Archive verbindet man eigentlich mit Staub und einer Menge Papier. Bei Josef Meyer ist das anders. Sein Archiv besteht aus fast 4000 Flaschen Wein, sorgfältig eingeräumt und schön ausgeleuchtet. «Das ist mein Lebenswerk in Sachen Wein», sagt der Wahl-Genfer und ehemalige Präsident der Schweizer Zuckerrübenpflanzer zu Recht mit Stolz. «Von jedem Wein und Jahrgang, den wir je gemacht haben, findet man hier einige Flaschen.»
Nebenan das Schloss
Mit seiner Tochter Esther Dos Santos-Meyer, Betriebspartner Dominic Walter und einem bis zu 30-köpfigen Team bewirtschaftet Meyer in Jussy GE einen Pachtbetrieb der Superlative: die Domaine Château du Crest. Der Name stammt, wie man vermuten könnte, vom Schloss, zu dem der Betrieb gehört. Seit 1637 gehört es der Familie Micheli.
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«Unser Pachtverhältnis hat recht komplexe Strukturen, weil wir die meisten Investitionen selbst gemacht haben, zum Beispiel den Bau unseres Getreidezentrums. Wir haben auch selbst Land gekauft, das heute in den Betrieb integriert ist», erklärt Josef Meyer.
Bald 40 Jahre
Seit 1985 hat der gebürtige Luzerner den Betrieb gepachtet, den er damals erst in einer welschen Zeitung und später auch noch im Fachmagazin «die grüne» inseriert sah. Josef Meyer begann damals wieder ernsthaft mit dem Rebbau. Heute gedeihen auf 30 Hektaren 23 verschiedene Rebsorten, aus denen 22 verschiedene Weine entstehen. Pro Jahr verkauft der Betrieb 220 000 Flaschen, 80 bis 85 Prozent im Umkreis von 20 bis 25 Kilometern, den Rest in der Deutschschweiz. «Das heisst, wir müssen pro Tag 600 Flaschen verkaufen.»
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Viele Versuche
Der Betrieb hat zwei eigene Weinkeller, und Josef Meyer und sein Kellermeister probieren viel aus. So reifen die Weine nicht nur in Edelstahltanks und Barrique-Fässern, sondern unter anderem auch in Amphoren. «Man kann sagen, dass ich in all der Zeit bestimmt habe, was für Wein wir wollen, und dem Kellermeister eine Linie vorgegeben habe. Aber natürlich hat er einen grossen Einfluss auf die Weine», erklärt Meyer die Rollenteilung.
Fan von Onland-Pflügen
Neben dem Weinbau schlägt Josef Meyers Herz für fortschrittlichen Ackerbau nach neuesten Anbaumethoden. Auf 200 Hektaren gedeihen Gerste, Braugerste für Appenzeller Bier, Mais, Soja, Sonnenblumen, Raps, Ackerbohnen und natürlich Zuckerrüben. Der Betrieb vermehrt Getreidesaatgut und nimmt im eigenen Getreidezentrum mit einer Lagerkapazität von 8000 Tonnen das Getreide von 50 Landwirten aus der Region entgegen. «Wir bewirtschaften 80 Prozent unserer Fläche herbizidfrei. Sogar Raps machen wir jetzt extensiv herbizidfrei. Wenn wir pflügen, dann Onland. Ich bin ein extremer Fan davon», so Josef Meyer.[IMG 4]
Zur Mechanisierung gehören neben sieben stattlichen Fendt-Traktoren und Stelzentraktoren für den Weinbau unter anderem vier Maschinen für die mechanische Unkrautbekämpfung und ein eigener Drescher. Sämtliche Kulturen werden mit der Einzelkornsämaschine auf 50 Zentimeter Breite gesät. Auch der Drescher ist entsprechend eingerichtet. Fünf Gemeinden liefern ihr Grüngut an den Betrieb, wo es kompostiert wird, die Domaine liefert Heu und Stroh an Reitbetriebe in der Region und erledigt Lohnarbeiten.
Bald eigenes Museum
Bis 2001 lebte auf dem Betrieb eine Mutterkuhherde, aber dann «mussten wir Getreide fressende Tiere haben, um schwierig zu verkaufende Posten aus dem Getreidezentrum zu verwerten», so Josef Meyer. Seither tummeln sich im Stall 600 Mastschweine, deren Fleisch in den Genfer Restaurants einen guten Ruf geniesst. Auch im Agrotourismus ist man tätig, es gibt zwei Veranstaltungssäle, sechs Gästezimmer und schon bald ein Museum.
