Die Baumwoll-Kapseleule (Helicoverpa armigera) ist ein invasiver Schädling, welcher von den wärmer werdenden Temperaturen profitiert und sich in der Schweiz ausbreitet.
Nach Hinweisen von Landwirten über entstandene Schäden hat die BauernZeitung bei den Forschern der Agroscope nachgefragt. Wie ist das Potenzial des Schädlings? Werden die Schäden in Zukunft zunehmen?
Cornelia Sauer von der Extension Gemüsebau und Stève Breitenmoser von der Gruppe Entomologie (Insektenforschung) haben die Fragen der Bauern-Zeitung schriftlich beantwortet.
Wie beurteilt die Agroscope das Schadpotenzial der Baumwoll-Kapseleule aktuell?
Dies hängt von der Kultur (anfällig oder nicht, empfindliches Stadium der Pflanze in Bezug auf den Zyklus des Schädlings) und vor allem von den Jahren ab. Es ist wichtig, zu beachten, dass die Raupe dieses Nachtfalters ein grosses Wirtspflanzenspektrum hat. Im Mais wird sie seit mehreren Jahren (heuer August und September) beobachtet. Dabei kam es dieses Jahr zu einigen Schäden (Kantone AG, FR, VD). Bei den beobachteten Schäden haben sich die Raupen jedoch bereits unter die Lieschen in den Kolben gefressen. Eine Bekämpfung war zu diesem Zeitpunkt somit nicht mehr möglich.
Im Gemüsebau hat der Falter jedoch ein sehr grosses Schadpotenzial, wenn er in eine Region eingeflogen ist. Das liegt vor allem an der hohen Fruchtbarkeit der Weibchen. Diese können zwischen 1000 und 3000 Eier ablegen. Dieses Jahr wurden ab Juli bis Oktober Schäden z. B. an Bohnen, Erbsen, Tomaten, Paprika, Zuckermais und Salaten gemeldet, teilweise von beträchtlichem Ausmass.
[IMG 2]
Und für die Zukunft?
Die Baumwoll-Kapseleule ist ein wandernder Schmetterling, der zum ersten Mal in den 1980er-Jahren im Tessin auftrat. Ab 1994 wurde er dann auch nördlich der Alpen im Kanton Waadt gesichtet. Seit den 2000er verzeichnen wir einen Anstieg der Population und ein verfrühtes Auftreten im Genfer Becken und im Wallis, 2003 gab es erstmals starke Schäden im Reusstal. Bis 2002 wurden in der Schweiz nie Überwinterungsformen (Raupen, Puppen oder Schmetterlinge) beobachtet. Die Klimaerwärmung ist für die Ausbreitung des wärmeliebenden, ursprünglich in den Tropen beheimateten Falters förderlich und es ist möglich, dass in Zukunft Larven auch in unseren Breiten überwintern könnten. Es ist aktuell denkbar, dass einzelne Individuen in den Gewächshäusern überwintern könnten, aber bis jetzt haben wir keine Beweise dafür.
Wie erfolgt der Einflug jetzt?
Als sogenannte Wanderfalter fliegen die ersten Einwanderer ab Juli in die Schweiz. Hier können sie eine neue Generation hervorbringen, deren erwachsene Tiere im Herbst wieder in den Süden fliegen. Es werden zum Beispiel regelmässig Fänge auf dem Grossen-Sankt-Bernhard-Pass im Wallis beobachtet.
Die meisten Raupen haben jedoch keine Zeit, sich vor dem Kälteeinbruch zu entwickeln. Bei 20 °C dauert die Entwicklung der Larven drei Wochen. Der Falter ist in der Lage, weite Distanzen von bis zu 1000 km zu überwinden, und stösst dabei im Sommer von Nordafrika bis nach Nordeuropa vor. Weitere Quellen geben an, dass die zu uns fliegenden Falter südlich der Alpen oder in Südungarn überwintert haben könnten.
Welche Bedingungen bräuchten sie zum Überwintern?
Ab September treten 80 % der Population aufgrund der sinkenden Tageslänge in die Entwicklungsruhe ein. Im Freiland können die Larven dieser tropischen Art unter unseren Winterbedingungen nicht überwintern und sterben. Ihre Überwinterung wäre nur in Gewächshäusern realisierbar.
Gibt es ein schweizerisches Monitoring-Netz (ähnlich wie beim Maiswurzelbohrer) für den Baumwoll-Kapselwurm?
