Im St. Galler Sittertobel, direkt unter der Autobahnbrücke, steht ein Ensemble aus Industriebauten. Hier baut die Firma Lokal365 AG seit Mai 2021 in einer Indoor-Farm Kräuter an. Ihr Hauptprodukt ist Basilikum. «Wir machen zudem Versuche mit Salbei, Rosmarin sowie Pfefferminze, aber auch mit Chili und essbaren Blüten», sagt der Geschäftsführer und Firmenmitinhaber Christian Gerig bei einem Betriebsrundgang.
Ernte mit bis zu 40 kg Kräuter pro Tag
Die Freude an nachwachsenden Rohstoffen und der Wunsch, dort zu arbeiten, wo er lebt, waren Christian Gerigs Gründe für den Einstieg ins Vertical Farming. «Davor war ich im Bambus-Business tätig und musste viel herumreisen.» Dass er einen Wirtschaftsbackground hat und nicht gelernter Bauer ist, sieht er als Chance: «Beim Indoor-Anbau muss vieles anders gedacht werden. Als Nicht-Landwirt habe ich keine vorgefestigte Meinung.»
Was ist Vertical Farming?
Als «Vertical Farming» bezeichnet man den Indoor-Anbau von Pflanzen in übereinander liegenden Etagen. Es gibt aber auch Systeme, in denen die Pflanzen tatsächlich vertikal auf Wänden oder in Schienen wachsen. Verglichen mit dem Freilandanbau kann durch Vertical Farming an 365 Tagen und mit wenig Fläche ein Vielfaches angebaut und geerntet werden.
Der Anbau findet in einem geschlossenen System, bei konstantem Klima statt. Dadurch kann planbar geerntet werden. Weitere Vorteile sind der gezielte Einsatz von Wasser und Düngemitteln, ausserdem kann weitgehend auf Pflanzenschutz verzichten werden. Die Produktionsstätten befinden sich meist in Ballungsräumen von Städten, das ergibt kurze Transportwege zu den Kunden.
Seine Informationen holt sich Gerig im Internet via Youtube-Videos: «Wir sind richtige Youtube-Farmer.» Die Gemeinschaft im Netz teile offen ihr Wissen. Gerig tauscht sich rege mit einem kanadischen Produzenten aus. Und auch er gibt gerne seine gemachten Erfahrungen weiter. «Obwohl, es sind eher Hinweise, denn das Setting ist an jedem Ort wieder etwas anders», ergänzt er. Das Timing hingegen ist sein Betriebsgeheimnis. Mit Timing meint er die internen Abläufe, so dass er jeden Tag die richtige Menge Kräuter ernten kann.
[IMG 2]
Zurzeit liegt die Erntemenge bei ein paar hundert Portionenà 20 oder 100 Gramm. Bei einer Vollauslastung werden 40 Kilogramm Kräuter pro Tag produziert werden können. Hauptabnehmer sind seit Beginn die Spar-Gruppe, zu der auch Top-CC gehört, und neuerdings die Migros Ostschweiz. Christian Gerig ist der Meinung, dass es Potenzial für noch mindestens zehn weitere solche vertikale Kräuter-Farmen hat. «Es macht Sinn, sie in unmittelbarer Nähe der Verteilzentren der Detailhändler aufzuziehen.»
Vertical Farms können sehr lokal produzieren
Christian Gerigs Arbeitsplatz ist angenehme 22°C warm. Ventilatoren sogen für ein feines Lüftchen. «Wir müssen unser Klima selber machen. Sprich, wir sorgen für die richtige Luftfeuchtigkeit, Luftbewegung und Temperatur.» Stimmt etwas nicht oder leckt gar eine Leitung, geht bei ihm ein Alarm los. Gerig bewirtschaftet die Farm nicht alleine. Rund 300 Stellenprozente hat er geschaffen: «Es sind alles Teilzeitstellen, keine über 50 Prozent.» Als Start-up brauche er viele verschiedene Inputs. «Durch die Teilzeitangestellten fliesst unterschiedlichstes Know-how ins Unternehmen ein.»
Wer in die Kräuter-Produktionsstätte hinein will, muss sich umziehen und eine Luftdusche passieren. Dadurch soll vermieden werden, dass Schädlinge und Schmutz in die Anlage gelangen. Auf wenigen Quadratmetern befinden sich die Setzlingsanzucht, der eigentliche Kräuteranbau, der Verpackungsraum und die ganze Technik. «Alles wird vor Ort produziert. Wir sind ‹Culinarium›- und ‹Aus der Region. Für die Region.›-zertifiziert. Ins nahe gelegene Verteilzenter in Gossau liefern wir per Velokurier.» Lokaler gehe es fast nicht mehr.
[IMG 3]
1,5 Mio Fr. Kapital steckt in der Anlage
Das System, bei dem die Pflanzen in der Vertikalen wachsen und mittels LED-Leuchten, geschlossenem Bewässerungskreislauf sowie ausgeklügelter Klimatechnik zum Spriessen gebracht werden, hat Christian Gerig gekauft. «Die Knacknuss war die Hülle drum herum und die Abläufe.» Da steckt viel Eigenleistung von ihm und seinem Team drin. Vertical Farming braucht aber auch Kapital: 1,5 Millionen Franken haben seine Partner(innen) und er in die Anlage investiert. Weil es nicht seine erste Firma ist, hatte er Erfahrung bei der Mittelbeschaffung.
[IMG 4]
Eine Herausforderung ist für ihn das Festlegen des richtigen Preises für seine Produkte. «Er sollte die Kosten decken und doch marktgerecht sein.» Er sieht bei Vertical Farming vor allem im Medizinal- und Phytophar-mabereich grosses Potenzial. Diese Art von Anbau biete optimale hygienische Bedingungen und auf die Inhaltsstoffe bezogen, könne man sehr reine und standardisierte Pflanzen züchten. Ausserdem können dank kontrolliertem Klima auch Pflanzen aus anderen Teilen der Welt angebaut werden. «Es gibt Firmen, die interessiert sind, ihre Rohstoffe nicht mehr aus China oder Indien importieren zu müssen.»
Betriebsspiegel Local 365 AG
Geschäftsführer: Christian Gerig
Ort: St. Gallen
Fläche: 500 m2
Produkte: Basilikum, Salbei, Rosmarin, Pfefferminze, Chili, essbaren Blüten für den Lebensmittelbereich
Arbeitskräfte: sechs Teilzeitangestellte für 300 Stellenprozente
Besonderes: Der Energiebedarf wird mittels regionaler Wasserkraft und in Kürze mittels Solarpanels vom eigenen Dach gedeckt.
Weitere Informationen: www.lokal365.ch