«Das Jordan-Virus ist ein Organismus, auf den wir definitiv nicht gewartet haben. Seine Widerstandskraft und seine schnelle globale Verbreitung machen ihn zu einer ernsthaften Gefahr für die Gemüsebranche.» Mit diesen Worten eröffnete Florian Sandrini, Leiter des Kantonalen Pflanzenschutzdienstes Thurgau, die Pflanzenschutz-Fachtagung vom Arenenberg. Die am 20. Januar 2022 online durchgeführte Veranstaltung widmete sich ganz dem neuartigen Virus.

Betroffen sind Tomaten und Peperoni

Das «Brown Rugose fruit Virus» (ToBRFV) trat erstmals 2014 in Israel auf und wurde im darauffolgenden Jahr auch in Jordanien festgestellt, was ihm zum geläufigen Namen «Jordan-Virus» verholfen hat. Dieser Schadorganismus befällt in erster Linie Tomaten und Peperoni. Zudem ist auch Tabak betroffen und kommt somit als Überträger (z. B. in Zigaretten) in Frage. Die Kartoffel jedoch gilt nach heutigem Stand des Wissens nicht als Wirtspflanze des Jordan-Virus'. Dieses ist sehr persistent, bleibt bis zu fünf Jahre im Boden aktiv und verbreitet sich über die Wurzeln der Pflanzen.

Das Virus kann grosse Schäden anrichten. Die befallenen Tomaten- oder Peperonipflanzen weisen verschiedene Merkmale auf, beispielsweise gelbliche Blätter oder eine typische, mosaikartige Fleckenbildung. Auch treten manchmal dunkle Flecken an Blütenkelchen, Frucht- und Blattstielen auf. In manchen Fällen weisen die Früchte eine unregelmässige Reifung mit gelben oder braunen Flecken auf und sind möglicherweise deformiert. «Es ist jedoch schwierig, nur anhand von Merkmalen auf das Jordan-Virus zu schliessen. Vielmehr hat sich gezeigt, dass die Symptome häufig unscheinbar und von der Sorte abhängig sind», betonte Philipp Trautzl, Gemüsebauberater am Arenenberg.

Erster Fall in der Schweiz

In Europa trat das Jordan-Virus erstmals im Herbst 2018 in Deutschland auf. Seither häufen sich die Befallsmeldungen weltweit. In der Schweiz wurdeerstmals im letzten Sommer ein Ausbruch nachgewiesen. Der betroffene Betrieb im Kanton Thurgau wird vom kantonalen Pflanzenschutzdienst bei der Umsetzung der Massnahmen begleitet. Diese beinhalten unter anderem das Verbrennen der Pflanzen und die konsequente Desinfektion der Anlage. «Ziele sind sowohl die Tilgung desVirus' wie auch das Überleben des Betriebes», hielt Florian Sandrini fest.

Da das Jordan-Virus als potenzieller Quarantäneorganismus gilt, ist es somit melde- und bekämpfungspflichtig. Seit Anfang 2020 ist in der Schweiz ein neues Pflanzengesundheitsrecht in Kraft, bei dem besonders auf Prävention und direkte Bekämpfung geachtet wird.«Es ist wichtig, so früh wie möglich einzugreifen, um die Schäden gering zu halten», sagte Christina Sann vom eidgenössischen Pflanzenschutzdienst. Dazu gehört beispielsweise seit 2021 eine striktere Form des Pflanzenpasses. Dieser soll gewährleisten, dass sämtliche Anpflanzungen aus amtlich kontrollierter Produktion stammen, und ermöglicht zudem die Rückverfolgbarkeit.

Es gibt viele potenzielle Überträger

Trotz strenger Richtlinien kann es zu einem Befall mit dem Jordan-Virus kommen. Im Thurgauer Fall konnte die Infektionsquelle nicht eruiert werden. «Es ist unter den hiesigen Umständen jedoch davon auszugehen, dass das Virus mit Pflanzenmaterial eingeschleppt wird», sagte Sandrini.

Auch der Niederländer Joris Mulders, Berater für Gewächshausgemüse bei der Firma Delphy, schätzt das Risiko von Pflanz- und Saatgut als Übertragungsquelle als besonders hoch ein. «Auch Unterlagen, Spinnmilben und alle möglichenMaterialien, die ins Gewächshaus gelangen, sind potenzielle Überträger», sagte Mulders in seinem Referat. Sogar frische Früchte aus dem Supermarkt, die Mitarbeitende zur Verpflegung dabei haben, würden ein Risiko darstellen. Vor diesem Hintergrund könne er die Wichtigkeit der Prävention nicht genügend betonen. Dies beginne bereits bei den Handschuhen, die bei jeder Reihe gewechselt werden sollten. «Die Hygiene muss sehr sorgfältig und konsequent eingehalten werden.» Und auch beim leisesten Verdacht auf einen Befall müsse dieser ausgesprochen werden, so Mulders.

Vorbeugende Massnahmen

  • Konsequente Hygiene (auch Reinigung von Werkzeug,z. B. Scheren).
  • Pro Abteil eigene Werkzeuge und Geräte, Desinfektionmit Menno Florades im Tauchbad.
  • Personal nach Abteilungen einteilen.
  • Konsequentes Kleidungsregime, evtl. mit Farben nach Wochentagen. Waschmaschinen auf dem Betrieb.
  • Fortlaufende Schulung und Sensibilisierung des Personals. Ständig ermahnen, auch wenn nach einiger Zeit die Disziplin nachlässt.
  • Auf Tomaten (anderer Unternehmen) beim Mittagessen verzichten.
  • Schleusen für externe Besucherinnen
  • Fussmatten (mit Menno Florades getränkt) bei allen Eingängen und Übergängen in andere Abteile, Handdesinfektion
  • So wenig Material wie möglich ins Gewächshaus einführen, keine Holzpaletten, möglichst Kartonschachteln verwenden.
  • Evtl. vorsorgliche Tests mit Jungpflanzenlieferanten vereinbaren (satzweise).
  • Evtl. Versicherung gegen Quarantäneorganismen in Betracht ziehen.