Das Ziel der Standortstrategie von Agroscope ist es, mit dem Campus Posieux und den beiden Forschungszentren Reckenholz und Changins Effizienzgewinne zu erzielen. Festgehalten wurde dabei, dass Standorte wie Güttingen, Breitenhof und Wädenswil als Versuchsstationen mit den Anbauflächen weiter genutzt würden.
Standort wird geschlossen
Es war dabei schon immer geplant, dass das Forschungspersonal und ein Teil der Laborinfrastruktur nach Agroscope Reckenholz verlagert werden. Nun wurde aber publik, dass der ganze Agroscope-Standort Wädenswil geschlossen werden soll.
«Es sind vom Grundeigentümer andere Nutzungen rund um das Zentrum vorgesehen», sagt Ernst Lüthi. Er präsidiert neben dem Forum Kern- und Steinobst auch den Steuerungsausschuss des nationalen Kompetenznetzwerks Obst und Beeren und erklärt: «In den nächsten Jahren wären in Wädenswil grosse Investitionen nötig gewesen. Die Langfristigkeit dafür ist nicht sichergestellt.» Die Obstbauforschung dürfe nicht aufgegeben werden, so Lüthi: «Wir sind in vielen Belangen auf eine starke Forschung angewiesen.»
Heute nutzen die Forscher die Versuchsflächen in Wädenswil für die Züchtung von neuen und krankheitsresistenten Apfelsorten, für Pflanzenschutzversuche und für die Weiterentwicklung eines nachhaltigen Obstbaus.
Die Kantone Thurgau und Zürich bieten nun Hand, dass die Schliessung dieser Versuchsparzellen aufgefangen werden und die Obstbauforschung durch den Strickhof Lindau und den Versuchsbetrieb für Obstbau Güttingen sichergestellt wird.
Güttingen ist gut aufgestellt
Güttingen mit seinem Fokus auf praxisorientierte Forschung punktet mit dem milden Klima. Bereits heute stehen dort mehrere Hektaren Obstbauversuchsflächen von Agroscope. Dazu kämen noch mehr Flächen, sodass der Betrieb beim Endausbau gegen 20 ha umfassen würde. [IMG 2] «Aufgrund der bereits bestehenden langjährigen Zusammenarbeit zwischen Agroscope und Arenenberg ist diese Entwicklung mit wenig Unsicherheiten behaftet», versichert Florian Sandrini, Leiter Pflanzenbau und Umwelt, Arenenberg. Auch müsse die Gebäudeinfrastruktur in Güttingen sowieso instand gesetzt werden. Deren Ausbau könne man in dieses Projekt integrieren. Der Arenenberg hat im Rahmen einer Ortsplanungsrevision Sondernutzungszonen für den Pflanzenbau beantragt.
Neues Zentrum am Strickhof
Am Standort Lindau soll ein vom Kanton Zürich und von Agroscope getragenes Zentrum «Obstbauforschung und Obstzüchtung» aufgebaut werden. «Mit diesem Zentrum sollen Forschung und Züchtung sowie Bildung und Beratung am selben Standort zusammengeführt werden», erklärt Ueli Voegeli, Direktor Strickhof. Dafür seien in Lindau Ersatz- und Neubauten in den Bereichen Sortierinfrastrukturen, Gewächshäuser und Kühllager notwendig. Dafür gäbe es genügend Platz. [IMG 3] «Vorabklärungen haben gezeigt, dass die für die Versuche notwendigen Flächen und Obstanlagen am Standort Lindau verfügbar sind und bereitgestellt werden können», sagt Voegeli. Auch bestehe die Option einer Mitnutzung der Spezialgewächshäuser der ETH Zürich am Standort Eschikon, der direkt an das Areal des Strickhofs in Lindau angrenzt.
