«Wir brauchen relativ viel Zucker», hielt Martin Schwegler fest. Der Präsident des Imkerdachverbands Bienen Schweiz begrüsste Vertreter(innen) der Zuckerbranche an seiner DV. Nicht nur, weil Imker ihre Bienen mit Zuckerwasser versorgen, sondern auch aus politischen Gründen.
Mehr spritzen ohne Gaucho
Ein Brief von Bienen Schweiz bzw. Apisuisse habe 2020 wesentlich dazu beigetragen, dass es keine Wiederzulassung des insektiziden Beizmittels Gaucho gab. Daraufhin habe die Zuckerbranche Kontakt aufgenommen, um die Produktion gemeinsam nachhaltiger zu gestalten, schilderte Mathias Götti Limacher, Geschäftsführer von Bienen Schweiz. «Ohne Gaucho müssen wir mehr spritzen, das ist ein bisschen blöd», bemerkte Nicolas Wermeille, Geschäftsführer des Schweizerischen Verbands der Zuckerrübenpflanzer (SVZ). Trotzdem seien aber die Auswirkungen dieses Pflanzenschutzes auf Bienen geringer. «Es ist eine neue Situation, wir haben Lösungen gefunden und suchen weitere für andere Probleme.» Mittlerweile sei eine Zulassung für Gaucho für den Verband kein Thema mehr, obwohl Wermeille einräumt, dass gewisse Mitglieder danach verlangten. «Das ist fertig, auch auf Ebene EU.»
«Es geht uns nicht darum, dass Schweizer mehr Zucker konsumieren»
Es tauchten im Rübenanbau immer wieder neue Probleme auf. «Wir hatten jedes Jahr einen neuen Schädling oder eine neue Krankheit – das ist kein Witz, das ist so», schilderte Nicolas Wermeille. Ohne den hohen Einzelkulturbeitrag gäbe es ihm zufolge in der Romandie keine Zuckerrüben mehr, was die Bedeutung guter politischer Rahmenbedingungen für die Branche unterstreicht. Zwar wird der grösste Teil der Rüben nach ÖLN produziert, aber mit wachsendem Anteil auf Flächen mit Verzicht auf Pflanzenschutzmittel im Rahmen der Bundesprogramme.
Doch die Vermarktung dieser Mehrwerte ist schwierig, wie Oliver Nussli ausführte. Für IP-Suisse-Zucker gebe es eine Warteliste, die Industrie frage noch nicht auf breiter Front nach Label-Zucker und auch Bio verkaufe sich nicht so gut, erklärte der CEO der Schweizer Zucker AG (SZU). «Es geht uns nicht darum, dass Schweizer mehr Zucker konsumieren», stellte Nussli klar. Vielmehr sollte Zucker aus hiesiger Produktion in Schweizer Produkte. Der aktuell tiefe Selbstversorgungsgrad und die daraus folgende Anpassung der Swissness-Regeln (nur 40 Prozent Anteil Schweizer Zucker in Produkten mit Schweizer Kreuz) laufen dem zuwider. «Ausserdem wirbt man lieber mit ‹zuckerfrei› als mit Schweizer Zucker», ist sich Mathias Götti Limacher bewusst.
Tolerieren und aushalten
Es stehen rund 200 Betriebe auf der Warteliste für IP-Zuckerrüben, sagte Mirjam Lüthi von der Labelorganisation. Die IP-Produktion bedeute, z. B. Erdflöhe zu tolerieren. «Ich empfehle jeweils, nicht so oft schauen zu gehen», meinte die Agronomin. Das müsse man aushalten können, meist gehe die Kultur aber nicht kaputt. «Und sonst kann man immer abmelden.» Es sei mit leicht tieferem Zuckergehalt und reduziertem Ertrag zu rechnen, dafür lockt die IP-Prämie.
Aufwändige Reinigung
Im Gegensatz zum Bio-Zucker gibt es bei IP keine Warenflusstrennung, die Produkte werden mit Mengenausgleich verkauft. Das Putzen der Zuckerfabrik nach der Verarbeitung der Bio-Rüben sei sehr energieintensiv und verteuere den Bio-Zucker zusätzlich, gab Oliver Nussli zu bedenken. Dass dies bei IP-Zucker wegfalle, sei wohl ein Grund für dessen besseren Erfolg.
«In der Regel hört man bei der Umstellung auf Bio mit den Zuckerrüben auf», sagte Nicolas Wermeille. Die Unkrautbekämpfung sei bei Bio ein ungelöstes Problem. Von anderen Pflanzern, die ihre Verträge nicht erneuern, höre er etwa hohen Fremdbesatz, Krankheiten, Unzufriedenheit mit dem Transportunternehmen oder Erdmandelgras als Gründe. «Die Wirtschaftlichkeit ist zentral, denn die Bauern sind Unternehmer», hielt er fest. Das bekräftigte auch Mirjam Lüthi. «Wir können nur produzieren, was nachgefragt ist», ergänzte sie. Ausschliesslich aus ökologischer Überzeugung könne man es nicht machen. «Nur, was langfristig wirtschaftlich ist, ist auch nachhaltig.»
Die Imkerschaft kann einen Beitrag zum ökologischeren Zuckeranbau leisten, indem sie auf IP-Suisse-Futtersirup setzt. Der sei für einen Aufpreis von 10 Rp./kg erhältlich, so Martin Schwegler. Es herrsche «ein guter Dialog und Vertrauen» mit der Zuckerbranche, lobte Mathias Götti Limacher und Schwegler meinte abschliessend, es sei gut, die Sachzwänge der Branche zu kennen.