Still und stumm steht der Mais da, nur ab und zu rascheln die Blätter im Wind. Der Schein trügt: Pflanzen sind erstaunlich mitteilsam. Und was sie einander zu sagen haben, hat auch Relevanz für Landwirt(innen).
Effekte treten nicht nur im Labor auf
«Wenn sie nicht blühen, geben Pflanzen nur wenig Duftstoffe ab», erklärt Matthias Erb von der Uni Bern, um sogleich zu ergänzen: «ausser im Fall einer Verletzung.» Der Pflanzenbiologe erläuterte aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung rund um Pflanzenkommunikation an einem Kurs des Kompostforums Schweiz.
Neu ist das Forschungsfeld zwar nicht. So sei bereits seit den 1990er-Jahren bekannt, dass Pflanzen auf den Duft verletzter Nachbarn mit einer verstärkten Immunantwort reagieren bzw. dass sie ihrerseits mit Gerüchen natürliche Feinde jener Schädlinge anlocken, denen der Nachbar gerade zum Opfer fällt. Erb und seiner Forschungsgruppe ist es aber gelungen, die dafür verantwortlichen Stoffe zu identifizieren und auch zu zeigen, dass derartige Effekte nicht nur im Labor auftreten.
Pflanzen reagieren innert weniger Minuten
Dazu haben die Forschenden an der Uni Bern zunächst eine Anlage gebaut, in der 100 Pflänzchen in Glasflaschen über Schläuche nach Bedarf miteinander verbunden werden können. Ein Massenspektrometer erstellt jeweils ein Duftstoffprofil der Luft.
«Die Pflanzen reagieren innert Minuten, wenn sie den Geruch verwundeter Blätter bekommen», schildert Matthias Erb. Jeder kennt den typischen Duft frisch gemähten Grases – schwer vorstellbar, welchen Effekt der Schnitt einer Wiese auf das benachbarte Maisfeld hat.
Fruchtfolge: Bleiben «Erinnerungen» im Boden?
Im grösseren Massstab zeigt sich die nachbarschaftliche Immunantwort auch im Gewächshaus. «Das ist für uns ein Hinweis, dass dieser Mechanismus auf Ebene Bestand ebenfalls eine Rolle spielt», so Matthias Erb.
Neben Duftstoffen – die offenbar nur von den jüngsten Blättern an der Maispflanze wahrgenommen werden können – scheiden Pflanzen diverse Substanzen via ihre Wurzeln aus. Damit kreieren sie ihre eigene mikrobielle Gesellschaft auf den Wurzeln und in nächster Nähe darum herum.
Eine verwundete Pflanze reagiert nicht nur oberirdisch, sondern auch mit einem veränderten Cocktail an Wurzelexudaten. In einer Art verkürzten Fruchtfolge haben Wissenschaftler untersucht, ob sich eine frische Pflanze in der Erde einer angefressenen Vorgängerin anders verhält.
Das tut sie: So «vorgewarnte» Pflanzen wachsen weniger hoch und produzieren mehr frasshemmende Proteine. Raupen legen in der Folge weniger Gewicht zu, wenn sie auf diesen Blättern ausgesetzt werden.
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Könnte man Stoffe in Flaschen füllen und ausbringen?
Zwar haben Matthias Erb und seine Gruppe nur einen kleinen Teil der abgegebenen Substanzen untersucht. Auf einem Acker zeigte sich aber Ähnliches, als sie in Streifen jeweils normalen Mais anbauten und solchen, der durch eine natürliche Mutation «verstummt» ist: Wo die üblichen Wurzel-Absonderungen abgegeben wurden, keimte der nachfolgende Weizen besser, bestockte stärker und ergab sogar einen gewissen Mehrertrag.
«Ein Agrochemie-Konzern war schon interessiert daran, ob man diesen Stoff in Flaschen füllen und ausbringen könnte», erzählt der Biologe. Doch das ergebe keinen Sinn, zumal Wurzelexudate von einer Pflanze kontinuierlich während der ganzen Vegetationsperiode abgegeben würden.
«Mit einem gewissen Schädlingsdruck im Feld leben?»
Oberirdische Duftstoffe und unterirdische Wurzelaussscheidungen spielen scheinbar zusammen. Eine mit Wundgeruch belüftete Pflanze hinterliess in Versuchen eine Erde, in der die nachfolgende Pflanze eine höhere Resistenz aufbaute. «Das heisst, man sollte mit einem gewissen Schädlingsdruck im Feld leben, damit die Kulturen resistenter sind, als wenn alles eliminiert wird», schlussfolgerte ein Teilnehmer des Weiterbildungskurses. «Ja, das ist möglich», bestätigte Matthias Erb.
Er erinnerte daran, dass ähnliche Prozesse in verschiedenen Kulturen ablaufen dürften. «Man walzt den Weizen im Frühling, um die Bestockung anzuregen – das setzt Duftstoffe in Massen frei.»
Diese Geruchsnote könnte wiederum auch Wurzeln und Bodenleben beeinflussen. Dasselbe ist beim Beweiden von Weizen denkbar, was laut Erb in China traditionell praktiziert wird. «Allerdings haben Walzen und Weiden natürlich auch zahlreiche andere Effekte», ergänzt er. Zudem seien bei den Feldversuchen starke Einflüsse der Bodenchemie und des Bodentyps aufgefallen.
Vorgänge verstehen und Neues entwickeln
Matthias Erb betreibt Grundlagenforschung, es geht ihm um das Verstehen der Prozesse. Das sei zugegebenermassen ein Stück entfernt von der (landwirtschaftlichen) Praxisarbeit – die er selbst notabene auch kennt, schliesslich führt er zusammen mit seiner Familie einen kleinen Bergbauernbetrieb im Berner Oberland. «Aber vielleicht hilft dieses Forschungswissen, ein Phänomen zu verstehen oder etwas Neues zu entwickeln.»