Strickhof nutzt Synergien
Agroscope und Strickhof sind in ein Projekt der ETH Zürich zur Sanierung dieser Gewächshäuser eingebunden. «Unsere in die Jahre gekommene Obstbauinfrastruktur für Verarbeitung und Lagerung müsste sowieso erneuert und angepasst werden», fügt Voegeli an, um festzuhalten, dass die Kooperation mit Agroscope Synergiepotenzial habe, wie es bei AgroVet-Strickhof im Nutztierbereich bereits seit Jahren praktiziert werde.
Florian Sandrini bestätigt, dass die Aufteilung der Flächen- und Forschungsschwerpunkte weitgehend abgeschlossen ist: «Dabei berücksichtigte man die Stärken der neuen Standorte. Die Versuchsfragen sollen dort bearbeitet werden, wo es am sinnvollsten ist.»
Umsetzung ab 2030
Laut Agroscope soll die Umsetzung ab ca. 2030 erfolgen. Geplant ist eine mehrjährige Übergangsfrist mit einer schrittweisen Verschiebung der Flächen nach Güttingen und an den Strickhof.
Noch sind viele Fragen offen, auch die Finanzierung. Aber in diesen Tagen wird eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die im Detail alle Optionen evaluiert. «Die Resultate dieser Machbarkeitsstudie sollen noch in diesem Jahr vorliegen und sind die Basis für den Grundsatzentscheid von Agroscope und der Kantone», führt Ueli Voegeli aus. Er ist zuversichtlich, dass anschliessend die konkrete Projektplanung erfolgen wird.
Nachgefragt bei Daniel Vetterli, Mitglied des Agroscope-Rats.
«Kompetenzen und Know-how bleiben»
Was halten Sie vom Standortentscheid von Agroscope?
Daniel Vetterli: Ich habe den Eindruck, dass wir im Agroscope-Rat und mit Frau Reinhard am gleichen Strick ziehen und uns für eine produktive und nachhaltige Landwirtschaft einsetzen. Sehr, sehr froh bin ich, dass die Forschung Obst in der Ostschweiz bleiben wird – und nicht nach Changins VD oder Conthey VS verlagert wird. Kompetenzen und Know-how bleiben in der Region mit der Verlagerung nach Güttingen und an den Strickhof. [IMG 4] In Güttingen wird man den Fokus auf die praxisorientierte Forschung legen. Das ist wichtig für uns, denn schliesslich ist der Thurgau das Hauptobstanbaugebiet in der Deutschschweiz. Schön wäre es, wenn wir in Güttingen auch eine Agro-PV-Anlage installieren könnten.
Ist die Restrukturierung bei den Sitzungen im Agroscope-Rat ein Dauerthema?
Das kommt an jeder Sitzung zur Sprache. Agroscope geht davon aus, dass sie auf Kurs sind und dass mit der Umsetzung auch die Mitarbeiterzufriedenheit steigt. Das hoffe ich. Im Reckenholz verspüre ich beispielsweise Morgenluft. Die Forscher sind sehr engagiert.
Wie geht es weiter mit dem Standort Tänikon?
Der Arbeitsplatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Betriebswirtschaft wird nach Posieux FR verlegt. Der Emissionsstall und der Milchviehbetrieb dienen auch in Zukunft der Forschung von Agroscope. Die Swiss Future Farm und die Versuchsstation Smarte Technologien sind wichtige Standbeine des Standorts Tänikon. Spannend und zukunftsträchtig ist, dass mit der Fachhochschule Ostschweiz ein neuer Partner bereit ist, in Tänikon Forschung zu betreiben.
In Tänikon erfolgt auch die zentrale Auswertung von Buchhaltungsdaten. Was halten Sie vom Verordnungsentwurf, wonach der Bund Landwirte künftig zur Weitergabe von Buchhaltungsdaten verpflichten will?
Da müssen wir uns wehren. Im Agroscope-Rat wurde im Vorfeld nie darüber informiert. Im Nachhinein wurde mir versichert, dass die Zwangsablieferung der Finanzbuchhaltung nur für Betriebe gelten, bei denen der Ehepartner sozial nicht abgesichert sei. Das ist fast schon unverschämt. Dagegen müssen wir uns querstellen.
