Die Kartoffelfelder vor der Krautfäule zu schützen, war im letzten Jahr mit enormem Aufwand verbunden. Besser wäre es, wenn sich die Pflanzen selbst gegen den Erreger wehren könnten. Derzeit verfolgt man diesen Ansatz z. B. mit der Zucht resistenter Sorten, die zumindest mit weniger zusätzlichem Pflanzenschutz auskommen sollen. Eine andere Möglichkeit wäre, statt nur mit genetischen Resistenzen mit dem pflanzeneigenen Immunsystem zu arbeiten.

Gesund heisst robuster

In den letzten Jahren kamen zahlreiche verschiedene Biostimulanzien mit oder ohne Mikroorganismen auf den Markt. Sie sprechen die grundsätzliche Gesundheit eines Bestands an und verbessern per Definition die Effizienz der Nährstoffverwertung, Qualitätsmerkmale, die Verfügbarkeit von Nährstoffen im Boden oder die Toleranz gegenüber abiotischem – nicht biotischem – Stress. Daher gelten solche Biostimulanzien rechtlich als Dünger und nicht als Pflanzenschutzmittel. Generell sind gesunde Bestände aber robuster, sei es gegen Hitze und Trockenheit oder gegen Krankheiten und Schädlinge. Zumal nicht selten beides in ungesunder Kombination auftritt.

«Die Mehrkosten lohnen sich schnell.»

Aurelian Stalder, Andermatt Biocontrol über FytoSol.

Im Gegensatz zu Biostimulanzien, die in der Regel Pflanzenextrakte, Nährstoffe in kleinen Mengen und allenfalls nützliche Mikroorganismen enthalten, sind Produkte mit dem Wirkstoff «COS-OGA» im Pflanzenschutzmittelverzeichnis des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) gelistet. Sie laufen unter der Kategorie «Stimulator der natürlichen Abwehrkräfte», die bisher neun Produkte verschiedener Hersteller und mit unterschiedlichen Wirkstoffen umfasst.

Gleicher Wirkstoff, anderes Ziel

Die Substanzen Chitosan-Oligomer (COS) und Pectin-Oligomer (OGA) sollen das pflanzliche Immunsystem anregen. Seit fünf Jahren beschäftigt sich Aurelian Stalder von Andermatt Biocontrol Suisse mit COS und OGA, die z. B. in den Produkten FytoSave und FytoSol vermarktet werden.

Zwar beruhen sowohl FytoSave als auch FytoSol auf COS und OGA, Ersteres ist aber für die Anwendung im Wein- und Gemüsebau gegen Echten und Falschen Mehltau konzipiert. FytoSol hingegen ist laut Aurelian Stalder auf die Bekämpfung – bzw. Prävention – von Krautfäule in Kartoffeln zugeschnitten. «Bei FytoSol wurde die Aktivsubstanz so formuliert, dass diese gezielt Abwehrgene von Kartoffeln gegen die Krautfäule aktiviert», erklärt der Leiter Produktentwicklung und Feldversuche. «Die Produkte sind also recht spezifisch.» FytoSol imitiere demnach den Angriff von Phytophthora infestans, die Kartoffelstaude fahre als Antwort ihre Abwehr hoch.

Damit sie dafür genügend Zeit hat, empfiehlt Andermatt Biocontrol eine erste Anwendung von FytoSol vor Reihenschluss, und mindestens zwei vor dem ersten Infektionsereignis im Feld. Da die aufgebaute Abwehr nach ungefähr zehn Tagen wieder schwächer werde, sei die wiederholte Ausbringung alle sieben bis zehn Tage für den Erfolg zentral.

In Feldversuchen konnte das Unternehmen nach eigenen Angaben in Jahren mit normalem Krautfäuledruck mit leichtem bis mittleren Befall die Kupfermenge im Bio-Anbau ohne Wirkungseinbussen bis zur Hälfte reduzieren.

Verbessert die Wirkung

FytoSol müsse immer mit Kupfer gemischt angewandt werden, so Andermatt Biocontrol. «Der Grund liegt in der Zulassung, weil diese nur in Kombination mit Kupfer erteilt worden ist», sagt Aurelian Stalder. Im Feld habe sich eine starke synergistische Wirkung von FytoSol und Kupfer gezeigt. «Mit Kupfer erreicht man nie einen 100-prozentigen Schutzbelag auf den Pflanzen», gibt Stalder zu bedenken. In Verbindung mit dem immunstimulierenden Zusatz ausgebracht, ermögliche das Kontaktfungizid aber, dass die Staude ihre erhöhte Abwehr auf ansonsten ungeschützte Stellen konzentriert. «Wenn nur FytoSol ohne Kupfer gespritzt wird, muss sich die Pflanze überall gleichzeitig gegen die Krautfäule verteidigen», schildert der Fachmann weiter. Das überfordere die Staude und begrenze den Mehrwert der verstärkten Eigenabwehr.

