«Die Invasion der Asiatischen Hornisse in der Schweiz ist in vollem Gange», schrieb der Bienengesundheitsdienst (Apiservice) diesen Sommer. Die aus China eingeschleppte Hornissenart stelle eine grosse Gefahr dar – «für die gesamte einheimische Insektenwelt».
Für die Landwirtschaft drohten mangelhafte Bestäubung, die zu Mindererträgen führen kann, sowie bei grosser Populationsdichte von Asiatischen Hornissen in einem Gebiet auch Frassschäden an reifen Früchten. 2024 unterstreicht, wie schnell die «Invasion» tatsächlich fortschreitet.
In einem Jahr mal drei
«Wir haben keinen direkten Zugang zu den Zahlen und mussten diese zuerst beschaffen», erklärt Martin Schwegler, Zentralpräsident des Imkerverbands Bienen Schweiz, auf Anfrage. Offenbar seien heuer bereits 5125 Verdachtsmeldungen gemacht worden, wovon 3843 Fälle als Sichtungen Asiatischer Hornissen bestätigt seien. Das entspricht einer Verdreifachung im Vergleich zu 2023. Mit den dieses Jahr entfernten 700 Nestern verhält es sich genauso.
Seriöse Daten zu Schäden durch Asiatische Hornissen habe Bienen Schweiz nicht, so Schwegler weiter. «Ein Verzeichnis der Schäden wird nicht geführt, zumal kein Anspruch auf Schadenersatz besteht.» Einzig Nestfunde würden dokumentiert.
Elf Kilo Beute pro Jahr
Es gibt aber Medienberichte über Imker, die innert Tagen mehrere Bienenvölker verloren haben. Asiatische Hornissen leben von Zucker aus Nektar, Honigtau und reifen Früchten. Für die Aufzucht ihrer Brut brauchen sie aber Proteine, wofür sie v. a. Bienen erbeuten. Die Präsenz vieler Asiatischer Hornissen kann zu einer «Sammellähmung» führen, beschreibt der Apiservice: Die Hornissen belagern die Bienenstöcke regelrecht. In der Zeit, in der für den Wintervorrat gesammelt werden müsste, bleiben die Bienen aus Angst vor ihrem Fressfeind im Innern des Stocks, was – falls es unbemerkt bleibt – zu Winterverlusten von Bienenvölkern führen könne. Ausserdem würden durch Varroamilben, Krankheiten oder Futtermangel geschwächte Bienen den direkten Attacken der Asiatischen Hornisse zum Opfer fallen. «Teilweise wissen die Imker wohl noch nicht, ob sie betroffen sind oder nicht», gibt Martin Schwegler zu bedenken. Derzeit lasse man die Bienen ruhen und besuche den Stand im Winter wenig oder gar nicht. «Asiatische Hornissen von einem einzigen Nest fressen um die 11 kg Insekten pro Jahr», so Martin Schwegler. «Das sind Millionen von Individuen, und nicht nur Honigbienen sind betroffen, sondern auch die eh schon zahlreich gefährdeten Wildbienen und weitere fliegende Insekten.»
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Die Bekämpfung der Asiatischen Hornisse ist Sache der Kantone. Eine Handlungsempfehlung an ihre Adresse empfiehlt ein zweistufiges Vorgehen. Erste Priorität sollte demnach die Eliminierung haben. Es gelte, die Neubesiedlung eines Gebiets zu verhindern, indem jedes Nest gesucht und eliminiert wird. Wo das mit verhältnismässigem Aufwand nicht mehr machbar ist, sollten die Schäden mittels einer Eindämmungsstrategie «in annehmbarem Rahmen» gehalten werden. Medienberichte über personelle Probleme beim Aufgleisen der Nestsuche und -bekämpfung sowie die Karte der aktuellen Sichtungen (siehe unten) legen nahe, dass vielerorts die Eliminierung ausser Reichweite gerückt ist. In stark betroffenen Gebieten könnten Bienenvölker mit Gittern vor dem Flugloch geschützt werden, andere Systeme sind laut Handlungsempfehlung in Entwicklung.