Agroscope ist vor allem interessiert an wissenschaftlichen Arbeiten und Artikeln. Wie viel Nutzen können Sie aus solchen Publikationen ziehen?
Eigentlich gar nichts. Aber das ist ein Zielkonflikt. Forschende können sich nur weiterentwickeln, wenn sie wissenschaftliche Arbeiten abliefern und international publizieren. So langsam setzt sich aber doch die Erkenntnis durch, dass die Forschung die Praxis berühren muss. Bei Agroscope war das denn auch der Auslöser für die dezentralen Versuchsstationen.
Nachgefragt bei Agroscope
«Es gibt immer wieder Anpassungen»
Agroscope löst scheibchenweise Standorte auf. Hört das denn nie auf?
Marc Andrey: Der Bundesrat hat 2020 über die Standortstrategie und damit über die Zukunft von Agroscope entschieden. Dass der Standort Wädenswil stark verkleinert wird, ist seither klar. Für die Versuchsflächen suchen wir nun auch nach anderen Optionen. [IMG 5] Wir fokussieren uns auf Standorte, die für die Forschung in der Land- und Ernährungs-wirtschaft wichtig, geeignet und langfristig gesichert sind. Das steht im Vordergrund, nicht der Erhalt eines Ist-Zustands. Die eingesparten Mietkosten durch Standortaufgaben oder -verkleinerungen fliessen in die Forschung. Wir erreichen so mehr Wirkung dank mehr Forschung und mehr Praxisnähe.
Was ist mit dem Breitenhof und Conthey?
Das Steinobstzentrum Breitenhof in Wintersingen BL gehört Agroscope und wird weiterhin betrieben. Auch Conthey VS bleibt weiterhin ein Agroscope-Standort. Wir haben mit dem Kanton Wallis eine langfristige Zusammenarbeit für technische Versuchsaktivitäten und gewisse Infrastrukturen vereinbart.
Und die Versuchsstationen?
Die Versuchsstationen laufen bis 2028 mit der Option auf eine vierjährige Verlängerung. Ob sie weitergeführt werden, ist immer auch an offene Forschungsfragen und den Erfolg in der Zusammenarbeit mit den Partnern geknüpft. Wenn alle Partner an einem Strang ziehen und Ressourcen bereitstellen, können wir die Versuchsstationen fortführen.
Wie läuft es in Tänikon?
Die Standortstrategie sieht vor, dass Tänikon weiterhin ein Standort der Agroscope-Forschung ist. Es ist äusserst interessant, mit neuster Infrastruktur und Gestaltungsfreiheiten zu forschen, wie mit der Swiss Future Farm oder der Versuchsstation Smarte Technologien. Mit dem Zuzug der Ostschweizer Fachhochschule ab diesem Jahr wird sich die Zusammenarbeit in Tänikon noch verstärken. Die Schweineforschung wird per 2025 aber nach Posieux verlagert.
Sind noch andere Forschungsbereiche betroffen?
Es gibt immer wieder Anpassungen in der Organisation. Das ist für ein grosses Forschungsinstitut wie Agroscope normal. Im Moment diskutieren wir eine Co-Professur mit der Universität Zürich für die eher grundlagenorientierte Gruppe Pflanzen-Boden-Interaktionen.
Mehrheitlich sind die Mitarbeitenden unzufrieden mit der obersten Leitung. Wie kann sich das ändern?
Diese Aussagen entsprechen so pauschal nicht den Resultaten aus der Personalbefragung 2023. Arbeitszufriedenheit und -interesse halten sich auf sehr gutem Niveau. Dagegen werden beispielsweise die Leitung, die Arbeitsabläufe und Entscheidungsprozesse kritisch beurteilt. Dies hängt, nicht unerwartet, auch mit Verspätungen bei der Standortstrategie und mit Sparmassnahmen zusammen, die wir realisieren müssen.