Dass der Betrieb so breit aufgestellt ist, liegt an der Persönlichkeit von Josef Meyer, wie er selbst sagt: «Ich habe keine Freude an der Routine, ich war immer ein Macher. Ich hatte immer viele Ideen oder vielerorts neue Chancen gesehen.» Sobald etwas funktioniert habe, habe er es dann in andere Hände übergeben.
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Früh erwachsen geworden
Eigentlich wäre vorgesehen gewesen, dass er den elterlichen Betrieb im Kanton Luzern übernehmen würde, «aber ich habe schnell gemerkt, dass zweimal am Tag an 365 Tagen Kühe melken nichts für mich ist». Josef Meyer musste früh Verantwortung für seine sechs Geschwister, den Betrieb mit 7 Hektaren und 14 Kühen übernehmen. Sein Vater starb, als er 14 Jahre alt war. «Dass ich Bauer werden wollte, war immer klar. Die ersten Jahre war ich ganz für den Betrieb zu Hause da.» Als der jüngste Bruder aus der Schule kam, war für Meyer klar, dass er jetzt die Welt entdecken wollte. Also ging er in die Westschweiz, um Französisch zu lernen – und blieb.
«Heute fühle ich mich zu 80 Prozent als Welscher.» Mit seiner Tochter und der Hofnachfolgerin Esther Dos Santos-Meyer redet er ausschliesslich Französisch, mit den Enkelkindern hingegen Deutsch. Zwei seiner Kinder bewirtschaften Farmen in Kanada, ein Sohn lebt mit seiner Familie in Berlin, Deutschland. «Ich war immer viel unterwegs, habe es geliebt, zu reisen, hatte viele verschiedene Ämter inne.»
Hätte sich mehr Rübenfläche gewünscht
Dem Verband der Schweizer Zuckerrübenpflanzer stand er in den letzten 8 turbulenten Jahren vor. Wie engagiert Meyer dafür gewesen sei, dass es nach schwierigen Zeiten nun wieder aufwärts zu gehen scheint, wurde bei seinem Abschied an der letzten DV mehrfach betont. «Bis 2026 sieht es bei den Rüben wegen dem Grenzschutz und dem Einzelkulturbeitrag gut aus. Ich war recht enttäuscht, dass wir die Fläche nicht mehr erhöhen konnten.» Im Moment verdiene man mit den Rüben schliesslich Geld, ohne dass man ein grosses Risiko eingehe, deswegen hätte er sich von den Berufskolleg(innen) mehr Mut gewünscht.
Betriebsübergabe steht an
Auf dem Betrieb steht eine grosse Veränderung an – und für Josef Meyer eine neue Lebensphase. Er wird pensioniert und übergibt die Pacht bis Ende Jahr an seine Tochter. Zudem wird er einige Kilometer wegziehen. «Diese räumliche Distanz finde ich wichtig.» Er wird weiterhin die Deutschschweizer Weinkunden betreuen und in der Betreuung der Gäste engagiert sein – «und natürlich bei Arbeitsspitzen einspringen». Ansonsten freut der Landwirt sich auf mehr Zeit für Kultur, Reisen und Sport.
Betriebsspiegel
Name: Domaine Château du Crest
Ort: Jussy GE
Mitarbeiter: Josef Meyer, Esther Dos Santos-Meyer, Dominic Walter (Teilhaber, Verantwortlicher Technik Landwirtschaft), 1 Kulturchef, 1 Kellermeister, 20 bis 30 Mitarbeitende, je nach Saison
Ackerfläche: ca. 200 ha Ackerbau, 30 ha Reben, 72 ha Wald, 60 ha Alp
Kulturen: Gerste, Braugerste für Appenzeller Bier, Mais, Soja, Sonnenblumen, Raps, Ackerbohnen, Zuckerrüben, 23 Rebsorten
Viehbestand: 600 Mastschweine für regionale Gastbetriebe
Betriebszweige: Rebbau (22 Weine), Ackerbau, Kompostierung, Getreide-Saatgutvermehrung, Getreidezentrum (8000 t), Schweinemast, Arbeiten für Dritte, Agrotourismus.
Webseite: https://www.vins-geneve-domaine-ducrest.ch/de/
