«Ich habe vor einigen Woche den zweiten Schnitt der Luzernewiese gemäht und wurde von über 30 Störchen und etwa 20 Mäusebussarden begleitet, die sich den Bauch mit Insekten und Mäusen vollschlugen», erzählt Peter Rüegg.
Für den Biobauern aus Agasul ist Biodiversität eine Herzensangelegenheit. Umso mehr ärgert ihn der Paragrafendschungel für Biodiversitätsförderflächen, der Landwirten wenig Freiraum lässt (siehe Kasten). Zudem stört sich Peter Rüegg am mangelnden Vollzug der Artenförderung und Neophytenbekämpfung auf Gemeindeebene.
Neophyten aus Privatgärten
Peter Rüegg konnte 2023 von der Stadt Illnau-Effretikon eine QII-Fläche pachten. Nur sind von dieser Fläche elf Aren von eingewachsenem Wald und Neophyten aus illegalen Privatgärten bedeckt. Bei einer Begehung mit den Verantwortlichen von Illnau-Effretikon und dem Revierförster wurden Lösungen gesucht. Die Pflanzen, darunter viele Neophyten, sollten gerodet werden und im Rahmen eines Naturschutzprojektes eine Naturhecke zwischen den Privatgärten und seiner Pachtparzelle gepflanzt werden. So schildert Rüegg die mündliche Vereinbarung nach der Begehung.
«Es war klar, dass die Stadt gegen die illegalen Gärten vorgehen müsse und zum damaligen Zeitpunkt auch, dass sie das tun werde», erinnert sich Rüegg. Doch geschehen ist nichts. Die einen Nachbarn würden vorbildlich ihre Hecke auf die Grenze der Freihaltezone zurückschneiden, bei anderen wachse Kirschlorbeer mehrere Meter in die Wiese hinein. «Eine Hecke wäre eine gute Lösung gewesen, die hätte ich von meiner Seite aus pflegen können», sagt Rüegg. Er beschwerte sich bei der Gemeinde, dass sie ihrer Verantwortung auf dem gemeindeeigenen Land nicht nachkommen würde.
Stattdessen stellte ihm die Gemeinde einen Nachtrag zum Pachtvertrag zu, gemäss welchem die von Gartennutzung betroffenen Bereiche des Pachtlands ausgeklammert wären. Auch solle Peter Rüegg den Bewuchs in der Freihaltezone tolerieren. «Die Stadtgemeinde setzt die Neophytenbekämpfung bei den meisten Privatgärten nicht durch», kritisiert Rüegg und tönt dabei verbittert.
Er nahm sich einen Anwalt. Das kam bei der Stadt schlecht an. «Sollte Herr Rüegg mit unserem Vorgehen und dem Nachtrag nicht einverstanden sein, bieten wir ihm eine Vertragsauflösung im gegenseitigen Einvernehmen per sofort an, natürlich unter Entlassung aus dem Pachtzins», stand im Antwortschreiben der Stadt. Rüeggs Anwalt, Raphael Meyer von der Anwaltskanzlei Niklaus Rechtsanwälte, antwortete am 6. Dezember 2024, dass dieser einseitige Nachtrag nicht akzeptiert werde und dass man auf die Einhaltung des Ende 2022 abgeschlossenen Pachtvertrags bestehe. «Zudem verlangten wir, dass die Stadt ihrer Verantwortung als Baupolizei nachkommt. Auf dieses Schreiben haben wir bis heute keine Rückmeldung mehr erhalten», sagt Rechtsanwalt Meyer. Ein Antwortschreiben der Stadt wird es auf Nachfrage der BauernZeitung nicht geben. «Die Stellungnahme würde die in der bisherigen Korrespondenz festgehaltenen Standpunkte und Angebote nochmals bestätigen», sagte Jasmin Lempert, Fachverantwortliche Immobilienbewirtschaftung Stadt Illnau-Effretikon.
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Kündigen ist keine Option
«Eine Pachtfläche kann vom Verpächter doch nicht alle zwei Jahre verkleinert werden, weil die Anstösser ihren Garten ungehindert wachsen lassen», bringt es der Biobauer auf den Punkt. Auch ginge ihm bei einer Pachtauflösung jegliches Recht verloren, den Zustand des Pachtlands gegenüber der Stadt zu beklagen. Peter Rüegg findet, dass Illnau-Effretikon mit dem Untätigsein gegenüber den Neophyten und gegen deren weitere Verschleppung ihre Pflichten vorsätzlich vernachlässige.
Jasmin Lempert sagt: «Der Spielraum der Gemeinde, in Bezug auf die Verhinderung der Verbreitung invasiver Arten im Privatraum ist sehr gering.» Dabei präzisiert sie: «Die Freisetzungsverordnung besagt, dass invasive Arten nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen. Die Verordnung wurde per 1. September 2024 verschärft. Darin gibt es jedoch keine Bekämpfungspflicht, der Vollzug der Freisetzungsverordnung ist Sache der Kantone.» Auch sei im Umweltschutzgesetz (USG) nicht klar geregelt, ob die Kantone die Bekämpfung im Privatbereich überhaupt verordnen können. Die Vernehmlassung zur Präzisierung des USG in dieser Hinsicht laufe aktuell. Peter Rüegg insistiert, dass diese Parzelle ja der Stadt gehöre und diesbezüglich sei Illnau-Effretikon in der Pflicht. Er ist zudem im Rahmen der Direktzahlungsverordnung verpflichtet, invasive Pflanzen zu bekämpfen.
