Wo soll die Landwirtschaft bewässerungswürdige Kulturen anbauen, wenn nicht im Wasserschloss der Schweiz? Im Kanton Aargau liegen grosse Fliessgewässer und Seen neben fruchtbarem Ackerland, Lebensmittel wachsen nahe bei Verarbeitern und Konsumentinnen. Doch auch hier wird das Bewässern von landwirtschaftlichen Kulturen immer schwieriger.

Die Quellen werden versiegen

«Die Landwirtschaft nutzt heute Quellen, die versiegen werden», sagt Matthias Müller, Leiter von Landwirtschaft Aargau. Die Bewilligung für die Wasserentnahme aus mittleren und kleinen Flüssen wurde in den vergangenen Jahren regelmässig sistiert; das Ökosystem Gewässer benötigt gerade in heissen Zeiten ein möglichst grosses Wasservolumen, um die Erwärmung zu bremsen. Bis Mitte Woche war die Entnahme bei 18 Aargauer Gewässern verboten, weitere können folgen. Die grossen Fliessgewässer sind nur wenigen Produzenten und oft schwer zugänglich.

Für Müller ist es auf weiten Strecken ein Problem der Verteilung, weniger der Menge. «Doch bei Gemeinden und Kanton fehlt ein Plan. Auch auf Bundesebene ist ein Leitfaden Wasser erst in Erarbeitung.» Matthias Müller stellt fest: «Es braucht Interessenabwägungen auf allen Stufen, aber Grundlagen für Entscheidungen fehlen.» Schweizweit verbrauchen Industrie und Gewerbe 55 Prozent des Wassers, die Haushalte 25 Prozent, die Landwirtschaft «nur» 20 Prozent, wobei davon noch rund die Hälfte ungenutzt durch die Brunnen abfliesst.

Pilotprojekt im Bünztal

Darum hat Müller im Aargau ein Projekt lanciert, das auf einem nationalen Pilotprojekt in der Region Bünztal aufbaut. Die Ergebnisse sollen auch auf andere Regionen angewendet werden können. Gesucht werden Möglichkeiten, den Wasserbezug für bewässerungswürdige Kulturen sicherzustellen unter Einbezug von Oberflächenwasser, Grundwasser, Quellen, Regenwasser oder private Quellen. Gleichzeitig sollen landwirtschaftliche Produktion und Agrarmarktsystem an die zunehmende Trockenheit angepasst, Innovation und Digitalisierung vorangetrieben werden.

Doch handfeste Lösungen für die Landwirtschaft stehen nicht so rasch in Aussicht – es geht eben um die Erarbeitung von Grundlagen. Ideen sind da, doch auch viele Hindernisse: Wasser aus grösseren Flüssen in kleinere umpumpen – hydrologische Fachleute schütteln den Kopf. Der Anschluss an das Projekt «Wasser 2035» zur Wasserbeschaffung und -verteilung in der Region Bünz- und Reusstal ist aktuell für die Bauern viel zu teuer. Weitere Optionen sind beispielsweise die Nutzung von Quellen, die wegen zu hoher Nitratbelastung stillgelegt sind oder das Erstellen eines grossräumigen Bewässerungsnetzes.

Die eingesetzte Arbeitsgruppe bleibt dran. «Wenn die Bevölkerung weniger Fleisch und mehr Gemüse essen soll, muss die Landwirtschaft dieses Gemüse auch produzieren können», sagt Matthias Müller.

Gemäss dem nationalen Vorgängerprojekt ist nur die Bewässerung von Spezialkulturen – Gemüse, Obst, Beeren – und Kartoffeln sinnvoll. Der im Herbst 2021 erschienene Grundlagenbericht empfiehlt unter anderem, auf trockenheits- und hitzeresistente Kulturen wie Hirse und Quinoa auszuweichen. «Weltfremd», kommentiert Christoph Hagenbuch, Präsident des Bauernverbands Aargau (BVA). Dafür müssten sich erst die Ernährungsgewohnheiten massiv ändern.

Kompromisse sind nötig

«Wir wollen keine Bewässerung auf Kosten der Umwelt, wegen der Landwirtschaft sollen keine Fische den Rückenschwumm machen», stellt Christoph Hagenbuch klar. Der BVA hat in seiner Bewässerungscharta entsprechende Grundsätze definiert. Auf der anderen Seite werde erwartet, «dass Bund und Kantone mit aller Kraft Bewässerungsprojekte unterstützen und für gute Lösungen verwaltungsintern Kompromisse suchen anstatt das Haar in der Suppe bei jedem Projekt.»