Das Stimmvolk sagte am Sonntag mit 68,7 % Ja zum Stromgesetz. Damit tritt der sogenannte Mantelerlass am 1. Januar 2025 in Kraft. Die Vorlage umfasst Förderinstrumente und neue Regelungen für Produktion, Transport, Speicherung und Verbrauch von Strom und sie führt eine obligatorische Wasserkraftreserve ein. Die Vorlage soll zudem die Inbetriebnahme von neuen Anlagen zur Produktion von erneuerbarer Energie beschleunigen.

Nur ein Zehntel des Potenzials

Knappe 24 Stunden nach der Bekanntgabe der Annahme flattert bereits die Einladung zur Lancierung der Solar-Initiative, auch Solar-Rappen-Initiaitve, ins Haus. Absender: «Grüne Schweiz». Anlass zur weiterführenden Initiative gibt es laut der Partei zur Genüge: «Auf Schweizer Dächern, Fassaden und Infrastrukturen gibt es genug geeignete Flächen, um mehr als den gesamten heutigen Strombedarf der Schweiz mit Solarenergie zu decken. Aktuell nutzt die Schweiz lediglich ein Zehntel ihres Potenzials», so der Wortlaut der Partei.

Von 0,1 auf 0,5 Rappen/kWh

Die Partei nutzt das Momentum und führt die Debatte um die erneuerbaren Energien weiter. Mit der «Volksinitiative für einen Solar-Rappen» soll der Bund darum eine indexierte Abgabe von 0,1 ansteigend auf 0,5 Rappen pro Kilowattstunde auf den Endverbrauch der nicht-erneuerbaren Energieträger erheben. Mindestens die Hälfte des Abgabeertrages soll dann für die Sonnenenergienutzung verwendet werden.

Die Pflicht zur Nutzung geeigneter Flächen für die Produktion von erneuerbarer Energie bestünde laut dem Initiativtext für Neubauten und neuen Anlagen sowie bei erheblichen Umbaumassnahmen (Dachsanierungen) ab einem Jahr nach der Annahme des Gesetzes. Um Härtefälle zu vermeiden, bestünde bei bestehenden Bauten und Anlagen eine Umsetzungsfrist bis zum Jahr 2050.

25,7 % ist heute erneuerbar

Der Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch liegt laut aktuellen Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) bei 25,7 % (2022) und ist damit etwas tiefer als 2021 (28 %). Wie weit lässt sich das hiesige Stromnetz mit Solarenergie ausbauen?

In ihrer Antwort betont die nationale Netzgesellschaft Swissgrid, technologieneutral und «nicht für die Energiepolitik zuständig zu sein». Technisch gesehen, sei es allerdings so, dass der Ausbau der Stromproduktion aus neuen erneuerbaren Energiequellen zu veränderten Produktionsmustern und volatileren Stromflüssen führe, so Claudine Perrothon von Swissgrid. «Das erhöht die Herausforderungen für den Netzbetrieb», so Perrothon.

Das Problem liegt woanders

Swissgrid unterstreicht, dass nicht die neuen erneuerbaren Energien das Problem seien, sondern die Prognosen und Daten zur Einspeisung dieser Stromquellen. «Die zuständigen Lieferanten berechnen die Produktion der ihnen zugeordneten Produktionsanlagen mittels Prognosen und Wetterdaten im Voraus», erklärt Claudine Perrothon. Diese Daten füttern wiederum die «Fahrpläne», auf die Swissgrid die Planung des Netzbetriebs stützt. Deshalb brauche es permanent aktuelle und qualitativ hochwertige Daten. «Hier ist die ganze Branche gefordert, einen Beitrag zu leisten», so Swissgrid.

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Bund baut Förderung aus

Während das Komitee Unterschriften für die skizzierte Solar-Initiative sammelt, muss die Verwaltung nun das Stromgesetz umsetzen müssen. Das heisst konkret: Die Förderung des Ausbaus wird verlängert und ausgebaut, ohne eine Erhöhung der Netzabgaben. Zudem ist eine Lösung für bestehende und neue landwirtschaftliche Biogasanlagen vorgesehen. Weiter wird die Bewilligungsfähigkeit für den Bau und Betrieb neuer landwirtschaftlicher Biogasanlagen und Agri-PV-Anlagen vereinfacht. Das beschrieb Hannah von Ballmoos-Hofer, Leiterin Energie und Umwelt, Schweizer Bauernverband, in einem Gastbeitrag für diese Zeitung.

Kleinanlagen, die auf Eigenverbrauch ausgerichtet sind, können weiterhin von den Investitionsbeiträgen in Form der Einmalvergütung profitieren. Anlagen mit einer Leistung von über 150 kWp haben die Möglichkeit, zwischen einer gleitenden Marktprämie und Investitionsbeiträgen zu wählen. Bei gleitenden Marktprämien werde über den Netzzuschlagsfonds die Differenz ausbezahlt, wenn der Erlös für den ins Netz eingespeisten Strom unter den festgelegten Vergütungssatz sinkt.

Inland sauber, Export schmutzig

Dass der Staat und die Kantone Energie-Produzenten mit diesen Massnahmen unter die Arme greifen, dürfte damit zu tun haben, dass die Inlandproduktion bislang einen kleinen Teil des Gesamtverbrauchs ausmacht. 2022 stammte knapp 75 % der im Inland gebrauchten Energie aus dem Ausland, und diese war nicht erneuerbar. Importiert werden laut dem BFS Erdöl (Rohöl, Brenn- und Treibstoffe), Erdgas, Kohleprodukte sowie nukleare Brennelemente. Von den im Inland vorhandenen Energieträgern werden in erster Linie erneuerbare Quellen wie Wasserkraft, Brennholz, Sonne, Wind, Biogas, biogene Treibstoffe und Umweltwärme genutzt.

Ja zum Stromgesetz heisse Nein zur Biodiversitäts-Initiative

Mit dem Ja zum Stromgesetz habe die Schweizer Bevölkerung ihrem Willen Ausdruck verliehen, die erneuerbaren Energien zur Sicherung der Stromversorgung zu fördern. «Der Schweizer Bauernverband (SBV) ist erfreut über diesen Entscheid», heisst es in einer Mitteilung. Die Landwirtschaft könne einen bedeutenden Beitrag zur sauberen Stromproduktion leisten. Wichtig sei aber, den Schutz des Kulturlandes zu gewährleisten.

Aus Sicht des SBVs ist in der Konsequenz nun die Biodiversitäts-Initiative abzulehnen, um die Umsetzung des Stromgesetzes nicht zu gefährden. Die Initiative würde das Stromgesetz wieder aushebeln und den Ausbau von erneuerbaren Energien vereiteln, warnt der Verband.