In den Nächten vom 22. bis zum 25. April gab es in der ganzen Schweiz an vielen Orten Frost. Bei Temperaturen unter 0 °C erfroren sowohl die Blätter als auch – im schlimmsten Fall – die Gescheine, also der Blütenstand der Weinrebe. Das vermeldet die Fachstelle Rebbau der Kantone Schaffhausen, Thurgau und Zürich in ihrer neusten Ausgabe der Winzerinfo.
Mehltau-Risiko ist erhöht
Nach dem 26. April sind die Temperaturen gestiegen und blieben seither über 5 °C. «Der Regen der letzten Tage hat schliesslich ausgereicht, um das Risiko einer Infektion des Bodens mit Falschem Mehltau in weiten Teilen der Schweiz zu erhöhen», schreibt die Fachstelle.
Je nach Region hat der Kälteeinbruch der letzten Wochen die Reben in einen Schockzustand versetzt, sodass sie wenig bis gar nicht gewachsen sind. Die Reben haben an den meisten Standorten BBCH-Stadium 14 (4-Blatt-Stadium) oder 53 (Gescheine sichtbar) erreicht. In frühen Lagen ist bereits das Stadium BBCH 55 (Gescheine vergrössern sich) erreicht, so die Fachstelle.
Primärinfektion erreicht
Für die Applikation von Pflanzenschutzmitteln in Parzellen, die von Frost geschädigt sind, ist nun die Entwicklung der noch verbliebenen gesunden Triebe im Auge zu behalten. Sind tatsächlich alle Triebe erfroren, kann mit dem Pflanzenschutz zugewartet werden, bis die neuen Triebe wieder das Stadium BBCH 11 (erstes Blatt entfaltet) erreicht haben. Beim Falschen Mehltau macht die unsichere Wettervorhersage die Prognose schwierig. Mittlerweile wurden aber an allen Stationen die Bedingungen für die Primärinfektion erreicht, wie die Fachstelle berichtet. Wurde in den letzten Tagen nicht bereits vorbeugend behandelt, steht die erste Behandlung ab 80 % abgelaufener Inkubationszeit vor den nächsten prognostizierten Infektionsereignissen an. Die Folgebehandlungen richten sich vor allem nach der Krankheitsprognose, die auf der Website von Agrometeo genau überprüft werden kann, nach der Witterung (Abwaschung) und dem Zuwachs (rund 2 bis 3 Blätter).
Agrometeo hat die Daten
Für den Echten Mehltau zeigt das Prognosemodell an den meisten Stationen für die nächste Zeit ein mittleres Risiko. Daher sollte ab der nächsten Behandlung auch der Echte Mehltau mitberücksichtigt werden. Die Behandlungsabstände richten sich nach dem Risiko-Index des Prognosemodells (Agrometeo) und dem zuletzt eingesetzten Pflanzenschutzmittel. Bei Piwi-Sorten sind Behandlungen gegen den Falschen und den Echten Mehltau erst ab BBCH 57 (Vorblüte) notwendig. Nur bei weniger robusten Sorten (z. B. Regent, Cabernet Jura, Johanniter) sollten schwere und länger dauernde (mehrere Tage) Infektionsereignisse durch Falschen Mehltau bereits ab BBCH 53 abgedeckt werden.
Auf welche Knospen setzen?
Bei bereits grünen Trieben führte der Frost zu einer raschen Braunverfärbung und lässt sie von der Triebspitze her vertrocknen. Eisige Temperaturen führen jedoch nicht zum Absterben der Rebe. Wenn alle Triebe, Blätter und Gescheine zerstört sind, bleibt vorerst nichts anderes übrig, als zwei bis drei Wochen abzuwarten, bis das Wachstum der Rebe wieder in Gang kommt. Erst so werde ersichtlich, auf welche Knospen gesetzt werden könne, schreiben die Experten.
Falls die Rebstöcke noch lebende junge Triebe, inklusive Gescheine, haben, werden diese Triebe das Wachstum mit den Geiztrieben fortsetzen. In allen beschädigten Reben ist das Ausbrechen – im Hinblick auf das Schneiden im Folgejahr – vorzunehmen. Da dieser Frostbefall relativ früh in der Weinbausaison aufgetreten ist, dürfte die zweite Vegetation ihren Wachstumszyklus abschliessen können und so eine gute Holzreife gewährleisten, so die Prognose.
Mehraufwand abwägen
Unter Winzerinnen und Winzern läuft die Debatte, ob die sogenannte Frostrute angebunden oder abgeschnitten werden soll. Gerade ist sie neu aufgeflammt, weil diese Entscheidung angesichts der nahenden Eisheiligen (11. bis 15. Mai) ansteht. «Eine konkrete Empfehlung gibt es hierfür nicht», äussert sich die Fachstelle. Durch das Stehenlassen der Frostruten werde der Austrieb gehemmt respektive verzögert und es könne über die kritische Phase der Spätfröste hinweghelfen. Demgegenüber steht das Argument, dass durch das späte Abschneiden der Frostruten die Reben die eingelagerten Reservestoffe verlieren, die besonders von jungen Stöcken gebraucht werden.