Der Biber erobert sich seinen Lebensraum zurück. Nach seiner Ausrottung hat er im Aargau mittlerweile alle grossen Flüsse wieder besiedelt. Vor allem dringt er aber auch vermehrt in Seitengewässer vor. Die Gesellschaft nimmt dies wohlwollend zur Kenntnis. Gross die Freude, wenn auf Spaziergängen typisch gefällte Bäume entdeckt und die aufwendigen Dämme bewundert werden können. Mühsam ist der grosse Nager aber für einige betroffene Bauern.
Erster Biber 2012
Einer von ihnen ist Andreas Sägesser aus dem aargauischen Balzenwil. «Ich habe eigentlich gar nichts gegen den Biber», sagt auch er. Sägesser bewirtschaftet Land am Gewässer Pfaffnere, gleich angrenzend an den Kanton Luzern. Der 57-Jährige ist stark betroffen, doch entmutigen lässt er sich nicht. Immer wieder kann er sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, während der Begehung mit der BauernZeitung. Er möchte einfach auf die Schäden und Gefahren hinweisen. Auf den rund 300 Metern Land entlang der Pfaffnere, weiter unten ist er nochmals mit rund 75 Metern betroffen, haben sich rund ein halbes Dutzend Biber eingerichtet. Der erste Biber war 2012 eingewandert.
«Ich habe eigentlich nichts gegen Biber.»
Andreas Sägesser, Landwirt, Balzenwil
Biber machen das Gras und Kultuern platt
Wie viele es genau sind, lässt sich nicht sagen. Denn zu Gesicht bekommen hat Sägesser noch kein Exemplar. Einige der Schäden nimmt er noch relativ gelassen in Kauf. Etwa plattgewalztes Gras und Kulturen auf grösseren Flächen den ganzen Sommer über. Offenbar machen es sich dort die Biber in der Nacht jeweils gemütlich. Doch auch der Bach wird immer breiter. Durch die Aktivitäten, die Grabungen, Baumfällungen und Stauungen wird das Ufer zunehmend abgeschwemmt. Teils entstehen grössere Buchten (Bild oben). Die Drainagen sind verstopft. Doch das grösste Problem sind die Tunnels, welche die Biber graben. Diese sind nicht ohne, haben einen Durchmesser von rund 40 cm und reichen vom Bachufer bis gegen 10 Meter ins Landwirtschaftsland. «Gemäss Experten sollten die Biber eigentlich nur die ersten drei Meter beanspruchen», sagt Sägesser. An eine normale Bewirtschaftung des Landes ist so nicht mehr zu denken. Mit seinem Traktor ist er schon in die einstürzenden Tunnels abgesunken und auch er selbst steckte schon bis zur Brusthöhe in einem Loch. Eine Berufskollegin habe sich den Fuss gebrochen. Auch der Motormäher war schon mehrmals wortwörtlich auf der Achse.
Anpassungsfähiger Vegetarier
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Fast 200 Jahre ausgerottet, erlebt der Biber – insbesondere auch im Aargau – eine Renaissance. Er hat gemäss Fachleuten die Fähigkeit, sich nahezu in jedem Umfeld zurechtzufinden. Eine ökologische Chance sagen die Einen, viele Konflikte mit der Nutzung von Gewässern und Ufergebieten die Anderen. Biber erreichen eine Länge, Schwanz inklusive, von einem Meter und ein Gewicht von 20 bis 30 Kilo. Der Biber ist Vegetarier. Nachwuchs haben die Weibchen im Frühling, und zwar bis zu vier Junge. Natürliche Feinde wären Bär, Luchs, Puma und der Wolf. Bei uns am ehesten wildernde Hunde.
Lösungen erwünscht
Um Bauten von Bibern offiziell zu entfernen, bräuchte es eine Bewilligung. Fachleute rieten Sägesser, davon abzusehen. Einsprachen und mühsame Verhandlungen sind bei diesem emotionalen Thema vorprogrammiert. Entlang des Gewässers bewirtschaftet Sägesser diesen 6 m breiten Pufferstreifen als Biodiversitätsförderfläche. Doch auch bei diesem ökologischen Ansinnen machten ihm die Biber einen Strich durch die Rechnung. Die erforderlichen Asthaufen räumen diese nämlich kurzum weg. «Zu kleine Asthaufen», hiess es dann bei Kontrollen diesen Herbst. Sägesser hatte bereits mehrere Begehungen mit involvierten Dienststellen und Beratern. Doch der Umgang mit «Problem-Bibern» scheint aus Sicht des Landwirts nicht klar. Der Kanton verweise auf das Jagdgesetz (siehe Kasten unten). Als Konsequenz wollte der Kanton Sägesser das Uferland auf einer Breite von 3 Metern abkaufen. Das möchte aber Andreas Sägesser nicht. Die Problematik sei für ihn damit nicht gelöst. Auch mit Zäunen hat es der Landwirt schon probiert. Dieses Unterfangen hat er aber wieder aufgegeben. Diese Zeit könne und wolle er sich nicht mehr nehmen. Was erwartet er von den Behörden? «Klare Auskünfte und Lösungen», sagt Sägesser kurz. Etwa, wie und mit was er den Streifen entlang des Ufers noch bewirtschaften könne und dürfe. Dass das Ufergebiet nicht mehr attraktiv ist, zeigt sich auch am Fernbleiben der Hundebesitzer. Diese seien davor immer auf dem Landwirtschaftsland entlang des Baches flaniert. Mit den einstürzenden Tunnels und den Löchern sei aber auch ihnen das Ganze zu gefährlich geworden.
Die rechtlichen Grundlagen helfen Betroffenen nicht weiter
«Der Spielraum, den die Behörden haben, ist leider klein», sagt Ralf Bucher, Geschäftsführer Bauernverband Aargau (BVA). Die Umweltverbände führten Beschwerde, sobald etwas ohne Rechtsgrundlage oder konformes Verfahren durchgezogen wird. Die Lösungen gemäss nationalem Biberkonzept gehen in Richtung «Verbreiterung des Gewässerraums». So, dass die Biberbauten innerhalb diesem zu liegen kommen. Dazu seien aus nachvollziehbaren Gründen die wenigsten Grundeigentümer bereit.
Eine Entschädigung der Schäden, die an Infrastrukturanlagen anfallen, ist im neuen Jagdgesetz vorgesehen. Dagegen wurde aber das Referendum ergriffen. Es gehe dabei weniger um den Biber, sondern mehr um Wolf und Bär, sagt Ralf Bucher. Aber die Änderungen betreffen eben auch die Entschädigungen beim Biber. Der Biberbestand müsste deutlich reduziert werden können, stellt Bucher klar. Aktuell müsse aber auch der BVA die nationale Abstimmung abwarten. Mit den Biberbeauftragten des Kantons finde man in der Regel Lösungen, wenn es um Überflutungen gehe. Klar sei auch das Prozedere bei Kulturschäden. Schäden durch Biberbauten werde der Verband im Zuge der Jagdgesetzgebung aufgreifen.
«Die rechtlichen Grundlagen sind im Moment klar», sagt auch Hanspeter Lüem, Gewässerbeauftragter beim Kanton Aargau. Und diese helfen betroffenen Bauern nicht, weiss er aus Erfahrung. Die Konflikte würden eher zunehmen. Aktuell sei es schwierig, Praxis und Gesetz unter einen Hut zu bringen, so Lüem.