Während in den grossen Ackerbaugebieten ein Flächenrückgang beklagt wird, zeigt sich im toggenburgischen Berggebiet ein gegenteiliger Trend. «Unsere Anbaufläche ist stark gestiegen, mittlerweile haben wir über alle Kulturen 40 ha», schildert Jakob Knaus, Biolandwirt aus Unterwasser SG und Präsident des Vereins Alpsteinkorn. Dieser engagiert sich seit 2019 für den Anbau diverser Kulturen in der Region Alpstein. Mittlerweile zählt er 49 aktive und passive Mitglieder, «vor allem die letzten Jahre sind viele Landwirtschaftsbetriebe dazugekommen.»
Eigene Mühle im Bau
Während der Verein Alpsteinkorn für den Austausch unter Landwirten sowie mit (potenziellen) Abnehmern und der Forschung sorgt, sind die Mitglieder selbst für die Vermarktung ihrer Ernte verantwortlich. Sie geht an lokale Verarbeiter wie Bäckereien oder wird direktvermarktet. Mit dem laufenden Bau der Alpsteinmühle können die Vereinsmitglieder ihre Abnehmer künftig mit einem breiteren Mehlsortiment beliefern.
«Am Anfang wurde ich mit meiner Idee etwas verschrien, jetzt sind andere Bauern meine besten Kunden im Hofladen», erzählt Jakob Knaus. Vor allem Getreide (Weizen, Hafer, Gerste) funktioniere gut in der Höhe, Kartoffeln ebenfalls – sie seien aber heikler. «Ackerbohnen, Erbsen usw. sind hier extrem schwierig.»
Fürs Getreide beschreibt Jakob Knaus sowohl Erträge als auch Qualität als zufriedenstellend. «Wir haben einen höheren Preis für die Produkte als im Talgebiet, weil alles viel kleiner ist», ergänzt er. Das wichtigste Kaufargument sei indes kein Label – 2/3 der Vereinsbauern sind nicht Bio – sondern die Regionalität. «Wir haben einen Bergbauern-Bonus», meint Knaus, «hier oben ist der Ackerbau etwas Spezielles.» Das stösst auf Interesse.
«Meine beste Milchkuh»
Von Berggetreide werde man nicht reich, «aber ich lebe teilweise davon.» Der Ackerbau sei seine «beste Milchkuh», sagt der Toggenburger. Die Freude am Ackern sieht er als wichtigste Voraussetzung für reine Gründlandbetriebe im Berggebiet, die in den Ackerbau einsteigen wollen. Viele junge Betriebsleitende hätten das Wissen dazu aus der Ausbildung und Lust aufs Ausprobieren. Weiter bieten Kunstwiesen in der Fruchtfolge eine gute Möglichkeit, Grasbestände zu erneuern und so eine bessere Futtergrundlage zu schaffen. Was die Mechanisierung angeht, hilft man sich im Verein aus.
Getreide, Kartoffeln und Co. profitieren in höheren Lagen vom Klimawandel, Züchtung und Forschung suchen zusätzlich nach den am besten geeigneten Sorten. Solche Kulturen sind aber eigentlich keine historische Neuheit. «Früher musste jede Gemeinde autrak sein und sich entsprechend mit allem selbstversorgen», erklärt Jakob Knaus, der sich eingehend mit historischen Quellen wie Kirchen- oder Klosterbüchern der Gegend beschäftigt hat. Er stellt fest, dass die Freude am Regionalen im Alpsteingebiet eine neue Verbundenheit mit der Landwirtschaft geschaffen hat. «Die Leute wollen sehen, wie es wächst.» Das bringt ein Vertrauen, das Labels für den Kaufentscheid in den Hintergrund rücken lässt.
Allerdings schauen die Konsument(innen) laut Knaus auch gerne genau hin und haben ein gewissen Bild im Kopf, wie ein Feld aussehen sollte. «Wenn zu viel Unkraut drin ist, gefällt das nicht», weiss er. Als Bio-Landwirt ist er da besonders gefordert, zumal es im Berggebiet noch schwieriger sei, für Saat und Unkrautbekämpfung geeignete Zeitfenster zu erwischen. Weiter oben ist die lange liegende Schneedecke eine Herausforderung, wodurch Stink- und Zwergbrand häufiger auftreten. «Dafür sind der Schädlings- und Kranheitsdruck ansonsten tief, weil es nur eine geringe Anbaudichte gibt», ergänzt Knaus. Daher arbeiten auch die nicht-bio-Produzenten von Alpsteinkorn pestizidfrei.
Mitfiebern statt Anonymität
Mittlerweile lebe die Kundschaft richtig mit und hoffe ebenso auf gutes Anbauwetter wie die Produzenten. Jakob Knaus sieht weiteres Potenzial für den Ackerbau im Berggebiet. Er würde es sich aber wünschen, dass man unabhängig von der Höhenlage zurück zur einstigen Regionalität der Versorgung finden würde – jedoch ohne die Not, die damals dazu zwang. Knaus schätzt die Nähe zu den Konsumenten. «Man sieht, für wen man produziert. Das ist viel weniger anonym.»
Rückgang der Brotgetreide-Flächen um rund 7000 ha
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Die Situation sei mehr als besorgniserregend, findet Fritz Glauser. Der Präsident des Schweizerischen Getreideproduzentenverbands (SGPV) nennt im Juni-Marktbericht die Zahlen, die ihn Sorge bereiten: Im Vergleich zu 2024 haben die Flächen mit Brotgetreide um 6900 ha (8,7 %) abgenommen, beim Futtergetreide sind es 1000 ha (1,8 %) und bei den Ölsaaten 1800 ha (5 %).
Gras, Gemüse, Rüben, Öko
Beim Futtergetreide ist die fehlende Rentabilität schon lange ein Thema und der Flächenrückgang nicht neu. Brotgetreide und Ölsaaten wären aber finanziell interessant, schreibt Fritz Glauser. Diese Anbauflächen würden nun jedoch für Grundfutter, Gemüse, Zuckerrüben oder Öko-Elemente genutzt. «Das Gleichgweicht zwischen Tierproduktion, Pflanzenproduktion und Ökologie scheint völlig aus den Fugen geraten sein», so sein Fazit.
Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, sei dies ein «Erdbeben für die gesamte Branche», von Saatgutproduzenten über Produzenten bis zu Sammelstellen, Verarbeitern und Konsument(innen).
Ganze Branche betroffen
«Unsere startegischen Kulturen sind dabei, ihre agronomische und wirtschaftliche Attraktivität zu verlieren», betont Glauser weiter. Der Trend müsse dringend umgedreht werden. Es müsse wieder ein Bedürfnis entstehen, insbesondere Brotgetreide und Raps zu säen. «Dazu müssen die technischen und agronomischen Mittel angeboten werden, damit die Kulturen ihr Potenzial entfalten können und die Arbeit angemessen vergütet wird.»
Der SGVP-Präsident ist der Meinung, dass die Flächen und Mengen – bis die AP 30+ greift – unbedingt beizubehalten sind, um die Branche nicht weiter zu schwächen.
