Agroforst bezeichnet eine landwirtschaftliche Anbaumethode, in welcher Gehölze gezielt mit Ackerkulturen oder Tierhaltung auf derselben Fläche kombiniert werden. Die Idee dahinter: Ökologische (Artenvielfalt) und ökonomische (zusätzliche Nutzungsmöglichkeiten) Faktoren zu kombinieren. Wer sich für Agroforst interessierte, musste sich bisher häufig die Informationen aus verschiedenen Quellen im Internet zusammensuchen. Mit «Agroforstpraxis in der Schweiz» erscheint nun ein Buch, das die Vielfalt der Agroforstsysteme der Schweiz umfasst. Die BauernZeitung hat mit Lisa Nilles, Co-Autorin und Hauptkoordinatorin des Buches, gesprochen.

Frau Nilles, wie kam es zu dem Buch?

Lisa Nilles: Wir, die Autoren, wollten ein Standardwerk über Agroforst in der Schweiz verfassen. Zwar existieren bereits zahlreiche Merkblätter und Broschüren, die sich mit verschiedenen Aspekten des Themas befassen. Ein umfassendes Werk fehlte jedoch bislang. Gleichzeitig suchte der Haupt-Verlag nach einer Erweiterung seines Portfolios in diesem Bereich. So entstand die Idee, gemeinsam mit der IG Agroforst ein solches Buch zu realisieren.

Warum sollte ein Landwirt dieses Buch kaufen?

Es beschreibt die wichtigsten Agroforstsysteme, die heute in der Schweiz angelegt werden und sich mit modernen Maschinen bewirtschaften lassen. Es bietet zudem eine Einführung ins Thema Agroforst und fasst traditionelle Systeme zusammen – etwa Hochstamm-Feldobstgärten, Wytweiden oder Kastanienselven. Auch weniger bekannte Anbausysteme wie das Vitiforstsystem «Vite Maritata», was so viel heisst wie «verheiratete Reben», stellen wir vor.[IMG 2]

Verheiratete Reben? Wie funktioniert das?

Bei diesem System wachsen Reben als Stützfrucht an Bäumen empor, sie werden sozusagen mit einem passendem Partnerbaum «verheiratet» – etwa mit Maulbeerbäumen oder Weiden. Heute findet man dieses traditionelle System in der Schweiz kaum noch. Winzer, die Agroforst anwenden, setzen heute auf Vitiforstsysteme, in denen sie Gehölze in oder neben die Rebzeilen integrieren und so unter anderem die Biodiversität im Rebberg fördern oder zusätzlich Kohlenstoff binden.

Was bietet das Buch sonst noch?

Es enthält Planungsgrundlagen und Tipps, was vor einer Anlage bedacht werden sollte. Anhand von Beispielen von Praxisbetrieben zeigen wir auf, worauf man achtgeben muss, wenn man ein Agroforstsystem anlegt, und welche Fehler es zu vermeiden gilt.

Was empfehlen Sie jemandem, der sich für Agroforst interessiert? Ist es für jeden Betrieb tauglich?

Man muss schon Lust haben auf die Arbeit mit Gehölzen und darf die Anfangsinvestitionen, sowohl finanziell als auch zeitlich, nicht unterschätzen. Dazu kommt, dass das Wissen rund um die Gehölzpflege und Agroforstsystempflege sowie die eventuelle Verarbeitung von Früchten langfristig weitere Ressourcen erfordert, sprich: Es braucht zusätzlich Zeit und Arbeitsaufwand.

Zahlt sich dieser Mehraufwand denn für die Bewirtschafter überhaupt aus?

Es kommt auf die Anlage an. Mit einer schlauen Pflanzplanung lässt sich der Mehraufwand heutzutage deutlich reduzieren. Die Abstände der Baumreihen können gut an die jeweilige Vorstellung des Betriebsleiters und die Maschinenbreiten auf dem Betrieb angepasst werden. Zusätzlich sollte man bei der Baumerziehung auf die Unternutzung achten. In der Anfangsphase kann man als Landwirt zudem von verschiedenen Förderprogrammen profitieren. Unter anderem finanzieren private Stiftungen und zum Teil auch Gemeinden die Anlage, neben den kantonalen Beiträgen zu Landschaftsqualität, Vernetzung oder BFF.

Was zeichnet ein erfolgreiches Agroforstsystem aus?

Entscheidend für den Erfolg ist, dass ein Agroforstsystem in den Betrieb und die Betriebsabläufe hineinpasst. Agroforstsysteme verursachen aber nicht nur Aufwand, sie bringen auch viele Vorteile.

Welche zum Beispiel?

Baumreihen schützen Ackerflächen vor Winderosion. Ihre tief reichenden Wurzeln fördern die Versickerung, erschliessen Nährstoffe, nehmen überschüssige Feuchtigkeit auf und spenden im Sommer Schatten für das Weidevieh. Mit geeigneter Artenwahl und gezieltem Schnitt lassen sich auch Wertholzbäume kultivieren. Wer auf fruchttragende Arten setzt, erweitert die Produktpalette – etwa für die Direktvermarktung. Nicht zuletzt stärken Agroforstsysteme die Biodiversität und werten die Landschaft optisch auf. Konsumenten schätzen das und geben diese Rückmeldung auch an die Landwirte weiter.

«Agroforstpraxis in der Schweiz», Haupt-Verlag AG, Bern, ISBN 978-3-258-08366-7