Anfang Woche ist der zweitwärmste Juni seit Messbeginn in der Schweiz zu Ende gegangen, und neben der Temperatur brach auch die anhaltende Niederschlagsarmut lokal Rekorde. Auf der Karte von Meteo Schweiz weisen gelbe Warndreiecke quer durch Mittelland auf Trockenheit hin.
«Für die Gerste ist das kein Problem mehr», sagt Anna Brugger, Pflanzenbauberaterin am Strickhof. Die Gerstenkörner seien bereits voll entwickelt beziehungsweise zu einem grossen Teil bereits gedroschen. Anders sieht es beim Weizen aus.
Wasser und Nährstoffe fehlen
Weizenbeständen in der Kornfüllungsphase droht die Notreife, wenn Wasser und damit auch Nährstoffe fehlen. Viele Bestände dürften in diesem Entwicklungsstadium sein, schätzt Anna Brugger, «ausser es handelt sich um frühreife Sorten, die etwa im Oktober gesät worden sind.» Bei einer sehr späten Saat hilft auch die frühreife Sorte nicht, und der Bestand kann sich jetzt in der heiklen Phase befinden.
Bei anhaltender Trockenheit und Hitze überspringt das Getreide den Schritt, seine Körner voll auszubilden und Stärke einzulagern. Stattdessen erfolgt eine verfrühte Abreife. Die Folge sind kleinere, geschrumpfte Kümmerkörner. Von diesem Zustand gibt es kein Zurück mehr, «Regen Ende Woche nützt da – sollte er tatsächlich kommen – leider nichts mehr», hält Anna Brugger fest. Es bleibt, notreife Bestände bald zu dreschen, um wenigstens möglichst wenig Körner zu verlieren.
Nachts wieder Feuchtigkeit
Kümmerkörner zeigen die Notreife unverkennbar an, doch manchmal überschätze man die Trockenheit im Boden. Brugger beobachtet ein Netz von Messsonden im Kanton Zürich und sieht Schwankungen der Bodenfeuchtigkeit: «Ich war jeweils überrascht, dass es nachts plötzlich wieder etwas Feuchtigkeit im Unterboden gab. Tagsüber war es dann wieder trocken.»
Sie führt das einerseits auf nächtlichen Tau zurück, zumal meistens die Nachttemperaturen noch unter 20 Grad fielen. Zusätzlich könne nachts durch Kapillarwirkung Wasser aus tieferen Schichten aufsteigen. Ob diese Feuchtigkeit für den Weizen ausreicht oder auch ob ihn ein kurzer Regenschauer die nächsten Tage vor der Notreife bewahren kann, lässt sich indes schwer abschätzen. «Es kommt auf den Bodentyp an, die Wurzeltiefe, die Sorte beziehungsweise Frühreife und ob sich der Bestand am Anfang oder am Ende der Kornfüllungsphase befindet», verdeutlicht die Beraterin. Ist die Kornfüllung fast abgeschlossen, hat ein Abbruch der Kornentwicklung keine so schweren Folgen mehr wie zu Beginn dieser Phase.
Notreifer Weizen bedeutet weniger Ertrag und reduzierte Proteingehalte. «Schätzwerte bewegen sich um 5 bis 30 Prozent Minderertrag», sagt Anna Brugger. Beim TOP-Brotweizen kann die Proteineinbusse zu Abzügen führen. «Aber es muss nicht so sein», betont die Fachfrau, «die Qualität ist im Einzelfall sehr verschieden.»
Meist ist es das fehlende Wasser, das für das Getreide zum Problem wird. Im Grunde ist die Notreife aber eine Stressreaktion auch auf Nährstoffmangel. Dieser hängt zwar mit Wassermangel zusammen, schliesslich können nicht gelöste Nährstoffe aus dem Boden nicht von der Pflanze aufgenommen werden. Aber eine gute Versorgung via Düngung hat trotzdem ebenfalls einen Einfluss, wie Anna Brugger schildert. «Wir haben am Strickhof dieses Jahr einen Versuch mit mehreren Düngungsstufen. Und der besser mit Stickstoff versorgte Weizen geht weniger Richtung Notreife.» Es kommt also nicht nur auf den Zeitpunkt der Trockenheit an, sondern ebenso auf die Bestandsführung zuvor, um die Kultur gesund und robust zu halten.
Keine Sorge um den Mais
Die Wetterprognosen zeigen schweizweit die nächsten Tage keinen flächendeckenden Niederschlag. «Das Regendefizit wird durch lokale Gewitter nicht ausgeglichen», ergänzt Anna Brugger. Mitte Juli könnte es mehr Regen geben, was für die meisten Weizenbestände – mit Ausnahme sehr spät gesäter – zu spät sein dürfte.
Allgemein sagen, wie lange ein Bestand die aktuelle Hitze und Trockenheit noch aushält, kann Brugger nicht. Aber immerhin gibt sie Entwarnung, was den Mais angeht. Der sieht dieser Tage zwar teilweise sehr traurig aus, mit längs gerollten und bleichgrünen Blättern. «Aber der kommt damit schon zurecht», ist die Beraterin zuversichtlich, «um den Mais mache ich mir gerade gar keine Sorgen.»