Nicht nur für Biobetriebe könne FytoSol indes interessant sein, ist Aurelian Stalder überzeugt. Zwar gebe es erst wenig Erfahrung mit Tankmischungen mit konventionellen Fungiziden statt Kupfer, es gebe aber Hinweise, dass diese gleichermassen funktionieren würden. «Wir sind mit der HAFL im Austausch, um diese Frage im nächsten Jahr vertieft anzugehen.» Die Verträglichkeit von FytoSol mit diversen Produkten sei jedenfalls gegeben.

«Zusätzliche Versicherung»

Um den Mehrwert von FytoSol für konventionelle Betriebe abschliessend abzuschätzen, fehle noch die nötige Erfahrung, fasst Aurelian Stalder zusammen. «2024 haben wir aber von diversen Landwirten gehört, die zur Verbesserung der Wirkung bei jeder Spritzung eine kleine Menge Kupfer den chemisch-synthetischen Fungiziden beigegeben haben», ergänzt der Produktentwickler. Es seien jeweils 150 g Reinkupfer pro Spritzung zum Einsatz gekommen. «FytoSol als weiterer Zusatz würde sicher einen Mehrwert bringen», sagt Stalder. Wenn man die Mehrkosten für dieses Produkt ins Verhältnis setze mit dem möglichen Ausfall durch Krautfäule, lohne es sich schnell. «Es gibt einem eine zusätzliche Versicherung.»

Die Forschung laufe, um COS und OGA in der richtigen Formulierung künftig auch in anderen Kulturen und gegen andere Schadpilze einsetzen zu können. Bisher ist mit FytoSave ein weiteres, bio-gelistetes Produkt für Beeren und Gemüse im Gewächshaus sowie für Reben mit diesem Wirkstoff zugelassen.

 

Wirkung jeweils nachweisen

Die Verwendung von COS und OGA als Wirkstoffe gegen Krautfäule bei Kartoffeln ist neu. «Der Hauptfokus dieses Wirkstoffs liegt auf der Bekämpfung von Echten Mehltau-Pilzen bei verschiedenen Kulturen», halten die Experten von Agroscope auf Anfrage fest.

Teilweise wirksam
Im Weiteren gebe es Bewilligungen gegen den Falschen Mehltau der Reben und eben neu zum Schutz von Kartoffeln gegen die Krautfäule. Agroscope ergänzt aber, dass in letzterem Fall COS-OGA nur in Kombination mit Kupfer zugelassen ist; «Die Wirkung des Produkts reicht nicht aus, um die Krankheit bei hohem Befallsdruck zu kontrollieren.» Im Weinbau sei es nur mit Teilwirkung bewilligt.

Mit anderen Mitteln kombinieren
Es gebe aber durchaus wissenschaftliche Studien, die zeigen, dass COS-OGA die Abwehrmechanismen von Pflanzen gegen Pathogene anstösst. «Im Moment sind mit diesem Wirkstoff die drei Produkte Auralis, FytoSave und FytoSol in der Schweiz zugelassen, meistens mit Teilwirkung.» Das heisst, sie müssen in Kombination mit anderen Produkten ausgebracht werden.
Zwar verfügt jede Pflanze über ihr eigenes Immunsystem, COS-OGA dürfte nach Einschätzung von Agroscope aber trotzdem nicht überall gleichsam wirken. «Die Reaktion hängt von der Kultur ab, manchmal können auch Sorten derselben Kultur unterschiedlich reagieren.» Generell müsste daher die Wirksamkeit dieser Produkte für jede Kultur und jeden Erreger nachgewiesen werden, wobei gewisse Ableitungen für sehr ähnliche Kulturen oder Erreger möglich seien.

Keine Resistenzen bekannt
Und wie sieht es mit dem Risiko einer Resistenzbildung bei den Pathogenen aus? «Gemäss dem Fungicide Resistance Action Committee (FRAC) sind bisher keine Resistenzen bekannt», gibt Agroscope Auskunft.