Das Jahr 2022 war für die Gemüseproduzenten kein einfaches. Nicht nur wetterbedingt, sondern auch absatzmässig stellte das vergangene Jahr die Produzenten vor grosse Herausforderungen. Die BauernZeitung hat mit Viktor Hämmerli, Vizepräsident der Genossenschaft Gemüse Erzeuger Seeland (GES), gesprochen.
Wie waren die Gemüseproduzenten mit dem Jahr 2022 zufrieden?
Viktor Hämmerli: Alles in allem war die Gemüseversorgung der Schweiz in der zu Ende gehenden Kampagne trotz aller Schwierigkeiten einigermassen gesund. Bei einzelnen Produkten, insbesondere Lagerware, hatten wir Anfang Jahr beträchtliche Fehlmengen zu verzeichnen, die noch vom sehr nassen 2021 herführten. Aufgrund der Produktionsausfälle im letzten Jahr waren die Lager nicht genügend gefüllt, somit sind wir bereits mit einer angespannten Situation gestartet.
Wo lagen die grössten Herausforderungen?
Die Wetterbedingungen sind immer wieder herausfordernd. Dazu kommen aktuell die teils erheblichen Kostensteigerungen, welche nicht immer auf die Abnehmer überwälzt werden können. Eine weitere grosse Herausforderung entsteht dadurch, dass immer mehr Pflanzenschutzmittel auf die Liste der benötigten Sonderbewilligungen kommen. Werden diese dann gewährt, kostet dies den Produzenten 30 Franken pro Hektare. Wenn nicht, entstehen grosse Einbussen in der Qualität (wobei der Markt nahezu perfekte Ware fordert) oder gar Totalausfälle. Die Personalsituation ist ebenfalls ein Dauerthema. Es wird zunehmend schwierig, qualifiziertes Personal zu finden, sowohl in der Administration als auch auf dem Feld. Der Minimallohn für Erntepersonal reicht nicht mehr, um die Leute zu halten. Produzenten, welche trotzdem daran festhalten, haben hohe Fluktuation. Die Wochenarbeitszeit von 52,5 Stunden kommt ebenfalls unter Druck.
Wie sah es mit den Produzentenpreisen aus. War 2022 diesbezüglich ein gutes Jahr? Wo würden Sie es im Vergleich zu den letzten zehn Jahren einordnen?
Die Richtpreise zwischen Produzenten und Händlern wurden 2022 teils erhöht. Dies löste aber das Problem nur für diejenigen Betriebe, welche genug Ware liefern konnten. Ausserdem ist es in der Praxis oft so, dass die Richtpreise nicht eingehalten werden. In den vergangenen zehn Jahren ist der Preisdruck stetig gestiegen, auch wenn es zwischendurch immer Schwankungen nach unten und oben gab.
Bei welchem Gemüse herrschte eine grosse Nachfrage, und wo war der Absatz schleppend?
Durch die lang anhaltend hohen Temperaturen waren vor allem im Sommer Gurken, Tomaten, Grillgemüse und Salate gefragt.
Wie sahen die Gemüseimporte im Jahr 2022 aus. Gab es da Überschneidungen mit der einheimischen Ware?
Die Handhabung der Importkontingente brachte auch dieses Jahr wieder ab und zu Unruhe ins System. Eine bessere Koordination von Importmengen und verfügbarer Eigenproduktion ist zwar sehr schwierig zu bewerkstelligen, wäre aber im Sinne aller Produzenten wünschbar. Hier ist insbesondere der Verband der Schweizer Gemüseproduzentinnen und -produzenten gefordert. Dies betrifft mehr oder weniger alle Gemüsesorten.
Die steigenden Produktionskosten (Dünger, Diesel, Pflanzenschutzmittel) sind in der Landwirtschaft ein grosses Problem. Wie hart trifft dies die Gemüseproduzenten?
Wie bereits erwähnt, konnten die Kostensteigerungen nicht immer auf die Abnehmer überwälzt werden. Die Mehrkosten bei Dünger sind mit bis zu 120 Prozent enorm, bei den Pflanzenschutzmitteln eher moderat. Hier stellt sich für 2023 eher die Frage nach der genügenden Verfügbarkeit, da insbesondere beim Dünger viele Stoffe aus der Ukraine stammen. Beim Personal steigen die Kosten überdurchschnittlich, weil sonst nicht mehr genügen Arbeitskräfte rekrutiert werden können. Rohstoffpreise wie Baumaterial oder Plastik sind zwischen 25 und 80 Prozent teurer geworden.Dieser Effekt betrifft nicht alle Produzenten gleichermassen. Der Dieselpreis hat sich gegenüber dem Höchstpreis wieder etwas normalisiert, aber immer noch 20 bis 30 Prozent über dem Wert von Januar 2022. Der Strompreis wiederum ist für einige Produzenten um praktisch Faktor 20 gestiegen, was vor allem für Produzenten mit Kühllagern eine Katastrophe darstellt.
Welche Prognose stellen Sie für das Jahr 2023?
Wir erwarten, dass die Konsumentenpreise für 2023 leicht steigen werden, weil die oben erwähnten Kostensteigerungen doch langsam Auswirkungen haben und gleichzeitig das Angebot eher sinken wird (Ausstieg von Produzenten, Produktionsausfälle durch weniger Pflanzenschutz). Dem gegenüber steht der nach wie vor hohe Konkurrenzdruck im Detailhandel, vor allem durch die Hard-Discounter. Klimapolitik und Kundenwünsche sind ambivalent. Einerseits werden die Forderungen zur Nachhaltigkeit immer lauter, gleichzeitig spiegelt das Kaufverhalten dies nicht wider. Dies zeigt sich u. a. in der aktuellen Biokrise (Stagnation oder Rückgang bei den etablierten Grossverteilern, Konkurs der Reformhaus-Kette Müller). Bei gewissen Produkten (Rosenkohl) verlangen die Einkäufer der Grossverteiler von Beginn weg Importware, weil diese «schöner» sei. Im Ausland sind die Vorschriften für den Pflanzenschutz weniger streng. Auf diese Weise schaffen wir Teile unseres angestammten Gemüseanbaus in der Schweiz sukzessive ab.