«Mein Opa sass weinend am Tisch», erinnert sich Malte Messerschmidt. «Er fragte, wie denn das werden soll, ohne Pflug.» Der 26-Jährige hat bereits früh Verantwortung auf dem Betrieb seiner Familie im deutschen Niedersachsen übernommen, neue Anbausysteme und Kulturen ausprobiert. Mittlerweile konnte Messerschmidt auch seinen Grossvater überzeugen, dass es anders geht – ebenso wie eine grosse Fangemeinde in den sozialen Medien, die den Junglandwirten als «Bauernbengel» kennt.
«Mein grosser Spielplatz»
«Mit 14 Jahren habe ich schrittweise Pflanzenschutz und Düngung von meinem damals 85-jährigen Opa übernommen», erzählte Malte Messerschmid anlässlich der Swiss-No-Till-Jahrestagung in Witzwil BE. Sein Vater sitzt nach einem Unfall im Rollstuhl, «die Feldspritze ist auf ihn gekippt.» Der Betrieb wurde in der Folge viehlos im Nebenerwerb weitergeführt und der Vater arbeitete im kaufmännischen Bereich. «Der Hof war so ein wenig mein grosser Spielplatz», meint Messerschmidt. Schon vor dem ersten Schultag stand für ihn fest, dass er Landwirt werden wollte. Heute studiert er zusätzlich Agribusiness, wobei das Studium sich durch die Arbeit auf dem Betrieb in die Länge zieht.[IMG 4]
Nach verschiedenen Erweiterungen umfasst die landwirtschaftliche Nutzfläche der Messerschmidts heute rund 117 ha. Darauf wachsen Winterweizen, Gerste, Bohnen, Raps, Mais und Triticale, unterbrochen von Kunstwiesen und Gründüngungen, die bis zu 60 Prozent der Flächen bedecken.
Boden fliesst davon
«Wir haben teils schwere Böden, das macht die Suche nach spannenden alternativen Kulturen nicht gerade einfach», sagt Malte Messerschmidt. Um die Wertschöpfung auf dem Betrieb zu erhöhen, entschied er sich gegen Kartoffeln und für Chia. Der Junglandwirt zeigt Bilder tiefer Erosionslinien in seinen Feldern, die der Starkregen in einem falschen Saatbett (zur Unkrautbekämpfung vor der Saat von Chia), aber auch im Winterweizen hinterlassen hat. «Das sind Bilder, die wollen wir nicht sehen», stellt Messerschmidt fest, «das ist fruchtbare Krume, die davon fliesst». Um das künftig zu verhindern, änderte er seine Wirtschaftsweise und startete unter anderem einen Versuch mit Untersaaten: Im Frühling liess er per Drohne eine Mischung aus Weiss- und Perserklee in den Raps säen. «Das kann man nicht früh genug machen», bemerkt er zum passenden Zeitpunkt.
Zuerst habe sich die Untersaat sehr dünn präsentiert, «ich dachte: Das war ein Griff ins Klo.» Doch zwei Tage nach dem Rapsdrusch sei die Fläche grün gewesen – der bereits etablierte Klee nutzte seine Chance, sobald die Lichtkonkurrenz weg war und bildete reichlich Blattmasse. In einem Youtube-Video zeigt Messerschmidt im Herbst, wie er Winterweizen in den Kleeteppich sät. «Das ist eine richtig schöne Bodengare hier», so sein Kommentar zum Spatenstich vor dem Traktor, der ein dichtes Wurzelgeflecht mit reichlich Knöllchen und einen Regenwurm zu Tage fördert. Auch die Geruchsprobe besteht die Handvoll Erde, die sich Messerschmidt an die Nase hält.
Rapssaat Anfang August
«So schönen Weizen habe ich noch nie geerntet», sagt der Deutsche zum Resultat der Klee-Untersaat. Nach der Weizensaat mit dem Kreiselgrubber habe das zwar «etwas wild» ausgesehen, da nur die obersten 3,5 cm bearbeitet wurden und überall ausgerissener oder auch noch verwurzelter Klee stand. Der Weizen habe aber guten Bodenschluss und Zugang zu festem, lebendigem Boden zum Wurzeln, erklärt Malte Messerschmidt die Vorteile der nur oberflächlichen Bearbeitung. 2024 folge ein Versuch mit früh (Anfang August) gesätem Raps nach Winterweizen, den er gleichzeitig mit einer Leguminosen-Begleitkultur mit seiner Direktsaatmaschine in die Stoppeln gesät hat.
