Praxis-Projekt Gegen Erdmandelgras ist man nicht machtlos, aber einfach ist es nicht Thursday, 16. December 2021 Für das Schweizer Fernsehen (SRF) ist es ein Skandal, dass Abbauprodukte des Wirkstoffs S-Metolachlor in zu hoher Konzentration im Schweizer Trinkwasser festgestellt worden sind. Der Grenzwert ist neuerdings überschritten, weil er mit der Einstufung des Wirkstoffs als «wahrscheinlich krebserregend» in der EU im letzten Dezember automatisch um das Hundertfache gesunken ist. «Neue Verschmutzung im Trinkwasser: Die Schweiz reagiert verzögert», titelt SRF und kritisiert, dass die Kantonschemiker bisher nicht über die neue Lage bei S-Metolachlor informiert worden seien. Gemäss Website des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) ist der Herbizid-Wirkstoff in der Schweiz per 1.1.2025 verboten, die Ausverkaufsfrist läuft bis Oktober 2024.

Im Vorauflauf bewährt

In der Landwirtschaft war S-Metolachlor bisher ein wichtiger Teil der Erdmandelgras-Bekämpfung. Es ist das einzige Herbizid, das gegen das invasive Unkraut – mit Sonderbewilligungspflicht – zugelassen ist. «Es gibt nicht wirklich eine Alternative», sagt Judith Wirth, Leiterin Herbologie bei Agroscope. Der Anbau von Mais mit den richtigen Begleitmassnahmen gilt als am besten geeignet zur Sanierung verseuchter Flächen, wobei sich eine späte Maissaat nach wiederholter ganzflächiger Bodenbearbeitung und Behandlung mit S-Metolachlor (Dual Gold) im Vorauflauf als Strategie in Versuchen bewährt hat. Je nach Bedarf wurde mit Nachauflauf-Herbiziden kombiniert.

Es war absehbar

Mit dem Wegfall von S-Metolachlor werde die Bekämpfung des Erdmandelgrases nicht einfacher, stellt Judith Wirth fest. Man habe den Zulassungswiderruf aber kommen sehen, da der Wirkstoff auf der Liste der gezielten Überprüfungen in der EU und auch der Schweiz stand. Die Entscheide der EU werden in der Regel übernommen. «Ich denke, mit alternativen Herbiziden kann man das Erdmandelgras vor allem im Nachauflauf im Mais kontrollieren, bereits vorhandenen Befall aber nicht reduzieren», sagt die Expertin.

Das Ungras wurde vor Jahrzehnten über kontaminiertes Pflanzgut in die Schweiz eingeschleppt und hat laut dem Schweizer Bauernverband ein hohes wirtschaftliches Schadpotenzial für die gesamte Landwirtschaft. Es verbreitet sich via Knöllchen, die leicht mit Maschinen von einer Parzelle auf die andere verschleppt werden. Seit fünf Jahren gibt es eine nationale Koordinationsstelle, die das Wissen zur wirksamen Bekämpfung und Prävention bündelt. Ein Überblick zur schweizweiten Befallssituation fehlt allerdings mangels Meldepflicht. «Viele Landwirte reden nicht über das Erdmandelgras. Manche Kantone sind aber stark betroffen und die Pflanze breitet sich weiter aus», so Judith Wirth.

Jahrelang keine Kultur

Versuche mit nichtchemischen Verfahren gegen Erdmandelgras gab und gibt es einige. Als effektiv habe sich die Schwarzbrache erwiesen, erklärt Judith Wirth. «Dabei lässt man das Erdmandelgras im Sommer auflaufen und bekämpft es wiederholt mechanisch.» Das Ende der Bekämpfung sei ungefähr Ende September, wenn das Erdmandelgras nicht mehr wächst. Die Schwarzbrache sollte zwei bis drei Jahre andauern, um den Druck zu reduzieren. Da während dieser Zeit auf eine Kultur verzichtet werden muss, bräuchte es eine angemessene Entschädigung für die Landwirte, gibt die Agroscope-Forscherin zu bedenken.

«Mittels Schwarzbrache lässt sich zwar die Anzahl Knöllchen des Erdmandelgrases um 70 bis 80 Prozent reduzieren, darunter leidet aber die Bodenstruktur», fährt Wirth fort. Ausserdem seien auch nach drei Jahren immer noch Knöllchen im Boden zu finden.

Langwierige Bekämpfung

Im Gegensatz zur Schweiz kennt man etwa in Liechtenstein eine nationale Melde- und Bekämpfungspflicht beim Erdmandelgras sowie Entschädigungen für Schwarzbrachen. Auch werde gegen das Ungras im Ausland teilweise der mehrjährige Anbau von Mais auf Mais praktiziert, der in der Schweiz aufgrund des Maiswurzelbohrers derzeit nicht zur Diskussion steht. «Mit oder ohne Herbizid, die Bekämpfung von Erdmandelgras ist immer eine langwierige Angelegenheit», schliesst Judith Wirth.