Der Rundholzmarkt und der Energieholzmarkt florieren. Holz ist derzeit gefragt wie seit Jahren nicht mehr, und auch die Preise haben für die Waldeigentümer etwas angezogen, auch wenn sie noch nicht überall das gewünschte Niveau für eine kostendeckende Produktion erreicht haben. Der Wald ist aber nicht nur ein Rohstofflieferant und erfüllt Schutz- und Nutzfunktionen, sondern seine Bedeutung für den Klimaschutz wird immer mehr anerkannt.

CO2-Speicherung nutzen

Die Wald- und Holzwirtschaft trägt zur Minderung des Treibhauseffektes bei. Das wurde schon vor 15 Jahren in einer Bafu-Studie aufgezeigt. Dies durch die Senkenfunktion des Waldes, die Lagerung von Kohlenstoff in der Holzproduktion und die Substitution von fossilen Rohstoffen durch die Verwendung von Holz. In der Studie wurde schon damals festgestellt, dass es ausökologischer wie aus klimapolitischer Sicht zweckmässig ist, die Vorräte im Wald in einem verträglichen Mass zu erhöhen. Anderseits sei das darüber zuwachsende Holz in einer Kaskadennutzung zuerst für lang­lebige Holzprodukte und dann energetisch zu verwerten.

Die CO2-Senkenleistung von Holz wird von der Holzindustrie schon seit acht Jahren in Form von Zertifikaten vermarktet. Getragen wird das Projekt vom Verein Senke Schweizer Holz.

Vorrat bewirtschaften

Seit einiger Zeit laufen nun auch erste Projekte in der Waldwirtschaft, um die CO2-Senkenleistung des Waldes selber in Wert zu setzen. So, indem beispielsweise der Holzvorrat nur reduziert abgebaut wird, oder, wo sinnvoll, gar zusätzlicher Vorrat aufgebaut wird. Darum bemüht sich der erst 2019 gegründete Verein Wald-Klimaschutz Schweiz. Die Waldeigentümer weisen darauf hin, dass auch ihnen die Umweltleistungen des Waldes abgegolten werden sollen. Und es wird auf das CO2-Einlagerungspotenzial hingewiesen: 1 m3 stehendes Nadelholz könne 1,2 t CO2 binden, 1 m3 Laubholz gar 1,5 t CO2. 

Senke Wald und Holz

In einem Interview in der Zeitschrift «Wald und Holz» vom Dezember 2021 wird allerdings die Senkenleistung des Waldes durch Vorratsaufbau oder reduzierten Vorratsabbau teilweise kritisch beurteilt. So meinte Stefan Flückiger, Betriebsleiter des Forstbetriebes der Burgergemeinde Bern in diesem Interview, dass er wenig Verständnis habe, wenn unter dem Deckmantel des Klimaschutzes Bäume über Jahrzehnte im Wald stehen gelassen werden sollen.

Senke Wald
Der Verein Wald-Klimaschutz Schweiz setzt sich ebenfalls für die Förderung des Verbrauchs von Schweizer Holz ein. Die Waldeigentümer sollen auch etwas vom «CO2-Kuchen» bzw. den Erlösen aus Kompensationsprojekten erhalten. Ziel sind nachhaltig aufgebaute und zuwachskräftige Wälder. Je nach Projekt und Standort kann mit höheren Vorräten oder einem reduzierten Abbau des Holzvorrates mehr CO2 gebunden werden. Dazu laufen mehrere Projekte, viele weitere sind in Planung. Die Erlöse aus den vermarkteten Zertifikatenauf dem freiwilligen Markt werden von den Waldeigen-tümern in den Aufbau von klimaresistenten Beständen und in die Absatzförderung von Waldholz eingesetzt.

Senke Holz 
Der Verein Senke Schweizer Holz umfasst rund 100 Unternehmen aus der Holz-industrie. Ziel ist der vermehrte Einsatz von Holz aus dem Schweizer Wald. Der Waldspeicher könne nicht beliebig vergrössert werden; je älter ein Baum werde, desto geringer die CO2-Speicherung. Durch zusätzliche Produktion von Bauholz werde mehr CO2 im Holz gebunden. Für diese Senkenleistung werden Bescheinigungen ausgestellt und vermarktet. Finanziert wird die CO2-Kompensation von der Stiftung Klimaschutz (Klik). Die Erlöse von jährlich rund 30 Millionen Franken fliessen unter anderem in Massnahmen zur Produktions- und Effizienzsteigerung von Schweizer Holz.

Zwei Standpunkte

Demgegenüber wird seitens des Vereins Wald-Klimaschutz Schweiz  darauf hingewiesen, dass im Wald viel CO2 gebunden werden könne, wenn die Vorräte klimaoptimiert bewirtschaftet würden. Einig sind sich alle, dass Wald und Bäume eine bedeutende Rolle für den Klimaschutz und als CO2-Speicher einnehmen.

Die BauernZeitung befragte dazu zwei Forstfachleute zu ihren Positionen und Argumenten. So einerseits Stefan Flückiger und anderseits Felix Lüscher, den langjährigen und Ende 2021 pensionierten Bereichsleiter Wald der Oberallmeindkorporation Schwyz. Diese lancierte schon vor über zehn Jahren erfolgreich ein Pionierprojekt, welches auf Vorratsaufbau setzt.

