es gelungen, die gestützte Bekanntheit der Dachmarke «Suisse Garantie» auf 85 Prozent zu heben. «Da galt es, die unterschiedlichen Bedürfnisse aller Branchen unter einen Hut zu bringen», blickt Schneider zurück.
Nun sei die Herausforderung, den unterschiedlichen Ausgangslagen und Bedürfnissen von vier grossen Regionalmarken und 30 Untermarken gerecht zu werden. Es gehe vor allem darum, regionale Produkte und Regio-Garantie bekannt zu machen. Die Ausgangslage sei gut. «Die einzelnen Regionen haben eine grosse Bekanntheit und diverse Regionalmarken wie ‹Aus der Region. Für die Region.› oder ‹Miini Region› sind sehr gut etabliert.»
«Wenn ich in Davos Käse kaufe, liegt es auf der Hand, dass ich einen Davoser Bergkäse probiere», veranschaulicht Urs Schneider. Dieser Effekt spiele nicht nur im lokalen Spezialitätengeschäft in den Ferien, sondern auch im Volg im Dorf oder in der Manor in der Grossstadt und natürlich bei den Detailhändlern. Tatsächlich betrage der Absatz von zertifizierten Regionalprodukten heute schon zwei Milliarden Franken. Wichtig sei dabei, das Marketing flexibel zu gestalten. «Ein kleiner Betrieb hat vielleicht nur ein sehr lokales Einzugsgebiet, eine Bergkäserei mit einem gewissen Produktionsvolumen dagegen ist auf einen Partner wie Lidl angewiesen, um ihre Produkte absetzen zu können.»
Es geht um die Preise
Urs Schneider wählt das Beispiel Lidl nicht zufällig. Denn die beiden «neuen» Grossverteiler Lidl und Aldi spielen eine wichtige Rolle in seiner neuen Marktstrategie. Jahrelang galten sie als «Underdogs» des Detailhandels, bis heute spielt Konkurrent Denner in seiner Werbung auf die fremde Herkunft der Discounter an. Dabei – oder eben deswegen – bemühen sich beide seit Längerem, das Image des deutschen Harddiscounters abzulegen, das bei der Schweizer Kundschaft nicht besonders gut ankommt.
«Lidl und Aldi sind sehr motiviert, beide setzen stark auf Swissness», sagt Urs Schneider. Und denkt den nächsten Zug auf dem Schachbrett des Lebensmittelhandels gleich dazu: «Das führt dazu, dass auch Migros und Coop weiterhin darauf achten müssen.» Was die Nachfrage nach inländischen Produkten steigern und sich zuletzt positiv auf die Produzentenpreise auswirken soll, von denen die Bauernfamilien leben können müssen.
Einsatz für sozial Schwache
Nicht nur an der Konsumfront ist Urs Schneider aktiv. In einem weiteren Nebenamt setzt er sich für Familien ein, die durch Schicksalsschläge in Not geraten sind. Seit diesem Jahr ist er Präsident der Stiftung für Selbst-, Sozial- und Nothilfe in der Landwirtschaft (SSSNL). Diese komme in allerschlimmsten Fällen zum Tragen, weshalb es sie unbedingt weiterhin brauche, auch im Zeitalter der Versicherungen, sagt Schneider. Nach einem schweren Schicksalsschlag, etwa einem Arbeitsunfall oder einer familiären Tragödie, hätten es die Betroffenen oft sehr schwer. «In gewissen Fällen braucht es einfach schnelle und unbürokratische Hilfe, auch wenn diese bescheiden ausfällt.» Schon tausend Franken könnten psychologisch viel bewirken. Damit die Stiftung ihre Arbeit weiterführen kann, brauche sie aber frisches Geld. «Wir wären sehr froh um Spenden oder ein Legat», sagt Schneider.