Prekäre Rechtslage Patente würgen die Zucht zukunftsfähiger Sorten ab Thursday, 13. January 2022 Egal ob zur Reduktion des chemischen Pflanzenschutzes, als Antwort auf geänderte Ernährungsmuster, den Klimawandel oder für die Anpassung an Besonderheiten des Schweizer Anbaustandorts – die Bedeutung der Pflanzenzüchtung wird immer wieder betont. «Die Züchtung von neuen Sorten ist für die Schweizer Landwirtschaft in jeder Hinsicht essenziell», ist man sich beim Schweizer Bauernverband (SBV) bewusst. Hindernisse gilt es also aus dem Weg zu räumen.

Freiwillig und zahlreich

Ein solches sei die fehlende Transparenz rund um Patente, hielt die Wissenschaftskommission des Ständerats in einer Motion fest. Sie nahm damit ein Anliegen aus Züchterkreisen auf: Heute ist es für sie mit grossem Aufwand verbunden, herauszufinden, ob eine Sorte unter Patentschutz steht oder nicht. Verfügbare Verzeichnisse sind freiwillig, dadurch unvollständig und allzu zahlreich, was die Recherche erschwert. Das Problem verschärfe sich durch Patente auf Eigenschaften, die mehrere Sorten betreffen können. «Für Züchter(innen) ist es zentral, zu wissen, ob ihr Züchtungsmaterial von Patenten betroffen ist oder nicht», erklärt François Meienberg von Pro Specie Rara. Das Risiko, nach zehnjähriger Züchtungsarbeit zu erfahren, dass die neue Sorte wegen einer bereits patentierten Eigenschaft im geistigen Eigentum einer anderen Firma ist, könne sich kein Züchter leisten. «Daher braucht es wirksame Transparenzregeln», so der Experte für Saatgutpolitik.

Für Patentinhaber gratis

Nach der Annahme der erwähnten Motion legt der Bundesrat nun einen Vorschlag für die Revision des Patentrechts vor. Es soll demnach eine «Clearingstelle» am Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) eingerichtet werden. Dort könnten die Züchter melden, mit welcher Sorte sie arbeiten möchten. Patentinhaber ihrerseits sollen sie auf allfällige Patente aufmerksam machen, damit je nachdem auch Lizenzverträge abgeschlossen werden können. Während das IGE von der Züchterschaft eine Nutzungsgebühr für die Online-Plattform verlangen soll, wäre sie für die Patentinhaber (z. B. Konzerne wie Syngenta oder Bayer) kostenlos. Missbräuche, wie etwa falsche Angaben zum Patentschutz einer Sorte, würden mit Bussen geahndet. Der Bundesrat erwartet von dieser Clearingstelle mehr Rechtssicherheit für Patentinhaber und einen besseren Schutz für sie vor nicht genehmigten Nutzungen ihrer Sorten. Ausserdem könnte die Zusammenarbeit mit den Züchtern gestärkt werden, da Konzerne besser über deren Aktivitäten Bescheid wüssten. Was die Züchter selbst angeht, sei zusätzlich eine teilweise Beschleunigung ihrer Arbeit zu erwarten. Dass mit der vorgeschlagenen Clearingstelle beide Parteien – Züchter und Patentinhaber – aktiv werden müssen, sieht der Bundesrat als Vorteil. Denn so entstehe kein einseitiger Mehraufwand, wie es etwa bei der Einführung einer Patentmeldepflicht der Fall wäre.

«Das kann sich kein Züchter leisten.»

François Meienberg, Pro Specie Rara, über Unsicherheit punkto Patente.

Innovation nicht bremsen

«Die vom Bundesrat vorgeschlagene Clearingstelle für Pflanzenpatente ist ein guter Ansatz», findet François Meienberg. Auch Pro Specie Rara unterstütze diesen Vorschlag. «Der Entwurf bedarf jedoch noch punktueller Verbesserungen, um die erhoffte Rechtssicherheit für die Züchter zu erreichen», ergänzt er. Weiter müsse die Situation unabhängig von der Transparenzfrage verbessert werden, damit Pflanzenpatente nicht zur Innovationsbremse würden. Auch der Bundesrat betont, der Anreiz für Innovation, Forschung und Entwicklung durch den Patentschutz müsse bestehen bleiben. «Ziel muss es sein, dass Züchter, die mit konventionellen Züchtungsmethoden arbeiten und konventionell gezüchtete Pflanzen verwenden, nicht mehr mit Patenten belangt werden können», fordert der Pro-Specie-Rara-Experte.

