Hochstamm-Obstbäume zu pflegen ist aufwendig. ­Zudem können sie nicht, wie bei Niederstamm-Obstanlagen, vor Witterungseinflüssen und Schädlingen durch Einnetzen geschützt werden. Dies veranlasst die Bauern im solothurnischen Schwarzbubenland, vermehrt Hochstämmer zu fällen. Als Alternative errichten sie ­teilweise moderne Niederstammanlagen. Bereits jetzt sei der Pflanzenschutz bei den Hochstämmern schwierig, erklärt der Präsident der Solothurner Bauern, Andreas Vögtli gegenüber der BauernZeitung.

 

Das ist Hochstamm Suisse

Hochstamm Suisse ist ein Verein, der von  Birdlife Schweiz und Pro Natura im Jahr 2000 gegründet wurde.  Hochstamm-Obstbäume stellen ein wertvolles Erbe der Schweiz, das es zu bewahren gilt, heisst es auf der Website. Hochstamm Suisse will keine Hochstamm-Landschaften à la Ballenberg, sondern ein lebendiges Produktionssystem, das einheimisches Obst für genussvolle Produkte hervorbringt und gleichzeitig zur Vielfalt und Ökologie der Kulturlandschaft beiträgt. Als Hochstämmer werden Obstbäume bezeichnet, bei denen die ersten Äste erst in 1,60 Meter Höhe beginnen (bei Steinobst in 1,20 m) und grosse Rundkronen bilden. 

Einige Zahlen von 2017:

  • 1231 Mitglieder
  • 23,4 Prozent Marktanteil Spezialmostobst
  • 35,6 Prozent Marktanteil Industriekirschen
  • 24,2 Prozent Marktanteil Industriezwetschgen
  • 98 Tonnen Mengenabsatz Industriekirschen
  • 31 Tonnen Mengenabsatz Industriezwetschgen

Zwischenwirt der Kirschessigfliege

Die strukturierte Landschaft im Kanton Solothurn mit zahlreichen Hecken und Waldrändern begünstigt etwa Schädlinge wie die Kirschessigfliege (KEF). Denn viele Beeren und die Früchte zahlreicher Sträucher seien Zwischenwirt für den gefürchteten Schädling, bis die Kirschen reif sind. Eine Annahme einer oder gar beider Pflanzenschutz-Initiativen, würde die Produktion von marktfähigen Früchten von Hochstammbäumen verunmöglichen. Mit einer Annahme hätten die Produzenten dann nicht mal mehr die Bioprodukte zur Verfügung. «Das ist eine Tatsache, der Initiativtext ist eindeutig», warnt Vögtli. Er macht einen Vergleich mit der Humanmedizin: «Ein Verbot unseres in der Schweiz praktizierten Pflanzenschutzes wäre vergleichbar mit dem Verbot der modernen Medizin!»

Hoffen auf die Forschung

Wenn die Bäume nicht gepflegt werden können, fehlt der Ertrag und dann hat er für den Bauern keinen Wert mehr. Aber nicht nur bei produzierenden Landwirten sieht Andreas Vögtli dies. Bereits würden auch Hobbybauern sagen: «Wenn ich nichts ernten kann, kommt der Baum weg.» «Nur für den Naturschutz lassen die Obstproduzenten Hochstamm-Obstbäume nicht stehen», so Vögtli. Er setzt grosse Hoffnungen in die Forschung, dass diese bald alternative und umweltverträglichere Wirkstoffe hervorbringt.

Die Qualität der Früchte reicht nicht

Auch Philipp Gut, Leiter Fachstelle Spezialkulturen am Bildungszentrum Wallierhof Riedholz, weiss, dass Schädlinge wie die KEF oder auch die Baumwanze bei Obst und Beeren immer mehr eine Einnetzung fordern. Er sagt deutlich: «Der Hochstamm-Obstbaum ist etwas Schönes.» Die Hochstammobst-Produktion laufe jedoch an den Anforderungen des Marktes vorbei. Die geforderte Qualität könne nicht mehr erreicht werden. Man habe es möglicherweise verpasst, den Konsumenten aufzuklären. Für den gehören Hochstämmer immer noch zu einem intakten Landschaftsbild dazu. Philipp Gut beobachtet, dass die Solothurner Obstproduzenten weniger auf Niederstammanlagen gesetzt haben, wie etwa die Kollegen in anderen Regionen. Gut ist sich sicher, dass die Hochstämmer nicht komplett verschwinden werden. Ganz ketzerisch stellt er die Frage in den Raum, ob es denn Obsthochstammbäume sein müssten, oder ob die Konsumenten sich nicht auch mit Hochstämmern wie etwa Linden zufriedengeben würden.

«Man trauert etwas hinterher, das vorbei ist»

Er betont, dass Hochstämmer Freude brauchen. Auch er habe Freude daran, gebe sehr gerne Pflege- und Schnittkurse. Aber viele Menschen trauern irgendetwas hinterher, das vorbei sei. Denn vieles habe sich geändert. Der Absatz an Hochstammkirschen etwa sei schwierig. Der Ertrag der Bäume schwankt von Jahr zu Jahr sehr stark. Seien deren grosse Früchte früher Chlöpfer genannt worden, sind diese Früchte heute im Verhältnis klein und werden vom Handel nicht mehr angenommen. Die Konsumenten bevorzugen grosse Früchte. Auf Niederstämmern könnten grosse Früchte besser produziert werden. Die Anlagen können geschlossen und bei drohendem Frost geheizt werden. Denn die Gefahr von späten Frostnächten werde künftig vermehrt zunehmen, ist sich Philipp Gut sicher. Bei Regenperioden kurz vor der Ernte platzen die Früchte auf, wenn sie nicht gedeckt werden können. Und noch ein weiteres Problem der Hochstamm-Obstbäume sehen sowohl Andreas Vögtli wie auch Philipp Gut: Früher hätten Familienangehörige extra Ferien genommen, um bei der Ernte zu helfen. Die kommen heute nicht mehr, wissen beide Fachleute.

 

Produkte von Hochstämmern

Der Verein Hochstamm Suisse bildet seit zehn Jahren eine Partnerschaft mit dem Grossverteiler Coop. Was mit 100-prozentigem Hochstamm-Apfelsaft begann, ist auf rund 170 Produkte von Hochstamm-Obstbäumen angewachsen. So gibt es etwa Fruchtsäfte, Joghurts, Spirituosen, Süssgebäck, Dörrfrüchte, Konzentrate, Dicksäfte, Essig aber auch Frisch- und Tiefkühlprodukte. Viele der Hochstamm-Produzenten verkaufen ihre Produkte direkt auf dem Hof. Eine Liste ist auf der Website von Hochstamm Suisse zu finden. 

 

Eine Prognose ist schwierig

Die BauernZeitung hat bei Agroscope nachgefragt, wie der Pflanzenschutz bei einer möglichen Annahme einer der beiden Pflanzenschutz-Initiativen bei den Hochstämmern laufen könnte. Agroscope schreibt dazu: «Mit der Annahme der Initiativen wären Veränderungen im gesamten Agrarsektor verbunden. Die Komplexität des Systems und die zahlreichen Einflussfaktoren verunmöglichen eine einfache Prognose zu den Folgen und somit auf die Wirkungen spezifisch auf den Pflanzenschutz bei den Hochstämmern (vgl. Agroscope-Studie Folgenabschätzung Trinkwasser-Initiative: ökonomische und agrarstrukturelle Wirkungen).» Da bleibt wohl nichts anderes übrig, als abzuwarten, was die Zeit bringen wird.