Noch gegen Ende des Winters hatten Experten vor Wassermangel im Sommer gewarnt: «In zwei, drei Monaten wird es knapp», sagte etwa Massimiliano Zappa von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft Anfang März 2023. Der Grund für den Pessimismus: Nach den trockenen Monaten des Frühlings und Sommers 2022 war auch die erhoffte Entspannung durch Niederschläge im Winter ausgeblieben.

In den letzten Wochen kämpfte die Landwirtschaft mit zu viel statt zu wenig Wasser. Doch hat der Regen auch gereicht, um die Wasserspeicher der Schweiz rechtzeitig vor dem Sommer aufzufüllen? Die Antwort ist nicht eindeutig. Normalisiert hat sich durch die Niederschläge im Frühling zunächst einmal die Wasserbilanz. Diese wird von Oktober bis September gemessen und berücksichtigt so die im Winter als Schnee gefallenen Niederschläge.

Doch mehr Schmelzwasser als im Winter erwartet

Derzeit seien die Bilanzen im Mittelland ausgeglichen, sagt Michael Eichmann vom Wetterdienst Meteonews. In der Zentral- und Ostschweiz habe es seit Oktober sogar überdurchschnittlich viel Niederschlag gegeben. Dadurch steht nun doch mehr Schmelzwasser aus den Bergen zur Verfügung, als nach den schneearmen ersten Wintermonaten befürchtet worden war.

Ein zweiter Indikator sind die Pegelstände der Seen. Diese reagieren auf Regenphasen aber nicht einheitlich, wie Eichmann ausführt. So stieg etwa der Vierwaldstättersee, wo am 11. Mai sogar eine Hochwasserwarnung ausgesprochen wurde, sehr schnell an. Sein Pegel hat sich mittlerweile aber schon wieder normalisiert. Anders sieht es beim Bodensee aus. Dessen Pegel liegt aktuell über der Norm – Grund ist der im Vergleich zur Grösse des Sees kleine Abfluss.

Das Grundwasser reagiert langsamer

Noch langsamer als Seen und Flüsse reagiert das Grundwasser. Dabei hängt stark vom Untergrund ab, wie schnell das Wasser von der Oberfläche in die Grundwasserspeicher gelangt und wie lange es dort verbleibt. «Die Grundwasserpegel reagieren jeweils mit Verzögerung, deshalb können jetzt noch keine verlässlichen Aussagen im Hinblick auf eine mögliche Wasserknappheit im Sommer gemacht werden», sagt Simon Rüttimann von der Bau- und Umweltschutzdirektion des Kantons Basel-Landschaft.

[IMG 2]

[IMG 3]

[IMG 4]

Vegetation puffert Regen

Kompakt Alles zu Hitze, Trockenheit und Bewässerung Tuesday, 19. July 2022 Derzeit werde ein Grossteil des Regenwassers im Boden von den Pflanzen aufgenommen und verdunstet: «Das heisst, es braucht nun grössere Niederschlagsmengen auf einmal, damit das Wasser durch den Boden hindurch bis ins Grundwasser durchsickert.» Immerhin seien die Pegel und Quellschüttungen dank der Niederschläge nicht weiter zurückgegangen, sagt Rüttimann. Die Niederschlagsmengen seien in der Nordwestschweiz in den letzten Monaten aber auch nicht ganz so hoch gewesen wie in anderen Regionen der Schweiz.

Mehr geregnet hat es im Kanton St. Gallen. Hier sehen die Behörden eine deutliche Entspannung der Situation. «Die Niederschläge der vergangenen Wochen haben Wirkung gezeigt», sagt Marco Paganoni vom St.Galler Bau- und Umweltdepartement: «Die Grundwasserstände liegen grösstenteils über dem saisonalen Mittel.» Für den Sommer zeichne sich damit keine Wasserknappheit ab, sagt er.

Bäche reagieren zuerst

Keine Prognosen wagen will man im Kanton Bern. Ob das Wasser in Sommer knapp werde, hänge vom Wetter ab, sagt Bernhard Schudel vom Amt für Wasser und Abfall. «Bei Trockenheit haben zuerst kleine Bäche wenig Wasser», sagt er. «Auf grosse Grundwasserpeicher haben Trockenphasen von einigen Wochen dagegen weniger Einfluss.»