Seit Monaten vergeht praktisch kein Tag, ohne dass die Landwirtschaft in der Tagespresse am Pranger steht. «Auf den ersten Blick scheint das grosse Interesse an unserem Berufsstand ja schön zu sein. Aber wenn man dann die Schlagzeilen dahinter liest, ist es nicht mehr so lustig», konstatiert Ruedi Fischer, Präsident der Vereinigung Schweizerischer Kartoffelproduzenten (VSKP) am Dienstag an der jährlichen Mitgliederversammlung im Saalbau Kirchberg BE. Mit der Wahrheit nehme man es nicht mehr so genau, nur die Schlagzeile zähle. Fischer nennt hierzu ein Beispiel: «Anfang Februar gab es in der Berner Zeitung doppelseitige Berichte darüber, wie schlimm es um Chlorothalonil im Trinkwasser im Kanton Bern stehe. In der gleichen Woche hat unser Wasserversorger ‹Emmental Trinkwasser› im neutralen Anzeiger die neusten Trinkwasserproben veröffentlicht. Der zulässige Höchstwert von 0,1 µg pro Liter Trinkwasser wurde bei weitem nicht erreicht bzw. ist gar nicht feststellbar.»
AP 22+: positiver Effekt auf Natur und Umwelt bleibt aus
Der VSKP-Präsident ist zudem nicht zufrieden mit der Botschaft der AP 22+. Sie sei sicher nicht von Praktikern gemacht. Die Einwände von den zahlreichen Begleitgruppen seien, wenn überhaupt, nur sehr spärlich übernommen wurden. Der erwünschte positive Effekt auf Natur und Umwelt wird ausbleiben, so Ruedi Fischer. Dass, weil das Allgemeinwohl, die Lebensansprüche der Bevölkerung ebenso einen grossen Einfluss auf Natur und Umwelt hätten wie die Landwirtschaft. «Weniger wäre mehr und dafür das wenige konsequent und genau kontrollieren», empfiehlt er.
Pflanzenschutz-Initiativen hätten direkte Auswirkung auf Kartoffelproduzenten
Ein präsentes Thema an der VSKP-Mitgliederversammlung war auch der bevorstehende Ausgang der beiden Pflanzenschutz-Initiativen, von dem der Kartoffelanbau stark betroffen wäre. Wenn grossflächig auf Fungizide wie Kupfer verzichtet werden müsste, könne man den Kartoffelanbau mehrheitlich aufgegeben. Fischer sei sich nicht mehr so sicher, ob die Abstimmung gegen die Pflanzenschutz-Initiative gewonnen werden kann.
SBV motiviert aktiv zu werden
Sandra Helfenstein vom Schweizer Bauernverband (SBV) sieht der Abstimmung optimistischer entgegen. In einer flammenden Rede geht sie auf die bereits laufenden Massnahmen der SBV-Kampagne «Wir schützen, was wir lieben» ein. Sie motiviert die Anwesenden, die zur Verfügung stehenden Instrumente weiterhin zu nutzen und aktiv mit den Konsumenten ins Gespräch zu kommen – am Feldrand oder über Social-Media-Kanäle. Denn die Unwissenheit der Konsumenten sei gross. Sie würden nicht erkennen, wie sie die Landwirtschaft mit ihrem Konsumverhalten beeinflussen. «Wir haben es mit Menschen zu tun, die ganz andere Bilder von einer Landwirtschaft im Kopf haben, als wir sie kennen», so Helfenstein. Bei der Kommunikation sei es aber wichtig die Konsumenten ernst zu nehmen und nicht von Wahrnehmungsproblemen zu sprechen. «Wir müssen aufzeigen, wie wir Probleme lösen.» Bei einer Umfrage der SBV kam heraus, dass 61% der Schweizer eigentlich mit der Schweizer Landwirtschaft zufrieden sind. «Diese müssen wir jetzt für uns gewinnen. Wir können ein doppeltes Nein erarbeiten, wenn jeder von euch mithilft», ist Helfenstein überzeugt.
VSKP verbucht einen Gewinn von 38'000 Franken
Niklaus Ramseyer, Geschäftsführer der VSKP, stellte die Jahresrechnung von 2019 vor. «Wir verbuchten einen Gewinn von rund 38’000 Franken. Damit sind wir 8000 Franken höher als budgetiert.» Der Verwertungsfond wird bei 95 Rappen pro 100 kg Kartoffeln/Speiseanteil belassen. Christine Heller, Geschäftsführerin der Swisspatat, ist mit der Verwaltung des Fonds betraut. Bis zum 18. Februar seien 324 Gesuche zur Verwertung eingegangen, im Vorjahr waren es 502. Der Durchschnittliche Speiseanteil mit 77% sei vergleichbar mit dem von 2019. Bislang wurden 1,5 Millionen Franken ausbezahlt. Wie jedes Jahr würden aber noch weitere Posten für die Frischverfütterung erwartet. Mit einem Einnahmeüberschuss von rund 211’000 Franken liegt der Totalbetrag des Fonds bei 8,1 Mio. Franken.
Attracap gegen Drahtwurmbefall erhält Sondergenehmigung
Aus dem Vorstand der VSKP wird Joël Bonny verabschiedet. Der Westschweizer aus Cudrefin VD war insgesamt 12 Jahre im Vorstand. Wer seine Nachfolge antreten wird, ist laut Ruedi Fischer noch ungewiss. Erfreuliche Nachrichten überbringt Niklaus Ramseyer: Attracap gegen Drahtwurmbefall erhält eine Notfallzulassung bis zum 31. Juli 2020.
Die Zeichen für CIPC-Nachfolgeprodukt 1,4-Sight stehen gut
Aus dem Publikum möchte man den aktuellen Stand von Chlorpropham (CIPC) wissen. Es meldete sich Swisspatat-Präsident Urs Reinhard zu Wort. Die Frage sei nicht einfach zu beantworten. Man habe mit dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) und dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) intensiven Kontakt. Für das Nachfolgemittel 1,4-Sight stehen die Zeichen aber gut. Man erwarte einen Bescheid im Mai 2020 und eine Bewilligung im Sommer, so Reinhard.