Der Schweizer Obstverband stellte für 2024 beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen 26 Anträge für Notfallzulassungen, neun davon wurden nicht bewilligt. Zu den bewilligten gehörten Mittel mit dem Wirkstoff Acetamiprid zur Bekämpfung von Baum-, Frucht- und Weichwanzen im Obst- und Beerenanbau.
WWF- und Birdlife-Beschwerde
Aufgrund einer Beschwerde von WWF und Birdlife hat das Bundesverwaltungsgericht Ende Mai in einer Zwischenverfügung verordnet, dass die Obstbauern Mittel mit dem Wirkstoff Acetamiprid wie Gazelle SG, Barritus Rex, Oryx Pro und Pistol bis auf Weiteres zur Bekämpfung der Baumwanzen nicht mehr einsetzen dürfen.
WWF und Birdlife begründen die Beschwerde damit, dass die Zulassungsstelle fünf Jahre in Folge dieselbe Notfallzulassung für Acetamiprid gegen die Marmorierte Baumwanze erteilt habe. Bisher sei kein Antrag auf ordentliche Zulassung gestellt worden. «Damit wird das ordentliche Zulassungsverfahren umgangen», so Jonas Schmid vom WWF. Bei der Notfallzulassung werde das Risiko für die Umwelt höchstens oberflächlich geprüft. Im ordentlichen Verfahren würde aber eine ordentliche Gesundheits- und Umweltprüfung erfolgen.
Alternativen mit Spinosad
Im ordentlichen Verfahren warten schon 700 Mittel auf eine Zulassung. Der Zulassungsstau ist legendär. Aufgrund fehlender Ersatzprodukte steigt das Risiko für Resistenzbildungen und Ernteausfälle. Letzteres ist aufgrund der Baumwanzen programmiert. Von den alternativen Produkten wie Audienz, Biohof Audienz, Elvis oder Bandsen ist niemand begeistert. Sie enthalten den Wirkstoff Spinosad und sind weit weniger wirksam. Das hat Agroscope in einer Studie festgestellt. Auch wird das Anwendungsspektrum von Spinosad ständig erweitert, sodass die Resistenzgefahr steigt. Spinosad gilt zudem als stark bienengefährlich.
Keine Stellungnahme vom Obstverband
Es war ein Novum, dass das Bundesverwaltungsgericht eine Notfallzulassung via Zwischenverfügung stoppte. Auf Nachfrage beim Schweizer Obstverband, der den Antrag für die Notfallzulassung gestellt hatte und demzufolge rekursberechtigt ist, heisst es: «Wir haben Kenntnis darüber, dass gegen die besagte Notfallzulassung nach Art. 40 PSMV für vier Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Acetamiprid zur Bekämpfung von Wanzen eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht wurde. Aufgrund des laufenden Verfahrens können wir Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt keine weitere Stellungnahme abgeben.»
Keine weitere Beschwerde
Man wartet also auf den definitiven Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts. Die Produzenten sind auf sich selbst angewiesen. Die Pflanzenschutzfirmen hoffen, dass die Totalrevision der Pflanzenschutzverordnung eine Harmonisierung mit dem EU-Recht bringen könnte. In Deutschland ist nämlich Acetamiprid zur Bekämpfung von Baumwanzen zugelassen.
Zumindest der WWF gibt sich konziliant. Auf die Frage, ob weitere Beschwerden gegen Allgemeinverfügungen zu Notfallzulassungen geplant seien, antwortet Jonas Schmid: «Nein, wir wissen, dass sich ändernder Schädlingsbefall eine schnelle Reaktionsfähigkeit von Produzenten und Produzentinnen erfordert.»