Wer übers Land fährt, stellt bald fest, die Schweiz hat zwar ein Landwirtschaftsgesetz, ein Gewässerschutzgesetz, eine Direktzahlungsverordnung, deren Umsetzung in den verschiedenen Regionen ist allerdings nicht dieselbe. Es sieht aus, wie wenn der Lehrer 26 Schülern sagt, sie sollen einen Mensch zeichnen. Während der eine mit fünf Linien ein Strichmännchen macht, malt der andere eine Mona Lisa. Umsetzung und Kontrolle der vom Bund verordneten Regeln sind kantonal und da scheint es nach dem Motto zu gehen «Nimm meine Augen und schau». Deutlich zu sehen bei den Veterinärämtern, welche die oft unpräzisen Formulierungen des Bundes entweder millimetergenau auslegen oder mehr so als Empfehlung sehen, die dann mal in Zukunft anzustreben wäre. Beim Gewässerschutz zeigt ein Blick auf die Misthaufen der Nation, dass nicht jeder Kanton mit gleichen Ellen misst.
Kantonale Vernetzungsprojekte nach Copy-Paste
Wenn es Zeit ist, Ökoheu zu mähen, treten auch die Unterschiede beim ökologischen Engagement zutage. Geht es um BFF-Flächen, kommen nämlich Vernetzungsprojekte zum Tragen und davon gibt es beispielsweise alleine im Kanton Luzern 55. Ihr Zweck ist gut gemeint, sollen doch regionale Besonderheiten berücksichtigt und lokale Arten gefördert werden. Doch wer definiert diese und wie sollte das kontrolliert werden? Und wie soll der Landwirt in diesem Dschungel aus Vorschriften und Empfehlungen den Überblick behalten? Da scheint es ein Glücksfall, sind viele Vernetzungsprojekte in Ermangelung von Zeit, Wissen und Interesse im Copy-Paste-Verfahren entstanden.
Es braucht mehr als einen geregelten Schnitttermin
Und trotz aller Vielfalt, obwohl viele Köche am Vernetzungsbrei mitkochten, die Resultate sind vielerorts ernüchternd. Das Insektensterben geht weiter, Singvögel singen ihr letztes Lied und so schön wie früher wollen die Matten trotz aller Auflagen nicht blühen. Was blüht, ist die Bürokratie rund um die Regulierungsmonster. Das Problem: definiert ist nur, für wie viele Steinhaufen es wie viele Franken gibt. Was genau damit überleben oder gar gefördert werden soll, wird weder definiert noch kontrolliert. Dass es für eine schöne Blumenwiese viel mehr braucht als einen geregelten Schnitttermin und dass der sicher nicht schweizweit am gleichen Tag sein darf, das sollte wissen, wer schon einmal mit der Natur gearbeitet hat. Zwar dürfen einige nur mit dem Balkenmäher oder der Sense mähen, andere haben eine Schnitthöhe vorgegeben, einige müssen fünf Prozent Rückzugsfläche stehen lassen, andere zehn. Einige dürfen silieren, andere nur heuen, die einen dürfen im Herbst weiden, andere einen, zwei oder noch drei Schnitte machen, doch wozu?
Was interessiert, dafür setzt man sich ein
Müsste man nicht stattdessen sagen: «Wir sehen, auf deinem Land wohnen Wiesel, sorge dafür, dass die in zehn Jahren noch hier leben und wir bezahlen dir jährlich tausend Franken»? Noch besser wäre, die Idee käme vom Landwirt, denn was ihn interessiert, dafür wird er sich einsetzen. Interessiert sich einer nicht für Blumen, wird er mit den besten Beratern und Saatmischungen keine Blumenwiese hinbekommen. So ist die Beteiligung an den BFF II mau. Man hat sie oder nicht. Aber es weiss kaum jemand, wie eine BFF I zu einer BFF II wird.
Selbstbestimmung statt ein System gegenseitigen Misstrauens
Viel zu sehr ist das System darauf ausgelegt, Schlupflöcher zu finden oder zu stopfen, einen sowieso tot daliegenden Baum als Ökomassnahme zu verkaufen oder ein paar Kontrolleure anzustellen, die überwachen, dass kein Motormäher vor Mitternacht des 15. Juni surrt. Es ist ein System gegenseitigen Misstrauens. Genau wie in jeder Schulklasse gibt es unter den Kantonen Streber und diejenigen, welche sich durch jede Prüfung mogeln. Aussuchen kann es sich kein Landwirt, in welchem Kanton er lebt. Störend sind die daraus entstehenden Ungleichheiten. Gerade wenn es um den Gewässerschutz geht, können diese schnell viel Geld kosten. Schlussendlich gehen alle Gewässer den Bach runter und am Schluss steht die gesamte Landwirtschaft dafür gerade. Die Motivation der Landwirtschaft wäre grösser, könnte sie selbstbestimmter agieren und sich ihren Stärken widmen. Stattdessen muss sie teils unsinnige und ungerechte Massnahmen umsetzen und weiss schon im Voraus, erstens werden es nicht alle gleich machen und zweitens bräuchte es eigentlich an diesem Standort etwas anderes. Landwirte sind Fachleute. Niemand kennt ihre Felder, Böden und Tiere besser als sie selbst. Dabei Unterstützung bieten, beraten und vor allem die Erfolge anschauen, wäre zielführender als die Fehlersuche und das Abstrafen. Damit könnte man Ressourcen für den Fortschritt nutzen, statt für Bürokratie und Kontrollen.