80 Stunden Handjäten
Doch für ihn wird dies zur Sisyphosarbeit. Um das Berufkraut auf dieser Parzelle auszurotten, jätete Rüegg inzwischen um die 80 Stunden. 2023 bekam er dafür eine einmalige Entschädigung von Fr. 600.–, aber 2024 nichts mehr. Laut Jasmin Lempert 2023 hat die Stadt vom Pächter eine Auflistung seiner Mehraufwendungen erhalten. Aufgrund dessen sei aus Kulanz in Anerkennung der geleisteten Arbeit 2023, die oben erwähnte Pauschale entrichtet worden. «Seither wurden durch den Pächter keine weiteren Aufwendungen an die Stadt gemeldet», so Lempert.
Auf sich zurückgeworfen, meldete Rüegg den Sachverhalt via Mail dem Strickhof, dem ZBV, dem Amt für Landschaft und Natur (ALN) und dem BLW. In Absprache mit dem Strickhof antwortete das ALN unter anderem: «Wenn Sie letztes Jahr für das Jäten des Berufkrauts von der Stadt Illnau-Effretikon entschädigt wurden und dieses Jahr nicht mehr, dann sollten Sie dies mit einem Verantwortlichen der Stadt klären. Die Stadt ist auch zuständig für ‹illegal› erstellte Gärten.»
Niemand verantwortlich
Auf sich allein gestellt, sagt Peter Rüegg: «Niemand fühlt sich verantwortlich.» Er kommt zum Schluss: «Offenbar wollen die Verantwortlichen gar nicht, dass die Landwirtschaft punkto Biodiversität Fortschritte erzielt, denn so können sie es uns immer wieder unter die Nase reiben.» Dabei verweist er auf das Amt für Landschaft und Natur des Kantons Zürich, das im Gossauer Riet 65 ha besten Ackerlandes vernässen und für die Biodiversitätsflächen reservieren wolle. Der Kanton sollte vielmehr bestehende Flächen aufwerten. «Viele Bauern sagen, es habe keinen Sinn, sich zu wehren, und resignieren. Mir ist Biodiversität wichtig. Ich weigere mich, einfach so alles zu akzeptieren, was der Biodiversitätsförderung im Wege steht.»
Fixer Schnittzeitpunkt und Altgrasstreifen
Ende Juni informierte das Amt für Landschaft und Natur des Kantons Zürich (ALN), dass laut der Landwirtschaftlichen Begriffsverordnung Dauerwiesen jährlich mindestens einmal zu mähen sind. Dazu gehören auch die BFF.
Um den Vollzug zu vereinfachen, solle deshalb die erste Mäh- oder Weidenutzung bis spätestens am 31. August erfolgen. Bei einer Mähnutzung sei auch das Gras bis zu diesem Zeitpunkt abzuführen, so das ALN in der Mitteilung, die auf ihrer Homepage und im «Zürcher Bauer» publiziert war.
Fehlinformation vom Kanton
«Dass dabei die Landwirte auch einen kleinen Spielraum haben, um Biodiversität zu fördern, wurde nicht erwähnt», ärgert sich Peter Rüegg. Er fragte beim Strickhof und ALN nach. Dabei verwies er in seiner E-Mail auf eine Weiterbildung im Rahmen des Projekts «Zielorientierte Biodiversitätsförderung» (ZiBif). Dabei hatte Roland Günter aufgezeigt, wie wichtig es sei, Altgrasstreifen mindestens 16 Monate stehenzulassen, sodass sich in der Symbiose von Pflanzen und Insekten Biodiversität erst richtig entwickeln kann.
Klarheit schaffte das Antwortschreiben seitens des Strickhofs und des ALN. So erlaubt der Bund grundsätzlich, dass auf BFF-Flächen bis zu 20 % der Fläche als Rückzugsstreifen oder mit Strukturen wie Ast- oder Steinhaufen unbewirtschaftet bleiben. Bei der zweiten Nutzung muss jedoch der Rückzugsstreifen geschnitten werden. Allenfalls kann man diesen in Absprache mit den Verantwortlichen eines Vernetzungsprojekts länger stehen lassen. Bei intensiv genutzten Wiesen ist der Spielraum deutlich kleiner, da nur 1 % der Fläche ungenutzt bleiben darf.
Mehr Spielraum 2028?
Auch wies das ALN darauf hin, dass man dem Lebenszyklus der Insekten und der Symbiose mit den Pflanzen mit den neuen Projekten «Regionale Biodiversität und Landschaftsqualität» mehr Beachtung schenken wolle. Dabei würden die Landwirte auch mehr Spielraum und Verantwortung erhalten. Voraussichtliche Einführung dieser Projekte sei auf 2028 geplant.
