Er sei am Morgen wieder mit der Feldspritze gefahren, sagt Simon Hauert Anfang dieser Woche am Telefon. Das verkürzte Spritzintervall einzuhalten, sei wetterbedingt schwierig. «Es ist nicht schön zum Hineinfahren, aber wichtig, und darum mache ich es», so der Landwirt aus Niederösch BE. Er habe sehr mit der Kraut- und Knollenfäule (Phytophthora infestans) zu kämpfen, «einen so starken Befall habe ich noch nie erlebt».

Orientierung von der Fachstelle Pflanzenschutz

Wie es der Name sagt, kann Phytophthora infestans von der Kraut- zur Knollenfäule werden. Das geschieht, wenn Sporen aus dem weissen Pilzrasen an der Blattunterseite in den Boden gelangen. Dazu braucht es gemäss Strickhof grosse Regenmengen, welche die Sporen vom Blatt in die Erde und an die Knollenoberfläche spülen. Verhindern lasse sich dies durch eine unmittelbare Behandlung mit einem sporenabtötdenden Fungizid, weshalb der Schutz jeweils vor dem Regen erneuert werden sollte.

Empfehlung für den Entscheid
«Felder, die kaum noch grüne Blattfläche haben vor lauter Krautfäule, sieht niemand gern, und sie machen keinen guten Eindruck», schreibt die Fachstelle Pflanzenschutz des Kantons Bern. Mancherorts muss man sich in der jetzigen Lage die Frage stellen, ob der Bestand weitergeführt werden soll oder nicht. Der Berner Bauernverband zitiert die Fachstelle Pflanzenschutz und gibt folgende Empfehlung:

Bestand unterfahren: Falls die Stauden stark (d.h. an Blättern und Stängel) befallen sind und die Knollenbildung noch nicht begonnen hat, lohne sich die Weiterführung des Bestands nicht mehr. Das Kraut solle vernichtet und die Pflanzen untergefahren werden, damit sich die Krautfäule nicht weiterverbreitet.
Knolleninfektion verhindern: Sind die Kartoffeln hingegen schon gut entwickelt und stehen zum Beispiel kurz vor der Blüte und läuft die Knollenbildung, seien die Spritzintervalle kurzzuhalten. So werde die Verbreitung der Krautfäule-Sporen verhindert. In diesem Fall empfiehlt die Fachstelle die Beimischung eines sporenabtötenden Mittels, um die Infektion der Knollen zu verhindern.

Appell an Solidarität
Der Berner Bauernverband ruft in seinem Newsletter dazu auf, diesen Empfehlungen der Fachstelle bezüglich Beständen ohne Ernteerwartung zu folgen und appelliert an die Solidarität.

Verdi am besten

Simon Hauert hat sich mit 10 ha auf den Kartoffelanbau spezialisiert. Er beobachtet Unterschiede je nach Sorte, wobei von den drei auf seinen Flächen – Erika, Victoria und Verdi – letztere am wenigsten betroffen sei. Verdi ist eine Chipssorte, die seit 2014 auf der Empfehlungsliste von Agroscope steht und als mittel (Kraut) beziehungsweise gering (Knollen) anfällig für Phytophthora gilt. Erika (Speisesorte, festkochend) ist auf der Liste aber ebenso als mittel bis geringfügig anfällig beurteilt, Victoria (Speisesorte, mehligkochend) als mittel. Victoria weise den stärksten Befall auf.

Das feuchte Wetter mit immer wieder einem oder zwei warmen Tagen ist perfekt für den pilzlichen Erreger der Kraut- und Knollenfäule. «Wenn es warm wird, steigt die Feuchtigkeit aus dem total wassergesättigten Boden auf» schildert Simon Hauert. Das schaffe wiederum ein ideales Milieu für Phytophthora, und er sehe rund um Pfützen in den Fahrgassen, wie sich die Krankheit noch schneller ausbreite. Jetzt müsse man besonders sauber arbeiten, kurze Spritzintervalle einhalten, mit den richtigen Mitteln und der korrekten Dosierung fahren. «Man sieht heuer jeden Fehler», bemerkt der Landwirt. Jetzt werde so richtig klar, warum es «Pflanzenschutzmittel» heisse – «wir brauchen diese Mittel, um die Kartoffelpflanzen zu schützen».