Die Begleitpflanzen sollten den Ausfallweizen konkurrenzieren. Damit das gelang und auch, um vor einer Hitzeperiode säen zu können, entschied sich der Junglandwirt für den frühen Saattermin. «Die Unterdrückung des Rapses hat nicht ganz wie erhofft geklappt», zieht er Bilanz. Um die Kultur kleinzuhalten, habe er trotz der Konkurrenz durch die Begleitsaat Wachstumsregler spritzen müssen. Dafür verzichtete er dank der Begleitpflanzen auf Insektizide und – bis auf 20 kg N zur Saat – auf weiteren Stickstoff-Dünger. Er habe keine Probleme mit Erdflöhen gehabt.
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Lieber Klee als Gräser
Malte Messerschmidt will nicht nur über das reden, was funktioniert. So rät er z. B. von Untersaaten mit Gräsern ab. «Die kommen immer wieder, auch aus Gründüngungen», beobachtet er. Den Klee könne er einfacher ausbremsen und ein paar überlebende Pflanzen in der Folgekultur schätzt er als weit weniger übel ein, als wenn es Gräser wären. Mittlerweile sät der Junglandwirt wann immer möglich direkt, ausserdem arbeitet er für gezielte Düngung mit Kinsey- sowie Blattsaftanalysen und hält den Boden bedeckt.
«Ausser zwischen Raps und Winterweizen haben meine Gründüngungen immer etwa 12 Komponenten.» Die Mischungen profitieren seiner Erfahrung nach von einer Stickstoff-Düngung zur Saat. Das zeige sich an der besseren Jugendentwicklung, auch wenn sich im späteren Bestand die Unterschiede nahezu verwachsen würden.
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«Dahinter steht ein Mensch»
Nicht nur auf Youtube und Instagram wurde der Junglandwirt bekannt, auch das deutsche Fernsehen porträtierte ihn mehrfach. Z. B. im Zusammenhang mit dem Anbau von Chia. Mit Chia- und einigen weiteren Ölen vom eigenen Betrieb arbeitete er an dem Aufbau seiner eigenen Kosmetik-Linie. Mit einfacher Sprache will der «Bauernbengel» vor allem auf Instragram möglichst viele Menschen ansprechen, um zu zeigen, «wie innovativ wir sind und wie toll die konservierende Landwirtschaft ist.»[IMG 3]
Ihm selbst helfe der Austausch mit Konsumenten und Berufskollegen, um sein Vorgehen immer wieder zu hinterfragen. Mit Bauernbashing habe er kaum Probleme. «Man muss die Leute mit einem selbst in Verbindung treten lassen und ein ehrliches Bild zeigen», ist Messerschmidt überzeugt. «Dahinter steht ein Mensch und es ist <der Landwirt>, der angegriffen wird, nicht der Mensch.» Gleichzeitig ist er sich bewusst, dass er als reiner Ackerbaubetrieb von Kritikern der Tierhaltung verschont ist. Dafür geht der Junglandwirt sehr offen mit dem Thema Pflanzenschutz um. Wenn jemand emotional oder religiös werde, mache er klar: «Wir können fachlich über alles reden.»
Mit Anlässen auf seinem Hof stellt Malte Messerschmidt auch die Verbindung zur lokalen Bevölkerung sicher. So lud er etwa zur Premiere eines Films über ihn in die Maschinenhalle ein. «Die Leute können sich auf diese Weise mit dem Betrieb identifizieren und die Nachbarin verzeiht mir, wenn ich ihr nachts um 2 Uhr mit angehängter Feldspritze ins Schlafzimmer leuchte.» Die Werkstatt-Ecke der Halle habe er für den Event weder aufgeräumt noch mit einer Plane verdeckt. Es gebe nichts zu verstecken, «das ist so, wie es ist».
Betriebsspiegel
LN: 117 ha
Kulturen: Winterweizen, Gerste, Bohnen, Raps, Mais, Triticale, Chia, Kunstwiesen und Ökoflächen, Gründüngungen
Boden: Tonige Lehmböden
Arbeitskräfte: Malte Messerschmidt, unterstützt von zwei älteren Cousins
Instagram: @bauern_bengel