Nur noch für Binnenmarkt

Das Szenario, konventionellen Züchtern die Vermarktung neuer Sorten mit patentierten Merkmalen zu erlauben, hat der Bundesrat in seinen Erläuterungen ebenfalls durchgespielt. Und es verworfen. Damit wäre zwar die konventionelle Zucht – also via gezielte Kreuzungen im Gegensatz zur technischen, etwa via Gentechnik – aus dem Patentrecht herausgelöst und die Transparenzfrage für konventionelle Züchter obsolet. «In Europa wäre es aber ein Schweizer Sonderweg», heisst es im erläuternden Bericht. Sorten von Schweizer Züchtern mit patentierten Merkmalen könnten nur noch auf dem Binnenmarkt verkauft werden. «Diese Lösung ist nicht erstrebenswert, weil sie jeden Anreiz für die Forschung und Entwicklung in den Bereichen Gentechnik und Pflanzen-zucht in der Schweiz beseitigen würde», so das Fazit des Bundesrats.

Rascher Anstieg

Bis Mitte September läuft die Vernehmlassung zur Revision des Patentrechts. Es gibt in dieser Sache aber noch eine bedeutende Unbekannte: Die Entwicklung der Anzahl Patente im Zusammenhang mit Pflanzensorten hängt laut IGE stark davon ab, ob mittels neuer gentechnischer Verfahren (NGV) hergestellte Sorten künftig wie konventionelle behandelt werden oder nicht. In der Schweiz laufen derzeit die Arbeiten an einer risikobasierten Zulassungsregel für NGV-Züchtungen (siehe Kasten unten). Bei einer möglichen Einführung von NGV-Pflanzen erwartet François Meienberg einen sprunghaften Anstieg der Patente.

«Die freie Nachzüchtung, die im Rahmen des Sortenschutzes und des Züchterprivilegs möglich ist, wird der Vergangenheit angehören», warnt er. Ein derart begrenzter Zugang zu Ausgangsmaterial werde insbesondere kleinere und mittlere Züchtungsunternehmen hart treffen und ihre Innovationsfähigkeit einschränken. Auch bei einem Anstieg der Anzahl Patente biete die vorgeschlagene Clearingstelle den Schweizer Züchtern aber eine einfache Lösung für die nötige Transparenz, zeigt sich der Bundesrat zuversichtlich.

Vorschlag zur Regulierung folgt 2025

Nach wie vor ist unklar, wie mit neuen gentechnischen Verfahren (NGV) gezüchtete Pflanzen in der Schweiz rechtlich behandelt werden sollen. Das bekannteste Beispiel für NGV ist die Genschere Crispr-Cas. Eigentlich hatte das Parlament in einem Zug mit der Verlängerung des Gentechmoratoriums bis Ende 2025 dem Bundesrat den Auftrag erteilt, bis Mitte 2024 einen Vorschlag für die Regelung von NGV vorzulegen. Letztes Jahr informierte der Bundesrat aber darüber, dass die entsprechende Vernehmlassung «aufgrund der hohen Komplexität der Thematik» voraussichtlich erst Mitte 2025 werde starten können.

Geplant ist auf jeden Fall ein risikobasierter Ansatz, der die Innovation und die nachhaltigere Nutzung von natürlichen Ressourcen ermöglichen müsse. Gleichzeitig wolle man den Bedenken der Be-völkerung zur Gentechnik Rechnung tragen und sehe dafür eine behut-same Öffnung unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips vor, so der Bundesrat. Grundsätzlich will er sich am Vorschlag der EU-Kommission orientieren. Diese möchte NGV als eigene Kategorie klassischen Züchtungsmethoden praktisch leichstellen, was nach Meinung von Bio Suisse problematisch wäre. Allerdings hat der Bundesrat an-gekündigt, auch eine Version mit einem im Vergleich zur EU stärkeren Kontrollmechanismus zur Debatte zu stellen. Und die voraussichtlich lockerere Regelung für NGV soll nur Züchtungen betreffen, die kein artfremdes Genmaterial enthalten.

Der Schweizer Bauernverband (SBV) spricht sich für eine «ergebnis-offene Entwicklung» des Rechts zu NGV ohne artfremdes Erbgut aus. Der SBV zieht aber klare rote Linien. So müssten bei den rechtlichen Bestimmungen in der Schweiz die Entwicklungen in der EU berück-sichtigt werden, da bilateral die gegenseitige Anerkennung von Bestimmungen für Saatgut vereinbart sei. Weiter müssten die gezüchteten Sorten einen agronomischen, ökonomischen und ökologischen Nutzen aufweisen.