Grosse Teile der Getreideernte sind bereits abgeschlossen und die Ernüchterung ist gross. Die Erträge erreichen Minusrekorde und auch die Qualität lässt zu wünschen übrig. Etliche Posten mussten wegen zu hoher Mykotoxinwerte zu Futter deklassiert oder gar entsorgt werden. Der nasse Frühling und der regnerische Frühsommer zeigten in allen Anbauformen die Grenzen in der Produktion auf.

Wie wichtig in solchen Jahren der Schutz der Kulturen ist, kommt bei allen pilzanfälligen Pflanzen wie zum Beispiel Kartoffeln, Reben oder Obst zum Vorschein. Früher hätte eine solche Missernte wohl zu einer Hungersnot geführt. Heute können wir das über Importe und Pflichtlagerabbau ausgleichen. Vielleicht ist das aber doch ein Grund, sich grundsätzlich über die Ernährungssicherheit einige Gedanken zu machen.

Die Schweiz erreicht einen Selbstversorgungsgrad von 52 Prozent brutto und 45 Prozent netto. Anders ausgedrückt, ernähren wir uns seit dem 8. Juli aus dem Ausland. Ernährungssicherheit muss ein globales Ziel sein.

Dennoch litten laut UN-Ernährungsbericht 2023 weltweit im Schnitt 735 Millionen Menschen an Hunger. Das sind rund 10 Prozent der Weltbevölkerung. Um die wachsende Weltbevölkerung mit gesunder und ausgewogener Nahrung zu versorgen, muss die landwirtschaftliche Produktion deutlich gesteigert werden. Dieses Ziel müssen wir auch in der Schweiz haben, wollen wir nicht noch mehr Fläche im Ausland für unsere Ernährung beanspruchen.

Dazu müssen wir unsere besten Böden – die Fruchtfolgeflächen – umfassend in ihrem Bestand schützen. Im überarbeiteten Sachplan Fruchtfolgeflächen hat der Bundesrat im Jahre 2020 den Mindestumfang festgelegt und Grundlagen für einen einheitlichen Vollzug in den Kantonen geschaffen.

Die Berechnung basierte auf einem Bevölkerungsstand von 8,14 Millionen Einwohnern. Inzwischen knacken wir die 9-Millionen-Grenze. Mehr Land haben wir nicht.

Bereits die Sicherstellung des Mindestumfangs an Fruchtfolgeflächen ist in Anbetracht der steigenden Bevölkerungszahl und des damit zusammenhängenden Bedarfs an Boden eine Herausforderung. Das hält übrigens auch der Bundesrat in einer kürzlichen Antwort auf eine parlamentarische Anfrage fest.

Ernährungssicherheit durch Produktionsfortschritt

Wenn die verfügbare Fläche pro Person abnimmt, kann die Ernährungssicherheit nur mit Produktionsfortschritten gewährleistet werden. Neben gezieltem Pflanzenschutz braucht es Fortschritte in der Züchtung. Bei beidem tut sich die Politik aktuell schwer.

Pflanzenschutzmittel haben in der Bevölkerung generell ein negatives Image, unabhängig von ihrer Toxizität. Für neue Mittel sind die Bewilligungsverfahren dermassen aufwendig, dass es sich für die Firmen im beschränkten Schweizer Markt kaum lohnt.

Bleibt die Züchtung auf resistentere Sorten: Dafür bieten neue Züchtungsverfahren gezieltere Ergebnisse als herkömmliche Mutagenese. Nur braucht es auch hier rasch politische Entscheidungen, wenn wir in der Schweiz auch weiterhin in der Pflanzenzüchtung eine Rolle spielen wollen.

Aufgabe der AP 2030

Die Politik sollte die Gelegenheit nutzen, mit der Agrarpolitik 2030 die Weichen richtig zu stellen und die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Eine erste Möglichkeit hat die Bevölkerung am Abstimmungswochenende im September: Ja zur Biodiversität, Nein zur extremen Biodiversitäts-Initiative.

Zur Autor
Martin Hübscher ist Nationalrat und bewirtschaftet einen Betriebin Bertschikon. Er schreibt für die Rubrik «Arena» im Regionalteil Ostschweiz/Zürich der BauernZeitung.