Es galt lange Jahre als ­Vorzeigeprojekt, das Förderprogramm Boden der Berner. Quasi als Vorläufer der mit der AP 14–17 gesamtschweizerisch eingeführten Ressourceneffizienzbeiträge wurden unter anderem ammoniakreduzierte Ausbringverfahren (Schleppschlauch) sowie bodenschonende Anbausysteme unterstützt. Und dazu zählte auch die Massnahme des Pflugverzichts. Beiträge wurden hier aber nur gesprochen, wenn die gesamte Ackerfläche (inklusive Kunstwiesen) eines Betriebs unter Vertrag stand. Und das notabene während der ganzen sechsjährigen Projektdauer.

Sechs Jahre konsequent pfluglos unterwegs

Das Förderprogramm Boden spielte demnach den Befürwortern der Direktsaat in die Karten. Einer von ihnen ist Bernhard Streit, Dozent Verfahrenstechnik im Pflanzenbau an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL in Zollikofen BE. Ziemlich konsequent und engagiert pfluglos sei man während der Zeit dieses Förderprogramms Boden im Kanton Bern unterwegs gewesen, erinnert sich Streit. «Dann kam der Pflanzenschutzmittelverzicht in den Fokus und nun zieht das Ganze ziemlich vehement in die andere Richtung», erklärt er. Wenn man nach einem Gewitter ums eigene Haus Kartoffeln finde, und der nächstgelegene Acker befinde sich einen Kilometer entfernt, «dann haben wir ein Problem», so Streit und dieses nenne sich Erosion.

Der Pflug erlebt wieder einen Aufschwung

Sechs Jahre hatte man also im Kanton Bern den pfluglosen Anbau gepredigt. An mehreren jährlich stattfindenden Weiterbildungsanlässen wurde den Bauern die Direktsaat geradezu nahegelegt. Glyphosat und Co. schienen damals noch kaum ein Problem darzustellen. Dann folgte der Paradigmenwechsel. Die Bodenschutzfachstelle des Kantons Bern schien von aussen betrachtet an Einfluss zu verlieren. Und davon musste die Pflanzenschutzfachstelle profitiert haben.

Pflanzenschutzmittel rücken in den Fokus

Das Förderprogramm Boden endete 2015 und ging fast ohne Lücke in ein neues Projekt über. Das Amt für Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern lancierte zusammen mit dem Berner Bauernverband und dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) das Berner Pflanzenschutzprojekt. Bezeichnetes Ziel: Die Verminderung von Nebenwirkungen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Hauptziel sei es, die Belastungen in Gewässern zu reduzieren. Für den Bewirtschafter heisst das: Herbizid-, Insektizid- und Fungizideinsatz vermindern. Dem Ganzen geben natürlich auch die aktuellen Initiativen entsprechend Aufschwung.

Jowa will ab 2023 nur herbizidfreien Weizen

Der Markt lässt mit Forderungen und Versprechen auch nicht auf sich warten. Bis 2023 soll von der Jowa nur noch Getreide aus komplett pestizidfreiem Anbau eingesetzt werden. Aktuell ist IP-Suisse auf der Suche nach Produzenten. Die gemachten Erfahrungen seien besser als erwartet, tönt es von verschiedenen Seiten. Aber einhellig ist auch eine Aussage zu hören, nämlich: «Die Folgeverunkrautung ist ein Problem!» Was es dann braucht, ist klar. Soll der Herbizideinsatz weiterhin möglichst tief gehalten werden, ist das Problem nur mit Bodenbearbeitung zu lösen. Der Pflug boomt. Erhebungsstellenleiter beobachten, dass dieser teilweise mehrmals jährlich auf derselben Fläche zum Einsatz kommt. Auch der Striegel ist vermehrt unterwegs. Dieser sollte zumindest in der Hauptbrutzeit der Bodenbrüter, wie Feldlerche oder Feldhase allerdings nicht eingesetzt werden, denn sonst sind alle Bemühungen im Ackerbau zugunsten des Hasen für die Füchse. «Mit einem Striegel zerstören wir die Nester der Bodenbrüter», erklärt Bernhard Streit.

Bundesamt empfiehlt Direktsaat oder Verzicht auf Hackfrüchte

Das BLW rät auf einem 72 Seiten umfassenden Merkblätter-Set unter anderem zur Einschränkung oder Aufgabe des Anbaus von Hackfrüchten und den daraus resultierenden Ersatz durch Kunstwiesen. Diese sind aber nur mit Wiederkäuern nutzbar, was derzeit insbesondere von linksgrüner Seite politisch stark unter Druck gerät. Der Tierbesatz sei zu hoch in der Schweiz, der daraus entstehende Gülleanfall ein Problem. Direktsaat ist auf diesen 72 Seiten des Bundes eine weitere Empfehlung, um Erosion entgegenzuwirken. Damit gefährdet man die inländische Produktion von Kartoffeln und verlagert die Produktion samt der Probleme einfach ins Ausland. «Direktsaat vollständig ohne Herbizid geht nicht, auch wenn diese mit dem Einbezug von Gründüngungen stark reduziert werden können»», erinnert Streit und: «Wenn wir in steilen Gebieten Ackerbau machen, besteht bei Pflugeinsatz unweigerlich die Gefahr von Erosion.» Also bräuchte es Herbizid. Hier schliesst sich der Kreis der Ansprüche und beisst sich kräftig in den eigenen Schwanz.

Zahlungen sollen lenken und wirken wie Magnete auf die Bauern

Die Ansprüche im Ackerbau sind vielfältig. Erosion, Pflanzenschutz, Bodenbrüter, Markt und Initiativen ziehen in ganz unterschiedliche Richtungen. Um die Bauern zu erziehen, und in gewisse Richtungen zu lenken, entstanden und entstehen noch Programme, zu denen auch das Förderprogramm Boden oder das Pflanzenschutzprojekt zählen. «Diese Zahlungen wirken auf die Landwirte wie Magnete», erklärt HAFL-Dozent Streit. Er würde es aber begrüssen, wenn die Bauern sich wieder vermehrt mit ihrem Standort auseinandersetzen, den sie bewirtschaften und sich damit verbunden auch die Frage stellen würden, ob die Produktionsform tatsächlich zum Betrieb und zum Betriebsleiter passen. Für ihn ist klar: «Es wird fachlich anspruchsvoll.» Und wie es dieses Wort bereits besagt, die Ansprüche werden nicht kleiner und die Zielkonflikte kaum verschwinden.