Der Kanton Luzern hat kürzlich in einer Medienmitteilung darauf hingewiesen, dass in der Landwirtschaft Unkraut vermehrt mit wenig oder keinem Pflanzenschutzmittel bekämpft wird. Die Umsetzung des Aktionsplans des Bundes zeige Wirkung. Allerdings ist der Anteil mit 13 Prozent der offenen Ackerfläche im Kanton, die ohne oder mit Teilverzicht auf Herbizide bewirtschaftet werden, noch verhältnismässig gering.
Stefan Emmenegger vom BBZN Schüpfheim, zuständig für Pflanzenschutz, nimmt Stellung zu aktuellen Fragen rund um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. [IMG 2]
Bei welchen Kulturen wird im Kanton am ehesten auf Herbizide verzichtet und welche eignen sich für den Verzicht oder reduzierten Einsatz?
Stefan Emmenegger: Auf sämtlichen biologisch produzierenden Betrieben wird kein Herbizid eingesetzt. Deshalb ist es nicht erstaunlich, dass knapp die Hälfte des Freilandgemüses ohne Herbizid angebaut wird, da in diesen Kulturen im Kanton Luzern der Bio-Anteil sehr hoch ist.
Im ÖLN-Anbau ist ein Herbizideinsatz grundsätzlich möglich. Betrachtet man die Luzerner Ackerflächen, auf welchen freiwillig keine Herbizide eingesetzt werden, ist die Teilnahme bei Dinkel mit rund 22 % am höchsten. Gefolgt von Zuckerrüben (12%), Triticale (9 %), Winterweizen (7 %), Raps (5 %) und Silomais (4 %).
Grundsätzlich lassen sich alle Ackerkulturen herbizidlos anbauen. Bei einigen Kulturen braucht es dabei etwas mehr Erfahrung. Ein herbizidloser Anbau ist am einfachsten bei Kulturen mit starker Konkurrenz (Dinkel, Weizen) oder guter Bearbeitbarkeit zwischen den Reihen (Mais) möglich. Diese Kulturen eignen sich besonders gut für Landwirte, die sich bisher mit dem Thema weniger beschäftigt haben.
«Totalverzicht auf synthetische Mittel ist derzeit nicht umsetzbar.»
Stefan Emmengger erwartet beim Pflanzenschutz ein Umdenken der Abnehmer.
Wieso wird im Vergleich zu anderen Kantonen im Luzernbiet erst auf eher wenig Ackerflächen auf Herbizide verzichtet?
Mehr Niederschläge und schwerere Böden schränken die Zeitfenster zum Einsatz von mechanischer Unkrautregulierung gegenüber anderen Regionen etwas ein. Zudem ist die Verfügbarkeit von Geräten zur mechanischen Unkrautregulation noch relativ tief. Möchten Bauern mit mechanischer Regulation beginnen, stellt sich häufig die Frage, woher die Geräte kommen sollen. Gerade am Anfang werden dabei meist ungern Investitionen in eigene Geräte getätigt.
Weiter sind überall im Kanton Luzern Lohnunternehmen mit Feldspritzen in der Nähe. Im Zweifelsfall wird dann lieber auf diese zurückgegriffen, als einen grösseren Ertragsausfall oder eine Folgeverunkrautung zu riskieren.
Wie beurteilen Sie das Potenzial zur Steigerung von herbizidlosem Anbau?
Das Potenzial betrachte ich als relativ hoch. Zum einen sind Geräte immer besser verfügbar und zum anderen steigen die Sensibilität und das Wissen in diesem Bereich.
«Vorbeugende Massnahmen sind von entscheidender Bedeutung.»
So könne der Einsatz von Geräten reduziert werden, betont Stefan Emmenegger.
Wo liegen die Grenzen im Kanton Luzern?
Die mechanische Unkrautbekämpfung kommt dort an ihre Grenzen, wo vorbeugende Massnahmen nicht ausreichend umgesetzt werden, sehr viele mehrjährige Unkräuter (zum Beispiel Ackerkratzdisteln, Quecken, Wiesenblacken, usw.) vorhanden sind. Ausserdem gibt es Jahre mit sehr kurzen Einsatzzeitfenstern von mechanischen Massnahmen aufgrund einer ungünstigen Niederschlagsverteilung.
Worauf ist besonders zu achten, damit erfolgreich Getreide ohne Herbizide angebaut werden kann?
Erstens sind vorbeugende Massnahmen zu ergreifen. Die Wichtigste ist eine gute Fruchtfolgeplanung. Besonders wichtig ist ein Wechsel zwischen Blatt- und Halmkulturen sowie zwischen Kulturen die eher im Herbst/Frühling den Boden offen lassen (wie Getreide) oder im Spätfrühling (Mais). Dadurch werden nicht immer die gleichen Unkräuter gefördert.
