Dünger ist teuer, Nährstoffverluste stehen im Visier, Pflanzenschutzmittel sind zunehmend verboten und ihr Einsatz verpönt. Diese Situation macht Biostimulanzien besonders attraktiv, was auch an den Feldtagen in Kölliken AG spürbar war: Auf mehreren Parzellen wurden Biostimulanzien angewandt.

Seit Jahren im Einsatz

[IMG 2]Es scheint etwas dran zu sein an den Versprechungen. «Ich setzte Biostimulanzien seit etwa sechs bis sieben Jahren ein», sagt Stephan Wernli. Der Landwirt und Lohnunternehmer führt zusammen mit seiner Frau in Gebenstorf AG einen IP-Suisse-Betrieb mit Ackerbau (Getreide, Kartoffeln, Eiweisserbsen, Sonnenblumen, Silomais), Obstbau (Äpfel, Kirschen, Zwetschgen, Birnen) und Mutterkuhhaltung. Auch bei seinen Kunden stelle er ein wachsendes Interesse an den Produkten fest, so Wernli. Seit zwei Jahren wendet er selbst Biostimulanzien flächendeckend an, zuvor jeweils fahrgassenweise, um die Effekte zu beobachten.

Man kann zwei Kategorien von Biostimulanzien unterscheiden: Bodenbakterien, die Nährstoffe besser pflanzenverfügbar machen sollen, und Pflanzenstärkungsmittel. Letztere sind Mischungen verschiedener Pflanzenextrakte, Nährstoffe und Spurenelemente, die aufs Blatt appliziert werden. «Im Obst bringe ich Bodenbakterien-Präparate zusammen mit der ersten Herbizidbehandlung im Frühling aus», erklärt Stephan Wernli. Das wäre auch im Ackerbau möglich. Da Wernli hier aber herbizidfrei arbeitet, fährt er mit den Biostimulanzien nach dem Bestocken einzeln. Zu Beginn des Schossens folgt bei seinem Getreide ein Stärkungsmittel – er habe aber von Berufskollegen auch schon gehört, dass sie es früher ausbringen. Die Obstbäume bekommen ihre Stärkung nach der Blüte kombiniert mit einer Fungizidbehandlung.

Rechtlich Düngemittel

«Gegenüber Spaziergängern komme ich manchmal in Erklärungsnot, wenn ich auf dem Feld mit IP-Suisse-Tafel mit der Spritze fahre», erzählt der Landwirt. Es bringe wenig, die Sache mit den Biostimulanzien zu erklären – «für die Leute ist ein Spritztank eine Giftmaschine.» Dabei gelten Biostimulanzien rechtlich als Düngemittel. «Das ist gut für uns», findet Stephan Wernli, «so können auch IPS- und Bio-Landwirte darauf zurückgreifen.»

Was sind Biostimulanzien?
Im Rahmen der neuen Düngemittelverordnung, die im Herbst 2023 in Kraft treten soll, unterscheidet das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) zwei Kategorien von Biostimulanzien: auf Mikroorganismen basierende und nicht-mikrobielle. Die Produkte dienen per Definition dazu, die Ernährungsprozesse der Pflanzen unabhängig vom Nährstoffgehalt des Mittels zu stimulieren, wobei es entweder um die Verbesserung der Effizienz bei der Nährstoffverwertung, mehr Toleranz gegen abiotischen (nicht biotischen) Stress, Qualitätsmerkmale oder die Verfügbarkeit von Nährstoffen im Boden geht.
Die Revision der Düngemittelverordnung ist eine Reaktion auf Änderungen auf EU-Ebene, um Handelshemmnisse zu vermeiden. Wird auf der Etikette eines Biostimulans eine Wirkung gegen biologischen Stress (Schädlinge oder Krankheiten) versprochen, könnten sie demnach hierzulande nicht als Dünger zugelassen werden

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Effekte festgestellt

Eine kurative Wirkung sei von den Mitteln nicht zu erwarten, er stelle aber auf dem Feld eine verbesserte Stresstoleranz fest: «Der Mais kann besser mit Hitze umgehen, die Blätter rollen sich weniger.» Das entspricht dem, was die Hersteller versprechen, und auch beim Obst mache sich der Einsatz von Biostimulanzien bemerkbar. Die Blattfarbe sei besser, sagt Stephan Wernli. Das Getreide reife 1-1,5 Tage später ab, was der Landwirt aufs gesündere Blattwerk zurückführt. Bei «Mehltau-Wetter» oder wenn er erste Befallsnester im Getreide feststellt, führt Wernli eine akute Behandlung durch. «Gestärkte Pflanzen sind robuster», gibt er zu bedenken. Das sei, wie wenn man bei den ersten Anzeichen einer Erkältung homöopathische Globuli einnehme. «Das nützt auch nichts mehr, wenn man schon mit hohem Fieber flachliegt.»

