Sabine Vogt leitet seit Juni 2024 das Ressort Höhere Berufsbildung Hauswirtschaft am Inforama. Die 39-jährige Frohnatur ist auf dem Land mit einer Schwester aufgewachsen und weltoffen erzogen worden. Sie bezeichnet sich selbst als wissbegierig, bodenständig und optimistisch. Menschen, Sprachen und die Ernährung haben sie schon früh fasziniert. Sie sei jemand, die auch im Arbeitsalltag Menschen um sich herum haben müsse. Dies veranlasste sie, die Ausbildung zur Kauffrau in einem 5-Stern-Hotel zu absolvieren. Danach lernte sie alle Bereiche der Hotellerie in unterschiedlichen Gegenden im In- und Ausland kennen. 2009 absolvierte Sabine Vogt die Hotelfachschule in Thun. Nach weiteren beruflichen Stationen führte ihr Weg sie ans Inforama. Im Interview verrät sie, was ihre Person ausmacht, wie sie mit grossen Fussstapfen umgeht, und wie sie die Veränderungen im Bereich Hauswirtschaft wahrnimmt.
Sabine Vogt, was verbinden Sie mit der Hauswirtschaft?
Sabine Vogt: Sehr viel. Ich habe einerseits einen privaten Haushalt. Andererseits kenne ich die Hauswirtschaft der Hotellerie, in der ich beruflich gross geworden bin. Aus heutiger Sicht verbindet mich die Arbeit mit dem bäuerlichen Haushalt. Hinter diesem Ausdruck verbergen sich für mich die Bezeichnungen «Haus» und «Wirtschaft». Im Haus sollen sich alle geborgen fühlen, alle helfen einander. Es ist ein Ort, wo Freud und Leid geteilt wird. Für mich ist das Haus die Drehscheibe des Betriebs. Im Haushalt passiert mehr als Putzen, Waschen, Bügeln usw. Der Haushalt ist das Hirn, denn viele betriebswirtschaftliche Themen werden am Küchentisch oder im Büro besprochen.
«Ich kann ein weiteres Kapitel mitschreiben.»
Sabine Vogt zu den Fussstapfen ihrer Vorgängerin Barbara Thörnblad-Gross.
Welche Tätigkeiten gehören zu Ihrem Stellenprofil?
Dazu gehört die Leitung des Ressorts, namentlich die Führung inklusive Personalführung und Organisation. Zudem sind die Öffentlichkeitsarbeit, Marketing und repräsentative Aufgaben – auch überkantonal – Teil meiner Arbeit. In einem kleinen Pensum unterrichte ich zudem in der Bildung Bäuerin sowie im Bildungsjahr Hauswirtschaft. Ich kann auch Ideen für Kurse und Weiterbildungsangebote einbringen und als Kursleiterin agieren.
Gehört denn das Ausarbeiten der einzelnen Kursangebote ebenfalls zu Ihren Aufgaben?
Die berufsorientierte Weiterbildung ist in einem eigenen Ressort untergebracht, dessen Leitung Marlies Budmiger innehat. Wenn ich einen eigenen Kurs anbieten möchte, kann ich den Inhalt selber definieren. Das finale «Go» erteilt die Ressortleitung Berufsorientierte Weiterbildung.
Viele Jahre lang prägte Ihre Vorgängerin Barbara Thörnblad-Gross die Hauswirtschaft im Kanton Bern. Die Fussstapfen, in die Sie traten, sind entsprechend gross. Spüren Sie einen gewissen Druck? Und wie gehen Sie damit um?
Ich möchte es anders formulieren. Barbara war eine Persönlichkeit, die ich noch kennenlernen durfte. Sie war sehr visionär unterwegs und hat die bernische Hauswirtschaft sehr geprägt. Dafür bin ich ihr sehr dankbar. Dass ich im Bereich Hauswirtschaft ihre Nachfolgerin sein darf, ehrt mich sehr. Dank ihr kann ich auf dem aufbauen, was sie geschaffen hat, und kann ein weiteres Kapitel eröffnen und mitschreiben. Es war eine andere Zeit, die sie erlebt hat. Wir erleben jetzt herausfordernde Zeiten mit vielen unterschiedlichen Themen, auf die ich mich freue.
«Im Haushalt passiert mehr als Putzen, Waschen, Bügeln usw.»
Für Sabine Vogt ist der Haushalt quasi das Hirn, wo vieles besprochen wird.
Was ist jetzt anders? Und was für Themen beschäftigen Sie und das Team, die bei Barbara Thörnblad-Gross noch nicht aktuell waren?
Zum einen steht die Revision der Höheren Berufsbildung (HBB) an. Dabei dürfen wir vom Kanton Bern mitarbeiten. Zum anderen verändert sich das Leben auf den Höfen stetig.
Wo liegt aus Ihrer Sicht die grösste Veränderung?
Der Rollenwechsel ist die grösste Veränderung. Die Frauen übernehmen zunehmend mehr Aufgaben und Verantwortungsbereiche auf den Höfen, arbeiten daneben oft auch auswärts. Dafür werden teilweise Arbeiten der Hauswirtschaft von den Partnern übernommen, was früher teilweise undenkbar war.