Zweitens ist der richtige Einsatzzeitpunkt für die mechanische Bekämpfung zu wählen. Das Unkraut soll möglichst klein sein. Am besten kurz nach dem Keimen. Zudem muss der Boden genügend trocken sein, damit es nicht «verschmiert».
Es gibt ja immer mehr Geräte zur mechanischen Bekämpfung und auch High-Tech-Geräte wie Hackroboter kommen auf den Markt. Wird es so einfacher, auf Chemie verzichten zu können?
In der Vergangenheit konnte man davon ausgehen, dass ein fachgerechter Herbizideinsatz den Unkrautdruck ausreichend senkt. Deshalb wurde den vorbeugenden Massnahmen nicht immer genügend Beachtung geschenkt. Diese werden nun aber immer wichtiger. Einerseits nehmen die Resistenzen gegen Herbizide zu und andererseits werden immer mehr Wirkstoffe verboten. Wird auf Herbizide verzichtet, sind die vorbeugenden Massnahmen generell von entscheidender Bedeutung. Gerade Betriebe, die bisher auf Herbizide gesetzt haben und nun vermehrt mechanisch arbeiten möchten, sollen deshalb unbedingt überprüfen, ob sie vorbeugend mehr gegen eine Verunkrautung unternehmen können.
Der Anbau von Getreide ist ja im Kanton Luzern nicht so bedeutend. Wie beurteilen Sie die Möglichkeit, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln beim wesentlich verbreiteteren Anbau von Mais zu reduzieren?
Unkraut in Mais lässt sich relativ gut mechanisch regulieren. Dazu ist aber ein Hackgerät nötig. Gerade in erhöhten Ackerbaulagen gibt es Betriebe mit ausschliesslich Mais neben den Natur- und Kunstwiesen. Dort fehlt häufig das passende Gerät. Gerade in solchen Lagen kann nur ein überbetrieblicher Einsatz von Pflegegeräten sinnvoll sein.
Der Kanton Luzern will die Beratung forcieren. Wie ist denn das Interesse und die Motivation der Bauern, künftig vermehrt auf Herbizide zu verzichten?
Bei vielen Landwirten ist das ein Thema und das Interesse wächst. Sei es, weil sie sich selber Gedanken machen, in Berufsschule, Betriebsleiterschule oder der Beratung mehr mitbekommen haben oder in den Medien darauf aufmerksam wurden.
Kann in naher Zukunft überhaupt auf synthetische Pflanzenschutzmittel verzichtet werden?
Ein Totalverzicht ist äusserst herausfordernd und bei den momentan bestehenden Qualitätsvorgaben der Lebensmittelindustrie nicht umsetzbar. Es gibt aber Kulturen wie der Dinkel, die relativ gut ohne Pflanzenschutzmittel funktionieren. Durch die Beiträge zum Verzicht auf Herbizide dürfte der ohnehin tiefe Einsatz von Herbiziden in Dinkel weiter abnehmen. Auch Mais bietet Chancen, da dort sehr wenig Fungizide und Insektizide eingesetzt werden. Allerdings ist die Unkrautregulierung wie bereits erwähnt anspruchsvoller.
«Passiert nichts, ist bald mit einem weiteren Volksbegehren zu rechnen.»
Stefan Emmenegger ruft zur Reduktion beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf.
Wie nehmen Sie die Stimmung in der Gesellschaft wahr, vor allem weil das Missbehagen gegenüber Pflanzenschutzmitteln ja im Abstimmungskampf zu den Pflanzenschutz-Initiativen sehr spürbar war?
Das Thema Pflanzenschutz ist momentan aufgrund anderer brennender politischer Bereiche wieder weniger stark im Fokus. Grundsätzlich wird aber eine möglichst starke Reduktion von solchen Mitteln gewünscht. Ich bin überzeugt, dass sich hier eine Chance für die Landwirtschaft bietet. Wir können nun aufzeigen, dass wir bereit sind, selber Massnahmen zu ergreifen und freiwillig so gut als möglich auf Pflanzenschutzmittel zu verzichten. Passiert dies nicht, ist in wenigen Jahren mit einem weiteren Volksbegehren zu rechnen.
Wie ist die aktuelle Nachfrage beziehungsweise Marktlage für Produkte, bei denen keine oder wenig Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden?
Der Absatz von IP-Suisse-Brotweizen herbizidlos ist momentan äusserst gut, es werden laufend mehr Produzentinnen gesucht. Auch im Biosegment ist die Nachfrage gut. Allerdings werden in beiden Bereichen die Produzentenpreise seitens der Landwirtschaft als eher zu tief wahrgenommen.
Was raten Sie somit den Bauern und Landwirtinnen?
Geeignete Kulturen wie Ur-Dinkel und Brotweizen bei den Direktzahlungsprogrammen (Extenso, Herbizidverzicht) anmelden. Auch private Labels wie IP-Suisse oder eine Umstellung auf biologischen Landbau sind als Chance zu nutzen.