Im Feldbau gibt es kein spezifisches Monitoring für den Schädling. Zudem ist diese Art kein Quarantäneorganismus gemäss Pflanzengesundheitsverordnung (PGesV-WBF-UVEK) und wird daher im Gegensatz zu anderen Quarantäneorganismen nicht von den Kantonen und dem Bund überwacht. Hingegen gibt es seit Jahren und auch heute noch ein nationales Monitoring für den Maiszünsler (eine einheimische Art), das von Agroscope koordiniert wird und die Entwicklung des Schädlings verfolgt, aber auch Informationen über die biologische Bekämpfung mit Trichogramma an Firmen und Landwirte weitergibt. Bisher ist kein striktes Monitoring für H. armigera vorgesehen. In bestimmten Jahren wie 2023 werden jedoch Kontrollen oder Beobachtungen von Agroscope oder den Kantonen durchgeführt. Wenn der Schädling regelmässig Schäden verursacht, wäre eine Überwachung für die Landwirte mit Pheromonfallen möglich.
[IMG 3]
Im Gemüsebau wird der Flug der Baumwoll-Kapseleule vom Extension Team Gemüsebau von Agroscope seit 2017 in der Deutschschweiz überwacht, in der Romandie und im Tessin besteht das Monitoring schon deutlich länger. Im Laufe der Saison 2023 wurde die Überwachung der Baumwoll-Kapseleule im Gemüsebau in einzelnen Kantonen neu aufgenommen.
Im Rahmen des Früherkennungsnetzwerks zum Auftreten von Schadorganismen, das Agroscope in Zusammenarbeit mit den Kantonalen Fachstellen, dem Beratungsring, dem FiBL und weiteren Partnern unterhält, soll das Monitoring der Baumwoll-Kapseleule 2024 weiter ausgeweitet werden.
Welche Möglichkeiten haben Landwirte, den Schädling zu bekämpfen?
Im Feldbau/Mais sind keine Mittel gegen Eulenraupen, zu denen die Baumwoll-Kapseleule gehört, zugelassen. Ausserdem ist die Larve im Inneren des Kolbens sehr schwierig zu erreichen. Bacillus thuringiensis könnte in Betracht gezogen werden, sofern er wirksam ist und junge Raupen getroffen werden können.
Folgende Insektizide sind zurzeit im Gemüsebau gegen Eulenraupen bzw. die Baumwoll-Kapseleule in den jeweils aufgelisteten Kulturen bewilligt.
Tomaten | Bacillus thuringiensis var. aizawai (XenTari WG), Bacillus thuringiensis var. kurstaki (Dipel DF), Insektenviren (Helicovex), Spinosad (BIOHOP AudiENZ, Audienz, Elvis, Perfetto) |
Paprika | Bacillus thuringiensis var. aizawai (XenTari WG), Bacillus thuringiensis var. kurstaki (Dipel DF), Spinosad (BIOHOP AudiENZ, Audienz, Elvis, Perfetto) |
Bohnen | Bacillus thuringiensis var. aizawai (XenTari WG), Bacillus thuringiensis var. kurstaki (Dipel DF) |
Zuckermais | Bacillus thuringiensis var. aizawai (XenTari WG), Bacillus thuringiensis var. kurstaki (BIOHOP DelFIN, Delfin, Dipel DF) |
Kopfsalate | Bacillus thuringiensis var. aizawai (Agree WP, XenTari WG), Bacillus thuringiensis var. kurstaki (Dipel DF), Spinosad (BIOHOP AudiENZ, Audienz, Elvis), Tebufenozide (Mimic HG) |
[IMG 4]
Sind in Zukunft weitere Zulassungen geplant?
Es ist wichtig zu beachten, dass seit über 40 Jahren keine chemisch-synthetischen Insektizide (mit wenigen Ausnahmen wie z. B. Erdraupen, aber sehr selten) im Mais eingesetzt werden. Das Ziel wäre es, eine biologische oder agronomische Lösung zu finden, um an die 40 Jahre des integrierten Pflanzenschutzes in dieser Kultur anzuknüpfen.
Steckbrief: Baumwoll-Kapseleule
(Helicoverpa armigera) auch als Baumwoll-Kapselwurm bekannt, ist ein invasiver Schädling.
Herkunft: Sie stammt ursprünglich aus subtropischen und tropischen Regionen. In der Schweiz taucht sie aufgrund der höheren Temperaturen vermehrt auf. Ihre Larven überleben den Winter hier (noch) nicht, sie fliegt jährlich als Falter aufs Neue ein. Während ihrer Migration kann sie mehrere Hundert Kilometer zurücklegen.
Schäden: Die Raupen ernähren sich von zahlreichen Kulturpflanzen. Baumwolle, Sorghum, Tomaten, Mais, Bohnen, Sojabohnen, Sonnenblumen und viele mehr stehen auf ihrem Speisezettel.
Vermehrung: Einflug im Juli; ein weiblicher Falter kann 1000 bis 3000 Eier legen.
Bekämpfung: Im Feldbau keine Mittel zugelassen, im Gemüsebau je nach Kultur. Häufig werden BT-Präparate, Viren und Spinosad eingesetzt.

