«Ich fahre oft auf die Betriebe, denn ich will wissen, wie unsere Lohnunternehmer ‹ticken›. Ich will Bescheid wissen, wie ihre Betriebe aufgestellt sind, was sie bewegt und welche Herausforderungen sich ihnen stellen», sagt Kirsten Müller. Die Agronomin und langjährige Agrarjournalistin führt seit 2022 die Geschäfte des Verbandes Lohnunternehmer Schweiz. Seit ihrem Amtsantritt hat sie nicht nur viele Betriebe besucht, sondern gemeinsam mit dem Vorstand einiges ins Rollen gebracht. Im Interview spricht sie über die Bedeutung der Lohnunternehmer, über die Entwicklungen im Verband und über die Rolle der Frauen.

Kirsten Müller, seit ihrem Stellenantritt hat sich sowohl in der Schweizer Landwirtschaft als auch beim Verband einiges entwickelt. Wie sind sie gestartet und welche Aufgaben haben Sie am stärksten beansprucht?

Kirsten Müller: Ich habe nach einer neuen Herausforderung gesucht und die hatte ich definitiv. Der Start war holprig und es gab Momente, in denen ich an meine Grenzen kam. Zu Beginn hörte ich mir die Anliegen an und beobachtete die Abläufe, ohne Änderungen vorzunehmen. Es zeigte sich, dass durch mehrere Wechsel in der Geschäftsführung und im Präsidium einiges in Vergessenheit geraten war. Also krempelten wir gemeinsam die Ärmel hoch und strukturierten die Abläufe, brachten die Corporate Identity auf Vordermann, etablierten eine neue Webseite, unser «Lohnermagazin» erhielt ein neues Design. Meine allergrösste Herausforderung war jedoch, das Vertrauen des Vorstandes, der Mitglieder und Partner zu gewinnen – ein hart erarbeiteter Erfolg, der sich nun auszahlt. Heute kommunizieren wir auf Augenhöhe und ziehen gemeinsam an einem Strang – ein perfektes Teamwork.

Welche Impulse konnten Sie während dieser Zeit im Verband setzen?

Mir ist es wichtig, an erster Stelle zu sagen, dass ich Dienstleister für unsere Lohnunternehmerbetriebe und Partner bin; der Vorstand und ich möchten die Branche unterstützen und voranbringen. Konkret ist das etwa das Etablieren einer guten Kommunikation intern und extern, die Art, wie wir uns strategisch abstimmen, Ziele formulieren und diese politisch einbringen. Punkt zwei: das Etablieren von Weiterbildungen, ausgerichtet auf die Bedürfnisse der Lohnunternehmer und ihrer Mitarbeitenden. Unsere Vision ist es, eine Zusatzausbildung aufzubauen. Weiter haben wir eine Reihe unserer Serviceleistungen optimiert und erweitert, sind auf den Social-Media-Kanälen stark unterwegs, versenden regelmässige Mitglieder-Infos und verknüpfen unsere Networkingevents immer mit einem fachlichen Schwerpunkt.

Und wie sieht es mit der Wahrnehmung gegen aussen aus?

In Sachen Aussenwahrnehmung fokussieren wir uns vor allem darauf, die Lohnunternehmer und ihre Schlüsselposition in der Land- und Ernährungswirtschaft sichtbarer zu machen und aufzuzeigen, wie systemrelevant Lohnunternehmer sind. Deshalb wollen und müssen wir auch vermehrt in Fachgruppen und Ausschüssen mit einbezogen werden. Da gibt es noch Luft nach oben.

Welche Erfolge konnte der Verband in den letzten zwei Jahren verbuchen?

Da gibt es einige. Ein wichtiger Meilenstein ist sicher unser Pflanzenschutz-Zertifikat, das wir bereits 16 Lohnunternehmen ausstellen konnten. Es ist uns im Allgemeinen gelungen, vermehrt auf die Rolle der Lohnunternehmer im Gefüge der Branche aufmerksam zu machen und unsere Positionen in verschiedenen Fachgruppen und Ausschüssen einzubringen. Nicht zuletzt haben wir unseren Geschäftssitz vom aargauischen Riniken nach Zollikofen bei Bern verlegt, wo wir näher an relevanten Bundesämtern und Fachstellen sind. Zu diesen Höhepunkten kommt eine Summe aus vielen kleinen Dingen hinzu. Es ist uns gelungen, innerhalb der Lohnunternehmer ein Wir-Gefühl zu etablieren und zu stärken. Dazu beigetragen hat etwa, dass an unserem Jubiläum Bundesrat Albert Rösti referiert hat. Das hat unseren Verbandsmitgliedern gezeigt, dass man sie als Berufsgruppe wahrnimmt und hat ihnen Aufwind gegeben. Wir sind stolz darauf, dass unser Verband wächst.

Was für ein Schlag Mensch ist denn der «klassische» Lohnunternehmer?

Viele Lohnunternehmer sind «starke Charaktere», eben Unternehmer-Typen, die auch mal sagen, was aus ihrer Warte heraus Sache ist. Das ist in Diskussionen nicht immer und nicht für alle einfach, aber gleichzeitig sind Lohnunternehmer sehr konstruktiv, denn es geht ihnen um die Sache. Sie wissen, wovon sie reden, denn sie haben viel Know-how und sind affin und offen für innovative Technologien.