Felix Lüscher: «Der Wald wird nicht stillgelegt»

[IMG 4]Das Ziel des Projekts der Oberallmeindkorporation Schwyz (OAK) ist es, den Wald zusätzlich zur bisherigen nachhaltigen Bewirtschaftung auch als CO2-Senke zu nutzen, damit einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und diese Leistung des Waldes für die Waldeigentümerin in Wert zu setzen. Dazu wird der durchschnittliche Holzvorrat im bewirtschafteten Wald innerhalb von 30 Jahren von 281 auf 300 m³/ha erhöht respektive rund 245 000 t CO2 fixiert. Mit einer angepassten Waldbewirtschaftung wird sichergestellt, dass die gesetzlich vorgegebenen und gesellschaftlich erwünschten Funktionen des Waldes weiterhin nachhaltig erfüllt werden. Die Finanzierung erfolgt über den Verkauf von CO2-Zertifikaten für freiwillige Kompensationsmassnahmen. Das jährliche Monitoring stellt sicher, dass nur so viele Zertifikate verkauft werden, wie effektiv CO2 im Wald eingelagert wurde.

Für diesen Vorratsaufbau von durchschnittlich 0,6 m3/ha und Jahr wird der Zuwachs nicht vollumfänglich genutzt. Waldbaulich konkret heisst das, dass die bisherige Bewirtschaftung nicht wesentlich verändert werden musste, dass während der 30-jährigen Projektdauer etwas weniger intensiv eingegriffen wird und die Bäume tendenziell älter werden. Damit der Wald stabil bleibt und an den fortschreitenden Klimawandel angepasst werden kann, wird er weiterhin über die gesamte Fläche bewirtschaftet; also keine Spur von Stilllegungen.

Der Wald kann die Probleme des Klimawandels nicht lösen, aber ein solches Projekt ist ein kleiner temporärer Beitrag einer Waldeigentümerin über zwei bis drei Jahrzehnte. Gleichzeitig hat sich die Waldeigentümerin etwas Spielraum verschafft, um je nach Lage im Holz- und im CO2-Markt zu agieren. Der Verzicht auf die volle Nutzung des Zuwachses ermöglicht gewinnbringende Zertifikatsverkäufe. Diese ermöglichen der OAK, defizitäre, nicht beitragsberechtigte Massnahmen im Wald z. B. bei Holzernte, Naturschutz oder Erholungseinrichtungen, quer zu finanzieren, die sonst nicht ausgeführt würden. Da heisst, dank dem kann sogar mehr Holz auf den Markt gebracht werden.

Dieses Projekt ist konform mit der nationalen Waldpolitik, indem das wirtschaftlich nutzbare Holzerntepotenzial ausgeschöpft, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dank der Inwertsetzung einer Nichtholzwaldleistung verbessert und kein anderes Ziel negativ beeinflusst wird. Die Nachfrage nach Zertifikaten im freiwilligen Markt ist gross. Dabei werden nur gute, glaubwürdige Projekte unterstützt, denn auch diese Käufer wollen sich nicht dem Vorwurf des Ablasshandels aussetzen. 

Stefan Flückiger: «Was Staubsauger und Wald gemeinsam haben»

[IMG 3]Ein Kubikmeter gewachsenes Holz bindet eine Tonne CO2 aus der Luft. Solange der Baum nicht vor Ort verfault, bleibt dieses im Wald gespeichert. Der Wald erbringt dadurch zwei Leistungen, er bindet CO2 aus der Luft und er speichert CO2, solange der lebende Baum im Wald verbleibt. Die einzigartige Leistung des Waldes ist seine «Saugleistung». Diese nimmt mit zunehmendem Alter der Bäume ab. Sie bleibt nachhaltig verfügbar, solange Bäume im Wald wachsen (und nicht verfaulen).

Der Waldspeicher kann mit einem Staubsaugersack verglichen werden. Ist der Staubsaugersack voll beziehungsweise das Speicherpotenzial eines Baumes ausgeschöpft, stirbt er ab, wenn er nicht geerntet wird. Bei der Zersetzung im Wald wird das gebundene CO2 wieder freigesetzt.
Damit der Wald einen möglichst hohen Beitrag an den Klimaschutz leisten kann, müssen wir darauf achten, dass das CO2 (Holz) rechtzeitig aus dem Wald geerntet und in andere Speicher oder eine andere Nutzung überführt wird. Die Qualität des wachsenden Holzes spielt für die langfristige Speicherung eine zentrale Rolle. Die rein mengenmässige Betrachtung (1 m3 Holz = 1 Tonne CO2) reicht nicht aus. Je nach Produkt verbleibt das CO2 unterschiedlich lange in den nachgelagerten Speichern. So gemäss Bafu im Bauholz rund 50 Jahre, im Industrieholz rund 15 Jahre und in Biokohle über 500 Jahre. Wenn wir Bäume einfach stehen lassen, leisten wir keinen Beitrag zum Klimaschutz, denn dies passiert auf natürliche Weise so oder so. Dazu benötigen wir weder Geld noch besondere Waldkompetenzen. Es stellt keinen gesellschaftlichen Mehrwert dar.

Ein klimaschutzoptimiertes Waldbewirtschaftungskonzept maximiert die Saugleistung des Waldes und nutzt die nachgelagerten Speicher optimal. Stammholz hat den grössten gesellschaftlichen Nutzen und die längste Verweildauer im Gebäudespeicher. Am meisten CO2 bindet Wald in mittelalten Beständen durch Zuwachs. Dieses Stadium können wir durch eine konsequente Bewirtschaftung und geschickte Verjüngung maximieren. Konzepte, die die nachgelagerten Speicher nicht berücksichtigen, greifen zu kurz. Massnahmen, die eine Klimaschutzentschädigung rechtfertigen, erbringen einen echten Mehrwert für die Gesellschaft und treten nicht auf natürliche Art und Weise sowieso ein.

Die Verteilung des Mehrwerts von Holz als Klimaschützer muss in der Wertschöpfungskette verhandelt werden. Auf kurzfristigen Gewinn ausgerichtete Projekte, die nur zeitliche und systemische Ausschnitte berücksichtigen, bergen Reputationsrisiken für die Waldbranche.