Der Einsatz des Pflanzenschutzmittels (PSM) Chlorothalonil ist seit Anfang Jahr verboten. Für gewisse Abbauprodukte von Chlorothalonil könne eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden, wird das Verbot begründet. Bislang fehlen aber Studien, die nachweisen, dass die Abbauprodukte von Chlorothalonil (Metaboliten) krebserregende Effekte zeigen.

Grossflächige Belastung

Mitte Mai hat das Bundesamt für Umwelt (Bafu) einen Bericht veröffentlicht. Darin wird eine erste landesweite Einschätzung der Belastung mit Chlorothalonil und dessen Abbauprodukten im Grundwasser vorgenommen.

«Die Konzentrationen mehrerer Chlorothalonil-Metaboliten überschreiten den Grenzwert im Grundwasser des Mittellandes grossflächig und führen somit zu einer erheblichen Verunreinigung», steht im Bericht. Insbesondere die drei Metaboliten R471811, R417888 und R419492 würden das Grundwasser in vielen landwirtschaftlich genutzten Gebieten des Mittellandes grossflächig verunreinigen, heisst es. Da sich das Grundwasser relativ langsam erneuere und die Metaboliten von Chlorothalonil ausgesprochen langlebig seien, geht das Bafu davon aus, dass diese Verunreinigungen die Grundwasser-Qualität noch während Jahren in grösserem Ausmass beeinträchtigen werden.

Relevant oder nicht?

Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) hat aber in einem früheren Bericht genau diese drei Metaboliten als nicht relevant einstuft. Herrscht da Uneinigkeit zwischen den Ämtern oder hat man neue Erkenntnisse erlangt? Klar ist, wird ein Wirkstoff von Pflanzenschutzmitteln, oder dessen Abbauprodukte, als relevant eingestuft, unterliegt er strengeren Grenzwerten, als wenn von einer nicht relevanten Einstufung ausgegangen wird. Relevante Abbauprodukte können biologisch wirksam sein, das heisst, sie können negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben.

Für relevante Metaboliten gelten daher strengere Grenzwerte als für nicht relevante Metaboliten. Der Grenzwert für relevante Abbauprodukte liegt bei max. 0,1 Mikrogramm pro Liter und der Grenzwert für nicht relevante Abbauprodukte liegt bei max. 10 Mikrogramm pro Liter, also 100 mal höher.

SBV erkennt Widerspruch

«Die Kommunikation des Bundes in Sachen Chlorothalonil ist sehr unbefriedigend», heisst es beim Schweizer Bauernverband (SBV) in Brugg, der einen Widerspruch ortet. Das BLV verweise stets auf die EU. «Diese hat aber die Muttersubstanz von Chlorothalonil nicht anders bewertet als früher. Das BLV hingegen hat die Bewertung geändert und damit die Grundlagen für das riesige Problem im Bereich Trinkwasser geschaffen, mit dem wir es heute zu tun haben», heisst es beim SBV.

 

Chlorothalonil nicht nachweisbar

Einem Bericht des Labors Veritas AG in Zürich ist zu entnehmen, dass sich der Wirkstoff Chlorothalonil stark in Bodenpartikel «einsaugt». Im Gegensatz zu seinen Abbauprodukten sei er nicht im Grundwasser nachweisbar.

Die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) habe die Datenlage betreffend Chlorothalonil im Januar neu beurteilt und sei zum Schluss gekommen, dass für Abbauprodukte von Chlorothalonil keine ausreichenden Daten vorliegen, um deren Unbedenklichkeit zu belegen. Sie werden darum vorsorglich neu in der EU wie auch in der Schweiz als relevant eingestuft, was die Ausgangslage für die Trinkwasserversorger massgebend beeinflusst.

 

Könnte krebserregend sein

Auf die Frage, wie so etwas zu erklären sei, dass innert weniger Monate zwei Bundesämter eine derart gegensätzliche Einschätzung publik machen, schreibt das BLV: «Das BLV beurteilt die Muttersubstanz Chlorothalonil als wahrscheinlich krebserregend. Gemäss europäischem Leitfaden, der auch in der Schweiz angewendet wird, gelten aufgrund dieser Beurteilung alle Abbauprodukte als relevant – ungeachtet der Verfügbarkeit von Studien zu Metaboliten, welche einen krebserzeugenden ­Effekt dementieren.»

Der Bauernverband spricht von «einem absurden Mechanismus», dass Metaboliten von Chlorothalonil als relevant eingestuft würden, selbst wenn ­wissenschaftliche Studien das Gegenteil beweisen. Für das BLV ist klar: «Die Ansprüche an unser Trinkwasser sind sehr hoch. ­Daher sind keine Kontaminationen mit Pflanzenschutzmitteln und deren Abbauprodukten erwünscht.» Weitere Ausführungen zur Frage, wie das Amt die gesundheitliche Gefährdung der PSM-Rückstände im Wasser einordnet, gibt das BLV nicht.

Fokus nur auf PSM

Während man beim Herbizid Glyphosat noch aufzeigte, dass durch dessen Rückstände auf Lebensmitteln erst ein täglicher Konsum von 72 kg Teigwaren oder 655 kg Brot zu einer gesundheitlichen Gefährdung führen kann, schweigt sich der Bund beim Trinkwasser aus und überlässt die Wasserversorger sich selbst. Auch zu anderen Substanzen im Trinkwasser, die laut Berichten hoch problematisch seien, wie Industriechemikalien oder das Schmerzmittel Voltaren bleibt es weitgehend ruhig. Der Fokus bleibt vorerst einseitig auf den Pflanzenschutzmitteln und damit auf der Landwirtschaft.