Mit seinen Versuchen konnte Stephan Wernli feststellen, dass es keine Ertragssteigerung gab, dafür aber ein besseres Hektolitergewicht. Die Pflanzenstärkungsmittel sollen dazu führen, dass Nährstoffe vermehrt ins Korn gelenkt werden, sagen die Hersteller. «Proteingehalte lassen sich damit nicht steuern», schildert Wernli seine Erfahrungen. Egal welche Sorte er anbaue, die Bonus-Zahlungen fürs Hektorlitergewicht seien von Abzügen beim Proteingehalt zunichte gemacht worden. Also hat Wernli den TOP-Weizen aufgegeben und setzt auf Klasse 1, wo es keine Abzüge für tiefe Proteingehalte gibt. «Ich habe lange gepröbelt und mit Nachbarn geredet, aber auf diesen schweren Böden sind keine hohen Proteinwerte möglich», so Wernlis Fazit.

Keine Wundermittel

Im Gegensatz zu chemischen Mitteln hat Stephan Wernli bei Biostimulanzien weniger Sorgen um die Dosierung. Um das Aufbewahren von Resten zu vermeiden, was angesichts der lebenden Mikroorganismen mit dem Risiko eines Wirkungsverlustes verbunden ist, rundet er daher auch mal auf beim Mischen der Spritzbrühe.

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Für den Aargauer steht fest, dass Biostimulanzien keine schnellen Resultate liefern und keine Wundermittel sind. «Das A und O ist, zu wissen, was im Boden ist», sagt Wernli entschieden: Welche Nährstoffe sind da und auch pflanzenverfügbar? Bodenproben sieht der Landwirt daher als wichtiges Instrument. «Die Resultate müssen aber auch interpretiert werden», betont er. Trotz seiner langjährigen Erfahrung lässt sich Wernli beraten, das sei jeweils eine beiderseitigeDiskussion.

Wenn Nährstoffe nicht pflanzenverfügbar sind, lässt sich mit der Zugabe von Mikroorganismen vielleicht an der richtigen Schraube drehen. Oder es muss ein Gleichgewicht wiederhergestellt werden, etwa durch eine Kalkgabe. Da die Firma in der Nähe ist, greift Stephan Wernli gerne auf Biostimulanzien von Leu Gygax zurück. «Das Unternehmen steht aber auch im Austausch mit EM Schweiz», bemerkt er.

Nach 15 Jahren besser

Alles in allem brauche es Mut zum Ausprobieren – und Durchhaltewillen. «Nach einem Fehlschlag sollte man nicht im nächsten Jahr gleich wieder alles anders machen», findet Wernli. «Man darf nicht glauben, mit einmal Spritzen sei die Welt gerettet.» Bei ihm hätten Bodenproben einst gezeigt, dass zwar viel Kali da, aber nicht pflanzenverfügbar war. «Nach 15 Jahren und Biostimulanzien ist das jetzt besser», stellt der Landwirt fest. In zwei, drei Jahren werde er es vielleicht wieder mit TOP-Weizenprobieren.

Beispiele für Produkte
An den Feldtagen in Kölliken stellte Shakira Fataar in den Hafer-Sortenversuchen drei Biostimulanzien von Syngenta vor:
NutribioN: Enthält Bakterien (Azotobacter), die Luftstickstoff binden und so den Pflanzen zur Verfügung stellen sollen.
Megafol: Pflanzenextrakte (u.a. aus Algen), Stickstoff und Kalium. Soll die Kultur gegen abiotischen Stress schützen.
Yieldon: Pflanzenextrakte, Stickstoff und Spurenelemente (Kalium, Mangan, Molybdän, Zink). Soll den Ertrag steigern, indem die Pflanzen Nährstoffe vermehrt ins Korn einlagern.

Bakterien in der Pflanze
Die Bakterien aus NutribioN wanderten bei einer Blattapplikation über die Spaltöffnungen in die Pflanzen ein oder könnten auf den Boden ausgebracht werden, so Fataar. Behandelt werde während der Bestockung (z. B. zusammen mit einem Herbizid), die Bakterien würden mitwachsen und seien noch im Fahnenblatt nachweisbar. «Damit lassen sich 30–40 kg N/ha einsparen und es gibt kein Risiko für Abschwemmungen», sagte die Verkaufsberaterin.

Diverse Anbieter
Da es sich um lebende Mikroorganismen handelt, darf das Präparat nicht mit Kupfer vermischt werden. Von Leu Gygax und BASF gibt es ähnliche Produkte. Bekannt für ihre mikrobiellen Präparate ist EM Schweiz