Es gibt einen grundsätzlichen Unterschied zwischen transgenen und cisgenen Pflanzen. Bei Ersteren werden artfremde Gene eingeschleust, z. B. eine bakterielle Herbizidresistenz oder der Code für die Produktion eines Gifts, das die Pflanze vor Insektenfrass schützt. Zu den Auswirkungen transgener Pflanzen hört und liest man viel Negatives. Auf Feldern mit herbizidtoleranten Kulturen werde mehr gespritzt, bis das Unkraut auch resistent wird. Es gebe Probleme mit Ausfallpflanzen, die kaum mehr kleinzukriegen sind. Giftiger Pollen werde vom Wind verfrachtet und stelle eine Gefahr für Schmetterlinge dar. Kurz: Ein Albtraum, in dem gentechnisch veränderte Organismen (GVO) komplett aus dem Ruder laufen könnten.
Künstlich hergestelltes, natürliches Produkt
Von selbst gelangen Bakteriengene nicht in Nutzpflanzen. Transgene Pflanzen sind somit ein künstlich hergestelltes, künstliches Produkt. Anders sieht es bei cisgenen aus: Hier fügt man Gene aus derselben oder einer kreuzbaren Art ein. Das Resultat ist beispielsweise ein Gala-Apfel, mit der Resistenz gegen Feuerbrand einer wilden Apfelsorte. Man könnte diesen Baum als ein künstlich hergestelltes, natürliches Produkt bezeichnen, denn es hätte auch durch die spontane Kreuzung der beiden Sorten entstehen können. Oder durch jahrelanges Kreuzen und Selektionieren in der Pflanzenzucht, wo es 15 bis 20 Jahre bis zu einer neuen Apfelsorte dauert, um bei diesem Beispiel zu bleiben.
Das, was die klassische Zucht durch gezieltes Bestäuben mit passendem Pollen so langwierig macht, sind all die Gene, die unweigerlich mitwandern. Man hofft darauf, einen bestimmten Abschnitt des Erbguts (z. B. eine Resistenz) vom Wildapfel in den Tafelapfel zu bekommen. Ist das geschafft, bleibt zu überprüfen, was sonst noch im Paket dabei war: Sind die Früchte noch immer gross und süsslich? Es folgt jahrelanges Rückkreuzen, bis alles passt.
Gala, aber resistent
Cis-Gentechnik bietet hier eine attraktive Schnellstrasse. Forschende wählen ein passendes Gen aus und fügen nur gerade das ins Erbgut unseres Gala-Apfels ein. Bei älteren Methoden beschoss man die Pflanzenzellen mit Erbgut-Schnipseln (Gen-Kanone) oder liess diese von einem Bakterium einschleusen. Wo das Stück im Erbgut der Zielpflanze zu liegen kam, war Zufall. Man konnte nur hoffen, dass nicht ein wichtiger Abschnitt dadurch unterbrochen wurde. Hier kommt die Genschere Crispr/Cas ins Spiel. Mit dieser Methode ist es möglich, nicht nur das einzufügende Gen zu bestimmen, sondern auch eine passende Stelle dafür. So kommt man dem feuerbrandresistenten Gala mit Siebenmeilenschritten näher.
So naturähnlich die Produkte cisgener Methoden sind, ohne Fallstricke sind sie nicht. Das Erbgut ist enorm komplex und wie einzelne Abschnitte zusammenwirken, schwer zu verstehen. Lange glaubte man, was nicht für ein Protein codiert, sei überflüssig und nutzlos. Eine Ansicht, die revidiert werden musste. Wo wäre also die beste Stelle für die Resistenz, damit Gala wirklich Gala bleibt – mit allem was dazugehört und dem Extra seines wilden Verwandten?
Das Ziel ist zu hinterfragen
Ausserdem lohnt es sich auch bei der Cisgenetik, nach dem Ziel zu fragen. Denn auch mit pflanzeneigenen Genen kann man eine Herbizid-Resistenz basteln. Das muss solange kein Problem sein, wie die GVO-Pflanze in einer vielfältigen Fruchtfolge wächst. Denn ebenfalls resistentes Unkraut entsteht dort, wo über lange Zeit dasselbe Herbizid eingesetzt und damit ein hoher Selektionsdruck erzeugt wird. In diesem Prinzip unterscheidet sich eine Landwirtschaft mit GVO nicht von einer ohne. Bleibt die Frage, ob es nicht auch ohne Herbizid ginge.
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Es geht mit und ohne
Nein, ein Wundermittel ist die Gentechnik nicht. Aber brauchen wir GVO? Wollen wir GVO?
Ein gewöhnlicher Gala-Apfel kann trotz seiner Anfälligkeit auf Feuerbrand in einem sorten- und artenreichen Obstgarten gedeihen. Herbizid-resistente Kulturen ermöglichen die bodenschonende Direktsaat, aber die Wirkstoffe können bei unsachgemässem Einsatz die Biodiveristät schädigen. Wäre Kraut- und Knollenfäule dank cisgenen Kartoffeln kein Problem mehr, könnte man Pflanzenschutzmittel einsparen – genauso, wenn sich transgene Ackerpflanzen selbst vor Schädligen schützen könnten. Aber die Evolution läuft weiter, Krankheitserreger und Schädlinge passen sich an und Resistenzen können durchbrochen werden. Und welche Insekten wären (indirekt) von der neuerdings für sie giftigen Pflanze betroffen?
Es lohnt sich, genau hinzuschauen und nicht alles, auf dem «Gentechnik» steht, mit spitzen Fingern möglichst schnell schubladisieren. Denn uns läuft die Zeit davon für Antworten in Sachen Pflanzenschutz, Klimawandel und ausreichender Produktion. GVO können ein Teil einer Lösung sein – aber nur in einem angepassten Anbausystem.