Nester werden hart verteidigt
«Nach unseren Beobachtungen hängt die Bekämpfung auch stark vom Engagement der betroffenen Imkerschaft ab», sagt Martin Schwegler. In einigen Kantonen seien um die zuständigen Personen Taskforces gegründet worden. «Zuerst werden einzelne Hornissen entdeckt, dann geht die Suche nach den Nestern los», schildert der Präsident des Imkerverbands. «Ist dann ein Nest gefunden, muss es beseitigt werden.» Das ist keine leichte Aufgabe, wie die Handlungsempfehlung für die Kantone zeigt. Unbeteiligte, Haustiere und Vieh müssen mindestens 50 Meter Abstand zum Nest halten, Anwohner sollen bei geschlossenen Türen und Fenstern drinnen bleiben, für die Einsatzkräfte ist Schutzausrüstung Pflicht. «Hornissen verteidigen ihr Nest energisch», so die Begründung.
Keine Entschädigungen
Wie Bundesrat Albert Rösti im Ständerat sagte, stehen seit Mitte April bestimmte Biozide zur Bekämpfung der Asiatischen Hornissen im Siedlungsgebiet sowie auf Einzelbäumen ausserhalb zur Verfügung – nicht aber im Wald (siehe Kasten). Es gibt auf Bundesebene mangels gesetzlicher Grundlagen weder Entschädigungen noch ist die Finanzierung von Bekämpfungsmassnahmen sichergestellt. «Soweit uns bekannt ist, gibt es in den Kantonen auch keine Entschädigungen», ergänzt Martin Schwegler.
Insbesondere die Suche nach den Nestern sei schwierig und zeitaufwendig, fährt er fort. Sie würden sich meist in grosser Höhe an Bäumen befinden und erst sichtbar, wenn das Laub gefallen ist. «Nur ist es dann vielleicht schon zu spät, weil die Jungköniginnen ausgeflogen sind und irgendwo versteckt überwintern.» Dann starten sie im nächsten Frühjahr mit einem eigenen Nest. Mit jeder überlebenden Jungkönigin verschärfe sich das Problem.
«Aufgrund der bisherigen Erfahrungen müssen wir leider davon ausgehen, dass die Zahl der Asiatischen Hornissen erheblich zunehmen wird», sagt Martin Schwegler. Möglicherweise werde die nun erfolgte Sensibilisierung zu mehr Nesterfunden führen. Ausserhalb der Imkerschaft hält er die Sensibilisierung aber für noch zu gering.
Das Gesetz steckt fest
Um mit einer nationalen Strategie gegen die Asiatische Hornisse vorgehen zu können, bräuchte es eine Änderung des Umweltschutzgesetzes (USG). Angesichts immer mehr invasiver Arten hierzulande ging eine entsprechende Revision bereits 2019 in Vernehmlassung. Sie sollte laut Bundesrat Lücken bei Präventions- und Bekämpfungsmassnahmen schliessen und alle betroffenen Akteure angemessen einbinden. Die Umsetzung soll bei den Kantonen bleiben, der Bund aber koordinieren und landesweite Massnahmen beschliessen können.
Die USG-Revision ist derart auf Widerstand gestossen, dass sie seither feststeckt. Die Kantone wehrten sich v. a., weil sie gemäss der Vorlage mit hohen Kosten rechnen müssten. Eine zweite Ausarbeitung des revidierten USG sollte gemäss Bienen Schweiz 2024 fertig sein, konkrete Resultate seien aber nicht vor 2026 zu erwarten.
Es wurden seit der abgestürzten Revision mehrere Vorstösse im Parlament zur Bekämpfung der Asiatischen Hornisse eingereicht. Nach Annahme einer Motion soll es zulässig werden, Nester auch im Wald mit Biozid zu bekämpfen. «Es bleibt uns einstweilen nicht anderes, als zu beobachten, Nester zu suchen und diese irgendwie zu bekämpfen», fasst Bienen-Schweiz-Präsident Martin Schwegler zusammen. «Jedes entfernte Nest ist ein kleiner Beitrag zur Schadensbegrenzung.»
