Kleine Ursache, grosse Wirkung. Tag für Tag kaufen hunderttausende Autofahrer und Autofahrerinnen in langen Kolonnen ihr frisch gebackenes Gipfeli oder Brötli für das Zmorge, Znüni, Zvieri im Tankstellen-Shop. Im Shop steht der Aufback-Ofen und der wird fleissig alle paar Minuten mit gefrorenen Gipfeli aus dem Tiefkühler gefüllt.
Die Wege der Tiefkühl-Teiglinge
Ununterbrochen fahren Kolonnen von Tiefkühl-Lastwagen über die Autobahnen und Strassen und füllen die Tiefkühler der Tankstellen, Shops, ja sogar der Restaurants mit Tiefkühl-Teiglingen aller Art. Die Lastwagen laden die Tiefkühl-Teiglinge in riesigen Fabriken, wo rund um die Uhr Gipfeli, Brötli und so weiter über unendlich lange Förderbänder in die Tiefkühllager laufen. Einige solcher Fabriken stehen in der Schweiz, aber mehr und viel grössere im nahen Ausland.
Dass die Schweizerinnen und Schweizer Aufback-Gipfeli und andere Aufback-Znüni heiss lieben, sieht man unterdessen deutlich in der Statistik. 2002 karrten die Tiefkühllastwagen rund 35 00 Tonnen gefrorene Backwaren in die Schweiz, letztes Jahr waren es schon – je nachdem, wie viele sogenannte Zollkapitel man zusammenzählt – 100 00 oder laut Bundesamt für Landwirtschaft sogar 120 00 Tonnen. Das ist ziemlich viel Brotgetreide, das da tagtäglich in Form von tiefgefrorenen Teiglingen über die Autobahn in die Schweiz rollt.
Müller verlieren Bäckereien als Kunden
Kürzlich klagte mir ein Müller, dass er weniger Bäckereien mit Mehl beliefere, weil einige endgültig geschlossen hätten. Wenn er jedoch Mehl liefere mit seinem Lastwagen, sehe er auf der Fahrt immer mehr neu eröffnete Tankstellen-Shops, sogar in Dörfern wo soeben die Bäckerei ihre Türe für immer dicht gemacht hat. So verliere er als Müller ständig Bäckereien als Kunden, denn an die Tankstellen-Shops liefert er kein Mehl. Kleine Bäckereien schliessen still, grössere mit viel Lärm, weil Personal entlassen wird. Die Folge ist, dass die Mühlen weniger Mehl verkaufen. Logisch, dass sie auch weniger Schweizer Brotgetreide von Schweizer Getreidebauern kaufen. Vor zehn Jahren wurde noch die Hälfte des Brotes, heute noch ein Drittel von gewerblichen Bäckereien verkauft.
In Form von Güetzi wird Brotgetreide exportiert
Was man in der Statistik deutlich sieht, ist der steigende Export von Getreide. 2007 wurden noch 1080 Terrajoules Getreide exportiert, 2016 waren es schon 1341 Terrajoules. Das so spedierte Schweizer Getreide wird in Form von fertigen Kuchenteigen oder noch stärker verarbeitet in Form von feinen Biscuits exportiert. Auch hier fahren wieder lange Lastwagen-Kolonnen über die Autobahn mit Güetzi und exportieren so in Getreide umgerechnet jährlich 50 00 Tonnen gutes Schweizer Brotgetreide in Form von Backwaren ins Ausland.
So läuft halt die Welt, denkt man. Es werden zwar mehr Brotgetreide-Produkte importiert, aber es wird auch mehr exportiert, was soll das? Nur leider verwenden die Hersteller von Exportgüetzi das Schweizer Brotgetreide nicht aus reiner Liebe zu den Schweizer Getreidebauern, sondern weil sie dafür im Rahmen des Schoggigesetzes jährlich rund 16 Millionen Franken für das exportierte Güetzi kassieren. Diese Summe gleicht ungefähr die Differenz zwischen Schweizer und Weltmarktpreis beim Brotgetreide aus. Das Geld für den Export von 50 00 Tonnen Schweizer Brotgetreide kommt zum grössten Teil von den Bauern. Schweizer Brotgetreide liegt ja genug in den Lagern. Erst kürzlich hat der Schweizer Getreideproduzentenverband über 22 00 Tonnen Schweizer Brotgetreide zu Futter deklassiert. Leider ist es so, dass die Schweizer Getreidebauern das Deklassieren wie auch den Export zum allergrössten Teil aus ihrer eigenen Tasche bezahlen in Form von Abzügen.
Werbung für Schweizer Brot fruchtet kaum
Im November 2018 beschlossen die Delegierten des Schweizer Getreideproduzentenverbandes Abzüge von 4 Franken und 63 Rappen je 100 Kilo Brotgetreide für die Deklassierung und für die Exportsubventionierung in Form von Güetzi und Co.
Die Getreideproduzenten bezahlen für den Export von 50 00 Tonnen, nur leider steigt der Import von gefrorenen Teiglingen unaufhörlich. Um das zu stoppen, macht der Verein "Schweizer Brot" Werbung für Schweizer Brot. Nur hat das offenbar nicht den durchschlagenden Erfolg. Da bleibt den Schweizer Getreideproduzenten nichts anderes übrig, als weiterhin brav den Export zu subventionieren. Oder sie steigen auf Nischen um wie Quinoa, Emmer, Einkorn und neuestens Reis. Oder sie führen selber einen Tankstellen-Shop und verkaufen Znüni.