Mit welchen Problemen kämpfen Ihre Mitglieder im laufenden Jahr? Und wie kann der Verband sie unterstützen?

Nun, in einem Jahr wie diesem ist der Job anspruchsvoll, denn angesichts des Wetters und der kurzen Zeitfenster braucht es eine hohe Schlagkraft bei der Arbeit. Das gibt stressige Tage. Hinzu kommt ein gewisser Druck vonseiten der Politik und der Konsumenten, etwa im Bereich des Pflanzenschutzes. Als Verband fungieren wir als Schnittstelle: Wir nehmen die Anliegen unserer Leute auf und vertreten ihre Position in Politik und Gesellschaft. Zudem müssen wir sicherstellen, dass wir unsere Mitglieder bei der Professionalisierung unterstützen. Sei das im Bereich Weiterbildungen, sei das beim Themenkomplex Digitalisierung und Datenmanagement oder bei der Personalfindung.

Wird sich die Bedeutung der Lohnunternehmer künftig verändern?

Ja, da bin ich mir ganz sicher. Nehmen wir als Beispiel den Pflanzenschutz: Hier zwingen die Leitlinien des Bundes und die gesellschaftlichen Erwartungen zu steigender Nachhaltigkeit und einer immer grösseren Professionalität, die zu einem bedeutenden Teil nur über fortschrittliche Technologie erreicht werden kann. Diese Technik ist aber teuer in der Anschaffung und anspruchsvoll in der Handhabe. Die Anforderungen in diesem Bereich werden künftig noch steigen und viele Landwirte werden das nicht mehr selbst stemmen können. Lohnunternehmer werden diese Aufgabe zu einem immer grösseren Teil übernehmen. Ich kann mir gut vorstellen, dass weitere Aufgaben von der Saat über die Pflege bis hin zur Ernte hinzukommen werden. So, dass Lohnunternehmer dereinst so etwas wie «Ackerbau-Manager» werden könnten, die über das nötige Wissen sowie die finanziellen und technologischen Möglichkeiten verfügen.

Welche Fähigkeiten muss man mitbringen, wenn man die Geschäfte eines Verbandes mit ambitionierten Zielen führen will?

Natürlich braucht man Kompetenz und Erfahrung, man muss Bescheid wissen über die Landwirtschaft und ein Gefühl für den Berufsstand haben. Dann braucht es manchmal gute Nerven und Flexibilität, Zielstrebigkeit und eine Portion Mut. Und Empathie, die ist wichtig – besonders im Umgang mit einer stark spezialisierten Berufsgattung wie den Lohnunternehmern. Hier ist es vielleicht ein Vorteil, eine Frau zu sein.

Apropos Frauen: Mit der Freiburger Ständerätin und Wirtschaftswissenschaftlerin Johanna Gapany hat der Verband seit August 2024 eine neue Präsidentin. Wie ist die Zusammenarbeit mit ihr angelaufen?

Wir freuen uns sehr, dass sie unsere Präsidentin ist. Die Arbeit mit ihr funktioniert hervorragend. Sie ist sehr gut organisiert und strukturiert und sie versteht es, ihre Punkte zu setzen. Ausserdem ist sie ein Bindeglied in die Westschweiz und in die Politik, das kommt uns entgegen. Im Moment sind wir mitten im «Onboarding» und planen Betriebsbesuche mit ihr.

Auf den sozialen Medien erreicht die junge deutsche Lohnunternehmerin Amelie Gieschen Zehntausende. Gibt es auch in der Schweiz Frauen, die grosse Lohnunternehmen führen?

Mir ist leider keine Kandidatin bekannt – wenn ich jemanden übersehen habe, soll sie sich unbedingt melden. Aber ich möchte ganz klar sagen, dass ich oft mit den Frauen der Lohnunternehmer zu tun habe. Viele von ihnen organisieren das Büro, disponieren und managen den administrativen Teil. Das ist genauso wichtig.

Gemäss dem Ausstellerverzeichnis sind die Schweizer Lohnunternehmer nicht als Aussteller an der Agrama vertreten. Welche Rolle spielen Messen für den Verband und seine Mitglieder?

Bedauerlicherweise sind wir dieses Mal nicht dabei, das hat budget- und arbeitstechnische Gründe. Messen sind aber natürlich generell ein wichtiger Treffpunkt für die Branche, die Agrama im Besonderen. Viele unserer Partner investieren in einen Messeauftritt und es gibt gute Gelegenheiten zum Austausch. Das sollte man schon mit einem Messebesuch honorieren. Also ich bin mit unserer Präsidentin vor Ort!

Was wünschen Sie der Schweizer Landwirtschaft für das kommende Jahr?

Es macht mir und meinen Kollegen Sorgen, dass so fahrlässig mit der Produktivität unserer Flächen umgegangen wird. Wenn gewisse Entwicklungen weitergehen, verlagern wir die Produktion zunehmend ins Ausland, das ist gefährlich. Gleichzeitig haben wir einfach viel zu viel Food Waste. Der muss reduziert werden! Alles in allem wünsche ich mir also wohl am meisten mehr Achtsamkeit und ein verstärktes Bewusstsein dafür, wo unsere Lebensmittel herkommen und was es braucht, um sie zu produzieren.