Auf den ersten Blick ist das Gerät unscheinbar: vorne am Traktor befestigt ist ein niedriger Aufbau mit seitlichen Plastikstreifen, die wie Scheuklappen wirken. Hinten ist mit der Zapfwelle verbunden ein grosser Kasten. Bei näherem Hinsehen deuten diverse Kabel und ein Warnhinweis für Herzschrittmacher darauf hin, dass hier mit Strom gearbeitet wird – und zwar mit hoher Spannung.
Auch in Reihensaaten einsetzbar
4'000 bis 7'000 Volt fliessen durch die Applikatoren am vorderen Teil des «Xpower», einem System der Firma AGXTrends. «Die Spannung wird vom Generator erzeugt, der über die Zapfwelle vom Traktor angetrieben wird», erklärt Fritz Hofer, Landmaschinenmechaniker bei der Bucher Landtechnik AG. Über Kabel fliesst der Strom nach vorne, wo er vor den Applikatoren noch einmal zu höherer Spannung umgewandelt wird. «Jeder Applikator lässt sich einzeln steuern», erklärt Hofer. Dazu ist die Fahrerkabine des Traktors mit zusätzlichen Bildschirmen ausgestattet. Diese Einzelsteuerung ermögliche auch den Einsatz des Geräts in Reihenkulturen.
Auf einen Blick
- Gewicht: 1'300 Kg vorne, 900 Kg hinten (Generator)
- Fahrgeschwindigkeit: 2 – 7 km/h
- Spannung an den Applikatoren: 4 bis 7'000 Volt
- Preis: noch nicht bekannt, es werden noch keine Geräte verkauft
- Einsatzgebiet: Kartoffeln (Krautentfernung), Getreide, Spezialkulturen, Reihenkulturen (Mais, Gemüse)
- Effektivität: Abhängig von Pflanze (Grösse) und Bodenfeuchtigkeit. Nach 10 Minuten erstes Welken sichtbar, kein Wiederaustreiben, wenn Wurzeln getroffen
Aktuell werden Erfahrungen gesammelt
Beim Gewicht ist der «Xpower» mit anderen Ackergeräten vergleichbar: der vordere Teil wiegt gemäss Fritz Hofer 1'300 Kg, der Generator hinten 900 Kg. «Auch für uns ist diese Methode noch neu, wir arbeiten erst seit dem Frühjahr damit», stellt Fritz Hofer klar. Man sei dabei, Erfahrungen zu sammeln. Bisher seien diese zwar positiv, es brauche aber durchaus noch mehr. So müsse zum Beispiel noch herausgefunden werden, wann der Einsatz optimal ist (z.B. bei welcher Grashöhe oder Bodenfeuchtigkeit).
Anlässlich der Feier vorgestellt
An der Feier zur Eröffnung des Vogeldorfs Alchenstorf war eine Demonstration der elektrischen Unkrautbekämpfung geplant. Obwohl es wegen des vom Regen feuchten Bodens nicht dazu kam, konnten die Besucher doch einen Blick auf den «Xpower» werfen.
Feuchter Boden ist nicht geeignet
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Wenn die Applikatoren den Boden berühren, wird der Stromkreis durch die Erde hindurch bis zum nächsten Applikator geschlossen. «Wenn der Boden allzu feucht ist, bleibt die Elektrizität an der Oberfläche und dringt nicht ein», erklärt Hofer. Unter besseren Bedingungen lasse sich diese Methode am besten mit Glyphosat vergleichen, da der Strom eine Pflanze bis zu den Wurzeln abtöten kann und ein Wiederaustreiben verunmöglicht. «Der grosse Unterschied zu Pestiziden ist aber, dass es bei ‘Xpower’ keine Rückstände gibt», betont der Fachmann. Die Effektivität ist dabei abhängig vom Wassergehalt von Boden und Pflanze, sowie der Länge der Wurzeln.
Sicherheitssysteme sollen Unfälle verhindern
Trotzdem, 4'000 bis 7'000 Volt ist eine beträchtliche Spannung und sicher nicht ungefährlich. Daher sei das System auch mit diversen Sicherheitsvorkehrungen ausgerüstet: sobald der Traktor hält oder das Gerät angehoben wird, wird der Stromfluss unterbrochen. Ausserdem ist eine spezielle Fahrschulung zu absolvieren, bevor man mit der elektrischen Unkrautbekämpfung starten kann. Für Menschen mit Herzschrittmacher gilt ein Sicherheitsabstand von 10 bis 20 Metern. Obwohl das Gerät nicht heiss wird, besteht durch Funken eine gewisse Brandgefahr, die man gerade bei Stoppelfeldern beachten muss.
Die Regenwürmer kommen aus dem Boden
Zu den Auswirkungen auf die Bodenfauna gebe es bisher keine wissenschaftlichen Studien so Hofer. Bei den bisherigen Versuchen hätten sie aber keine negativen Effekte festgestellt. «Allerdings kommen die Regenwürmer an die Oberfläche», schildert er.
Fritz Hofer sieht im «Xpower» bisher vor allem eine Ergänzung zu herkömmlichen Methoden der Unkrautbekämpfung. Aber der Landtechniker sieht auch grosses Potenzial für zukünftige Verbesserungen.
Potenzial, aber Verbesserungsbedarf
Erste Untersuchungen am Forschungsinstitut für Biologischen Landbau FiBL im August/September 2017 konnten keine abschliessenden Erkenntnisse liefern. Wie Hansueli Dierauer vom FiBL schreibt, variierte der Einfluss der hohen Spannung auf die Bodenfauna stark, je nach Bodenart, Temperatur, Feuchtigkeit und Biomasse in der Erde. In feuchten, wassergesättigten Böden können die Effekte bedeutend und negativ sein. Er empfehle weitere Versuche, das System habe aber bei Ausmerzung der technischen Mängel grosses Potenzial. Erstrebenswert wäre eine Erhöhung des Wirkungsgrads bei gleichzeitiger Senkung des Energieaufwands.
Wegen der heterogenen Wirkung und den hohen Energiekosten sei die elektrische Unkrautbekämpfung bisher bei der Direktsaat und im Biolandbau noch nicht empfehlenswert, so Dierauer.