Was bedeutet das für Ihre Arbeit als Bildungsverantwortliche Hauswirtschaft am Inforama?
Das hat Auswirkungen auf die Kurse. Gefragt werden von den Frauen immer mehr Module zur Betriebsführung. Den veränderten Bedürfnissen wollen wir möglichst nachkommen. Wir müssen zwar die Modulvorgaben des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes (SBLV) einhalten. Doch dort, wo wir Freiheiten haben, nutzen wir diese. So haben wir beispielsweise im Sommer einen Landwirtschaftstag zum Thema Pflanzenbau angeboten, der sehr gut ankam. Geplant ist auch ein Vertiefungskurs in der Anwendung von Gelan. Die anstehende Bildungsrevision bietet nun die Möglichkeit, die Module zeitentsprechender zu gestalten und, wo nötig, anzupassen.
Was erhoffen Sie sich konkret von der Totalrevision der Höheren Berufsbildung?
Dabei mitzuarbeiten, freut mich enorm. Ich erhoffe mir, die Gleichstellung jeglicher Arbeit – egal, ob in der Haus- oder in der Landwirtschaft. Ich möchte mithelfen, Brücken zu schlagen zwischen Landwirtschaft und Hauswirtschaft/Ernährung.
In welcher Form können Sie vom Inforama da mitwirken und bis wann soll die Revision abgeschlossen sein?
Wir dürfen in verschiedenen Arbeitsgruppen mitwirken. Die neuen Reglemente der HBB sollen Anfang 2029 in Kraft treten.
Wie gesagt, sind Bäuerinnen nicht mehr nur zu Hause in Haushalt, Küche und Garten tätig. Wie beeinflusst Angebot und Nachfrage nach Weiterbildungsangeboten abseits der HBB Bildung Bäuerin / Bäuerlicher Haushaltsleiter?
Das Ressort Weiterbildung unterliegt einem steten Prozess. Gut laufende Kurse werden beibehalten, andere werden ersetzt. Essenziell für uns ist, dass wir die richtigen Themen der Zeit entsprechend anbieten können. Denn auch die Mitbewerber schlafen nicht. Ein Fokus für mich liegt darin, ernährungstechnische Kurse zu schaffen, die Vertiefung nach der Bildung Bäuerin / Bäuerlicher Haushaltsleiter bringen. Auch handwerkliche Kurse wie das Weben am Inforama Oberland finde ich wertvoll, damit dieses Wissen nicht verloren geht. Daneben finde ich auch den Versicherungskurs und das Gartenjahr, das alle vier Jahreszeiten beinhaltet, sehr wichtig.
Sie sagen, die Konkurrenz schlafe nicht – es gibt auch andere Kursanbieter als das Inforama. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?
Es braucht eine höhere Sichtbarkeit, wir müssen die Werbetrommel rühren und präsent sein. Vernetzung und die Sichtbarkeit zu erhöhen, auch auf den sozialen Medien, ist wichtig.
Was wünschen Sie sich persönlich für den Bereich Hauswirtschaft am Inforama?
Mir ist der Kontakt zu den Praktikerinnen wichtig. Denn Sie zeigen, was sie für Herausforderungen haben. Mit diesem Wissen können wir möglichst spannende Angebote zu aktuellen Themen schaffen. Ich möchte die Frauen stärken und ihnen durch das Erlangen von Wissen Selbstvertrauen mitgeben. Menschlich ist mir ein guter Teamspirit in den beiden Hauswirtschaftsteams im Oberland und am Inforama Waldhof wichtig.
Sie sprechen den Teamspirit in beiden Teams an. Gibt es mit der Nutzerstrategie des Kantons (siehe Kasten) künftig noch zwei Teams?
Die bäuerliche Hauswirtschaft wird ca. 2033 am Standort Rütti zusammengeführt. Dazu sollen für die bäuerliche Hauswirtschaft neue Infrastrukturen für einen zukunftsgerichteten Unterricht erstellt werden. Gemeinsam mit internen und externen Fachleuten denken wir dabei vorausschauend. Wie aber die Organisationsstruktur dann sein wird, ist offen.
Die Nutzerstrategie
Der Kanton Bern arbeitet momentan an der Umsetzung der Nutzerstrategie des landwirtschaftlichen Bildungs-, Beratungs- und Tagungszentrums Inforama. Diese sieht ab ca. 2033 drei Kompetenzzentren in Ins (Spezialkulturen), Rütti (Landwirtschaft und Ernährung) sowie Hondrich (Alp- und Berglandwirtschaft) vor. Ergänzend werden an den Standorten Emmental und Waldhof weiterhin Klassen im 1. und 2. Lehrjahr Landwirt/in EFZ sowie Beratung vor Ort sein. Die bäuerliche Hauswirtschaft wird am Standort Rütti konzentriert. Die Neuausrichtung soll bis zum Jahr 2040 abgeschlossen sein.