Die Schweizer Zucker AG sucht Produzenten. Geworben wird mit der Aussicht auf guten Profit und dem Richtpreis von 61 Franken pro Tonne für die Jahre 2024 und 2025. Mitten in die Werbekampagne platzte die Meldung, dass der Abrechnungspreis 2024 bei 58 Franken pro Tonne festgesetzt werde – 1,5 Franken weniger als im Vorjahr. Auch der Richtpreis 2026 wurde «an neue Realitäten angepasst» und auf 55 Franken pro Tonne festgelegt, dies bei einem Grundpreis von 48 Franken pro Tonne. Das löst bei einigen Produzenten Irritationen aus. Bei der Schweizer Zucker AG seien bisher kaum negative Reaktionen eingegangen, sagt Sprecher Raphael Wild im Interview mit der BauernZeitung: «Richtpreise sind kein Versprechen, sondern eine Erwartung.»

Bei vielen Zuckerrübenproduzenten ist die Enttäuschung über die tieferen Preise gross. Was für Rückmeldungen sind bei Ihnen eingegangen, und wie reagieren Sie darauf?

Raphael Wild: Bei uns sind wenige negative Rückmeldungen eingegangen. Das hat auch damit zu tun, dass die Preise für Zuckerrüben weiterhin sehr gut sind. Sei dies im Vergleich über die Jahre, als auch im Vergleich mit anderen Kulturen. In den letzten Jahren sind die Preise über 20 % gestiegen. Das wird von den meisten Landwirten auch verstanden.

Können Sie kurz erklären, was zu den tieferen Preisen geführt hat?

Der grösste Faktor ist und bleibt der volatile Weltmarkt. Das Verhalten der grossen Produktionsländer von Zucker wie Indien oder Brasilien nimmt massiven Einfluss auf das Angebot und somit die Preise. Das derzeitige Überangebot drückt die Preise. In den letzten knapp zwei Jahren sind die Zuckerpreise um die Hälfte eingebrochen.

Welche Faktoren spielen auf dem Weltmarkt eine Rolle, und weshalb konnte dies nicht vorausgesehen werden?

Wie oben erwähnt – erschwerend kommt hinzu, dass sich auch in den grossen Produktionsländern das Wetter nicht vorhersehen lässt. Das wiederum nimmt massiven Einfluss auf die Ernte und schliesslich auf die Preise. Entscheidet sich eines der Länder, anstelle von Zucker Ethanol zu produzieren, nimmt das sofort Einfluss auf den Markt und die Preise. Die geopolitische Weltlage, insbesondere der Krieg in der Ukraine, bringt zudem eine hohe Nervosität auf den Markt, was sich wiederum auch auf die Preise auswirkt.

Wie kommt eigentlich ein Richtpreis zustande?

Grund- und Richtpreise werden in der sogenannten Interprofession ausgehandelt. Darin vertreten sind die Pflanzerinnen und Pflanzer sowie die Verarbeiterin, sprich die Schweizer Zucker AG. Die Preise werden dann nach verschiedenen Kriterien ausgehandelt. Zum Basispreis kommen variable Komponenten sowie Reserveauflösungen hinzu, was zum Richtpreis führt. Diese Komponenten hängen u. a. auch von den finanziellen Ergebnissen der Schweizer Zucker AG ab. Wenn die Ergebnisse schlecht sind, müssen die Pflanzer und die Fabrik Zugeständnisse machen. Den grössten Einfluss nimmt aber auch hier der Markt ein.

Produzenten stören sich an der Meldung über Gewinne und Dividendenausschüttung bei der Zucker AG. Haben Sie dafür Verständnis?

Die letzten beiden Jahre konnte die Schweizer Zucker AG seit Längerem wieder eine Dividende auszahlen. Dies war möglich, weil die Zuckerpreise in den letzten beiden Jahren in die Höhe geschossen sind. Die erhaltenen Dividenden wurden durch eine Senkung der Beiträge vollständig an alle Pflanzer umverteilt. Der Schweizerische Verband der Rübenpflanzer kämpft vor allem für einen hohen Rübenpreis, um die Produzenten als grösste Aktionärsgruppe fair zu entlohnen. Inzwischen hat sich der Markt eingependelt. Bei den aktuellen Zuckerpreisen wird es schwierig werden, wieder einen Gewinn zu schreiben.

Weshalb ist die Ausschüttung der Dividende wichtig?

Die Schweizer Zucker AG ist eine privatrechtlich organisierte Aktiengesellschaft. Wie in jeder AG erwarten die Aktionäre entsprechende Erfolge und nach Möglichkeit auch eine Dividende. Die wichtigste Rolle spielen dabei aber unsere «Rohstoff-Lieferanten», sprich die Zuckerrübenpflanzerinnen und -pflanzer. Es ist essenziell, dass diese einen Rübenpreis erhalten, der den Anbau von Zuckerrüben attraktiv macht.

Kollidiert der Unmut bei den Produzenten mit der aktuellen Werbekampagne, mit der neue Produzenten gesucht werden?

Wie erwähnt, halten sich die negativen Rückmeldungen in Grenzen. Dies auch, weil die Preise für die Zuckerrüben nach wie vor sehr solide sind. Leider reicht die angebaute Fläche und damit die Menge an Zuckerrüben immer noch nicht aus, um die Fabriken in Aarberg und Frauenfeld wirtschaftlich zu betreiben. Deshalb setzen wir verschiedene Massnahmen ein, um neue Pflanzerinnen und Pflanzer zu gewinnen. Die Werbekampagne ist eine davon.

Gibt es entsprechende Rückmeldungen auf die Kampagne, und wie gehen Sie damit um?

Wir von der Schweizer Zucker AG haben bis jetzt eher wenige Rückmeldungen erhalten. Und diese waren mehrheitlich positiv, vielleicht auch, weil sie mit Humor und einem «Augenzwinkern» wahrgenommen wird.

Sind sich die Produzenten bewusst, dass die angepriesenen Richtpreise nicht zwangsläufig dem entsprechen, was sie tatsächlich einnehmen werden?

Ja, darum heissen sie «Richtpreise». Die letzten Jahre war es uns zudem immer möglich, diese Richtpreise zu erreichen und zu bezahlen. 2023 waren wir sogar über dem Richtpreis. Gewisse Ackerpflanzen erreichen systematisch nicht die Richtpreise. Für 2024 ist dies leider bei Zuckerrüben der Fall.

Wie stehen die Chancen, dass das «Preisversprechen» in Zukunft eingehalten werden kann?

Wie gesagt, die Richtpreise sind kein Versprechen, sondern eine Erwartung. Diese erfüllt sich je nach Marktlage und Zuckerpreisen. Die Grundpreise hingegen werden fix vereinbart und auch bezahlt.