Erhöhtes Risiko

Im Moment sieht Simon Hauert ein erhöhtes Risiko für Resistenzbildungen, da häufig gespritzt werden muss und nur eine begrenzte Anzahl Wirkstoffe zur Verfügung steht. «Es ist wichtig, dass immer wieder neue Pflanzenschutzmittel zugelassen werden», findet er, und: «Resistente Sorten könnten in Zukunft ebenfalls sehr wichtig werden». Dieser Meinung ist auch die Branche, die sich das Ziel gesetzt hat, den Anbau resistenter Kartoffelsorten bis 2040 auf 80 Prozent der Fläche auszudehnen.

Nicht aufgeben

Einen Minderertrag erwartet Simon Hauert schon allein wegen der schlechten Wetterbedingungen und des Stresses, den die Krautfäule für die Kartoffelstauden darstellt. Die nass-kalte Witterung habe das Wachstum der Pflanzen verlangsamt. Für die Kartoffelbauern sei es bereits das dritte schlechte Jahr in Folge. «Man sieht es an den Lagerbeständen und Importen», sagt Hauert.

Trotz teils starkem Befall will er keines seiner Kartoffelfelder aufgeben. Eine Prognose zur Ernte und zu Ertragseinbussen wagt Hauert zwar nicht. «Aber ich habe das Gefühl, langsam wird es besser – die Stauden haben gesunden Blattzuwachs», zeigt sich der Berner optimistisch.

«Strategien stossen an ihre Grenzen»

Niklaus Ramseyer, Geschäftsführer der Vereinigung Schweizer Kartoffelproduzenten (VSKP), geht davon aus, dass praktisch jedes Feld derzeit von Krautfäule betroffen ist. Die Lage sei aber sehr unterschiedlich und «in vielen Feldern kann die Krankheit bis jetzt in Schach gehalten werden», sagt Ramseyer. Dazu sei aber ein aufwendiger Pflanzenschutz notwendig und die gängigen Fungizid-Strategien stiessen vielerorts an ihre Grenzen.

Teilweise schon umgebrochen
«In den Regionen mit sehr hohem Krautfäuledruck gibt es Flächen, die bereits umgebrochen werden mussten», fährt der VSKP-Geschäftsführer fort. «Telebielingue» berichtet gar von 350 ha, die schweizweit bereits aufgegeben seien. Vor allem im biologischen Anbau, wo gegen die Krautfäule nur Kupfer als Kontakt-Fungizid zur Verfügung steht, sei die Situation im Moment «sehr schwierig». Auch die Pflanzgutproduktion stehe vor einer grossen Herausforderung, trotz der grassierenden Krankheit die Versorgung mit sauberen Saatkartoffeln zu sichern.

«Eindeutig» widerstandsfähiger
Jedes umgebrochene Kartoffelfeld ist für den einzelnen Landwirt ein Verlust. Wie sich die Kartoffeln wegen der Krautfäule in den Lagern verhalten werden, könne man jetzt noch nicht sagen, so Niklaus Ramseyer. Um Zahlen zu den erwarteten Einbussen zu nennen, sei es ebenfalls noch zu früh. «Wichtig wird sein, dass wir keinen nassen Herbst und somit keine nasse Ernte haben.»
Ramseyer bestätigt, dass heuer grössere Sortenunterschiede sichtbar sind. Aber: «Die Krautfäule betrifft alle Sorten, unabhängig vom Verwendungszweck.» Die neuen, robusten Sorten zeigten indes «eindeutig» eine grössere Widerstandsfähigkeit. «Doch ohne Pflanzenschutz kommen auch diese Sorten nicht durch», ergänzt Niklaus Ramseyer. Möglich sei eine Reduktion des Pflanzenschutzes bei den Neuzüchtungen.